schrieben: so wär' er lustiger und kälter und schöbe seines auf. Jetzt ist nach dem was Sie gethan, nichts weiter zu thun als ihm zu be- fehlen oder zu rathen, daß er bevor er ein musikalisches Amt habe, schon aus Liebe zur Kunst die Ehe fliehen müsse, die den Künstler (wenigstens mit Kindern) immer eindämmt, und daß er vom rechten5 männlichen und altdeutschen Heiraths-Alter, 30, -- Aristoteles und Plato fodern gar 35 -- noch um einige GeburtsWiegenfeste zu entfernt sei zum Hochzeitfeste, das Wiegen hobelt. Behandeln Sie ihn nun nicht mehr sehr ernst; sonst weint er zu seelig und wird ein Narr. -- Fragen Sie ihn doch, ob ich das Tagebuch über meine10 Kinder, das in die Erziehungslehre kommt, an ihn in Briefen nament- lich richten darf, da ich es so sehr wünsche, um es durch Beziehen auf ihn komischer zu machen. -- Und somit gut! Es ist überhaupt das erste mal daß er handeln soll weit ins Leben hinein und hier deckt sich sein altes Schwanken und Wiegen auf; aber lieber wieg' er15 sich als Kinder. Er weiß ja noch gar nicht, was Noth, Frau, Kind, Pflicht und Lebens-Einsicht ist, so wenig als ich im 25, 29ten Jahre. Jetzt freilich bin ich mehr Muster und Meister.
165. An Emanuel.
[Bayreuth, 9. Nov. 1805]20
Vielen Dank für den Zugruß. Wahrscheinlich komm' ich vor- mittag selber ... Das wollt' ich schreiben als meine Frau mit Ihrem Angebinde und Blumenketten kam. Was soll ich sagen und schreiben und geben? -- Was ich habe in mir, haben Sie schon in mir. -- Ich und meine Frau wollten, ohne etwas von der Doppel Feier zu25 sagen, Sie abends beim Essen damit überraschen. -- Ich komme aber hoff' ich.
166. An Karoline Herder in Freiberg.
[Kopie]
[Bayreuth, 12. Nov. 1805]
ich lebe blos von meinen Schreibkräften und für meine Familie --30 ich bin Herders zweite Wittwe -- Überall regen sich jetzt die Stim- men seines Lobs, und wie immer betet man an, nachdem man gekreutziget hat -- Die Kriegsflamme wird von Tübingen abge- weht -- Freude über das Ebnen Ihres Lebensweges; und so geh'
5 Jean Paul Briefe. V.
ſchrieben: ſo wär’ er luſtiger und kälter und ſchöbe ſeines auf. Jetzt iſt nach dem was Sie gethan, nichts weiter zu thun als ihm zu be- fehlen oder zu rathen, daß er bevor er ein muſikaliſches Amt habe, ſchon aus Liebe zur Kunſt die Ehe fliehen müſſe, die den Künſtler (wenigſtens mit Kindern) immer eindämmt, und daß er vom rechten5 männlichen und altdeutſchen Heiraths-Alter, 30, — Ariſtoteles und Plato fodern gar 35 — noch um einige Geburts〈Wiegen〉feſte zu entfernt ſei zum Hochzeitfeſte, das Wiegen hobelt. Behandeln Sie ihn nun nicht mehr ſehr ernſt; ſonſt weint er zu ſeelig und wird ein Narr. — Fragen Sie ihn doch, ob ich das Tagebuch über meine10 Kinder, das in die Erziehungslehre kommt, an ihn in Briefen nament- lich richten darf, da ich es ſo ſehr wünſche, um es durch Beziehen auf ihn komiſcher zu machen. — Und ſomit gut! Es iſt überhaupt das erſte mal daß er handeln ſoll weit ins Leben hinein und hier deckt ſich ſein altes Schwanken und Wiegen auf; aber lieber wieg’ er15 ſich als Kinder. Er weiß ja noch gar nicht, was Noth, Frau, Kind, Pflicht und Lebens-Einſicht iſt, ſo wenig als ich im 25, 29ten Jahre. Jetzt freilich bin ich mehr Muſter und Meiſter.
165. An Emanuel.
[Bayreuth, 9. Nov. 1805]20
Vielen Dank für den Zugruß. Wahrſcheinlich komm’ ich vor- mittag ſelber ... Das wollt’ ich ſchreiben als meine Frau mit Ihrem Angebinde und Blumenketten kam. Was ſoll ich ſagen und ſchreiben und geben? — Was ich habe in mir, haben Sie ſchon in mir. — Ich und meine Frau wollten, ohne etwas von der Doppel Feier zu25 ſagen, Sie abends beim Eſſen damit überraſchen. — Ich komme aber hoff’ ich.
166. An Karoline Herder in Freiberg.
[Kopie]
[Bayreuth, 12. Nov. 1805]
ich lebe blos von meinen Schreibkräften und für meine Familie —30 ich bin Herders zweite Wittwe — Überall regen ſich jetzt die Stim- men ſeines Lobs, und wie immer betet man an, nachdem man gekreutziget hat — Die Kriegsflamme wird von Tübingen abge- weht — Freude über das Ebnen Ihres Lebensweges; und ſo geh’
5 Jean Paul Briefe. V.
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ſchrieben: ſo wär’ er luſtiger und kälter und ſchöbe ſeines auf. Jetzt
iſt nach dem was Sie gethan, nichts weiter zu thun als ihm zu be-
fehlen oder zu rathen, daß er bevor er ein muſikaliſches Amt habe,
ſchon aus Liebe zur Kunſt die Ehe fliehen müſſe, die den Künſtler
(wenigſtens mit Kindern) immer eindämmt, und daß er vom rechten 5
männlichen und altdeutſchen Heiraths-Alter, 30, — Ariſtoteles
und Plato fodern gar 35 — noch um einige Geburts〈Wiegen〉feſte
zu entfernt ſei zum Hochzeitfeſte, das Wiegen hobelt. Behandeln
Sie ihn nun nicht mehr ſehr ernſt; ſonſt weint er zu ſeelig und wird
ein Narr. — Fragen Sie ihn doch, ob ich das Tagebuch über meine 10
Kinder, das in die Erziehungslehre kommt, an ihn in Briefen nament-
lich richten darf, da ich es ſo ſehr wünſche, um es durch Beziehen auf
ihn komiſcher zu machen. — Und ſomit gut! Es iſt überhaupt das
erſte mal daß er handeln ſoll weit ins Leben hinein und hier deckt
ſich ſein altes Schwanken und Wiegen auf; aber lieber wieg’ er 15
ſich als Kinder. Er weiß ja noch gar nicht, was Noth, Frau, Kind,
Pflicht und Lebens-Einſicht iſt, ſo wenig als ich im 25, 29ten Jahre.
Jetzt freilich bin ich mehr Muſter und Meiſter.
165. An Emanuel.
[Bayreuth, 9. Nov. 1805] 20
Vielen Dank für den Zugruß. Wahrſcheinlich komm’ ich vor-
mittag ſelber ... Das wollt’ ich ſchreiben als meine Frau mit Ihrem
Angebinde und Blumenketten kam. Was ſoll ich ſagen und ſchreiben
und geben? — Was ich habe in mir, haben Sie ſchon in mir. —
Ich und meine Frau wollten, ohne etwas von der Doppel Feier zu 25
ſagen, Sie abends beim Eſſen damit überraſchen. — Ich komme
aber hoff’ ich.
166. An Karoline Herder in Freiberg.
[Kopie][Bayreuth, 12. Nov. 1805]
ich lebe blos von meinen Schreibkräften und für meine Familie — 30
ich bin Herders zweite Wittwe — Überall regen ſich jetzt die Stim-
men ſeines Lobs, und wie immer betet man an, nachdem man
gekreutziget hat — Die Kriegsflamme wird von Tübingen abge-
weht — Freude über das Ebnen Ihres Lebensweges; und ſo geh’
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/80>, abgerufen am 16.02.2025.
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