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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.

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411. An Emanuel.

Hier, lieber Emanuel, schick' ich Ihnen einen schönen Brief und
den Almanach, worin Sie meinen kurzen blos ernsten Aufsatz schon
heute am Sabbath noch lesen können, denk' ich. Es ist Sonntags-5
lektüre. Ich brauch' es ja nicht eher wieder als morgen.

*412. An Ernst Wagner.

Unter allen Briefschreibern, die jetzt auf der Erde an einander
schreiben, bin ich ohne Frage der schlimmste; und ich sollte wie die10
72 päbstlichen Schreiber den Namen Abbreviator haben; denn eine
stärkere Abbreviatur gibts nicht als -- völliges Schweigen. Noch
dazu warf mir jeden Tag Ihr Manuskript, das ich sogleich und so
froh gelesen, meine Verstockung vor und bekehrte mich doch nicht
eher als heute. Aber wahrlich! die bauende Anarchie der Politik um15
uns her wirft sich zuletzt auch in die Studier-Mansarden.

Ich bin sehr begierig auf Ihre angekündigte "Nachhausereise".
Aber schmerzlich war (und wär) es mir, wenn Sie das einfältigste
Versprechen -- was eben sein eignes Gegentheil ist -- halten wollten,
das Sie je gegeben, nämlich Ihre ganze Schriftstellerei auf 3 Festtags-20
Werke, wie eine Arie a trois notes zu beschränken. Wenige Autoren,
die so frei, eben so wol an sich als an die Leser schrieben, wurden
noch so gut von Kampfparteien aufgenommen als Sie. Mögen
Sie mir erfreulichere Nachrichten von Ihrem Körper geben können,
als ich leider bekommen! Freilich sind Rückenmark und Gehirnmark25
im Antagonismus und jenes muß die Ausgaben dieses tragen. Indeß
bin ich durch meine eigne Lebensgeschichte gewiß, daß jeder nur so
viel krank ist als er will -- sobald er Leibes-Memoires führt --
wär' es auch nur in der Memorie -- und sobald er soviel Arznei-
kunde gelernt, als er braucht, um der Leibmedikus eines einzigen30
Leibes zu werden. So ist z. B. einem Kopfe, und überhaupt einem
homo emunctae naris (solcher Nase als Präsident Heim hat) kein
Katarrh zu vergeben, und er, der so leicht lange Nasen auszutheilen
vermag, sollte sich am wenigsten mit einer fließenden behaften.
Ich hingegen habe meine sonstige halbmonatliche Migraine schon35
auf Menses herabgebracht, aber ohne jährliche 12 Halbtöne von

411. An Emanuel.

Hier, lieber Emanuel, ſchick’ ich Ihnen einen ſchönen Brief und
den Almanach, worin Sie meinen kurzen blos ernſten Aufſatz ſchon
heute am Sabbath noch leſen können, denk’ ich. Es iſt Sonntags-5
lektüre. Ich brauch’ es ja nicht eher wieder als morgen.

*412. An Ernſt Wagner.

Unter allen Briefſchreibern, die jetzt auf der Erde an einander
ſchreiben, bin ich ohne Frage der ſchlimmſte; und ich ſollte wie die10
72 päbſtlichen Schreiber den Namen Abbreviator haben; denn eine
ſtärkere Abbreviatur gibts nicht als — völliges Schweigen. Noch
dazu warf mir jeden Tag Ihr Manuſkript, das ich ſogleich und ſo
froh geleſen, meine Verſtockung vor und bekehrte mich doch nicht
eher als heute. Aber wahrlich! die bauende Anarchie der Politik um15
uns her wirft ſich zuletzt auch in die Studier-Manſarden.

Ich bin ſehr begierig auf Ihre angekündigte „Nachhauſereiſe“.
Aber ſchmerzlich war (und wär) es mir, wenn Sie das einfältigſte
Verſprechen — was eben ſein eignes Gegentheil iſt — halten wollten,
das Sie je gegeben, nämlich Ihre ganze Schriftſtellerei auf 3 Feſttags-20
Werke, wie eine Arie à trois notes zu beſchränken. Wenige Autoren,
die ſo frei, eben ſo wol an ſich als an die Leſer ſchrieben, wurden
noch ſo gut von Kampfparteien aufgenommen als Sie. Mögen
Sie mir erfreulichere Nachrichten von Ihrem Körper geben können,
als ich leider bekommen! Freilich ſind Rückenmark und Gehirnmark25
im Antagoniſmus und jenes muß die Ausgaben dieſes tragen. Indeß
bin ich durch meine eigne Lebensgeſchichte gewiß, daß jeder nur ſo
viel krank iſt als er will — ſobald er Leibes-Memoires führt —
wär’ es auch nur in der Memorie — und ſobald er ſoviel Arznei-
kunde gelernt, als er braucht, um der Leibmedikus eines einzigen30
Leibes zu werden. So iſt z. B. einem Kopfe, und überhaupt einem
homo emunctae naris (ſolcher Naſe als Präſident Heim hat) kein
Katarrh zu vergeben, und er, der ſo leicht lange Naſen auszutheilen
vermag, ſollte ſich am wenigſten mit einer fließenden behaften.
Ich hingegen habe meine ſonſtige halbmonatliche Migraine ſchon35
auf Menses herabgebracht, aber ohne jährliche 12 Halbtöne von

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[169/0184] 411. An Emanuel. [Bayreuth, 26. Sept. 1807] Hier, lieber Emanuel, ſchick’ ich Ihnen einen ſchönen Brief und den Almanach, worin Sie meinen kurzen blos ernſten Aufſatz ſchon heute am Sabbath noch leſen können, denk’ ich. Es iſt Sonntags- 5 lektüre. Ich brauch’ es ja nicht eher wieder als morgen. *412. An Ernſt Wagner. Bayreuth d. 28 Sept. 1807 Unter allen Briefſchreibern, die jetzt auf der Erde an einander ſchreiben, bin ich ohne Frage der ſchlimmſte; und ich ſollte wie die 10 72 päbſtlichen Schreiber den Namen Abbreviator haben; denn eine ſtärkere Abbreviatur gibts nicht als — völliges Schweigen. Noch dazu warf mir jeden Tag Ihr Manuſkript, das ich ſogleich und ſo froh geleſen, meine Verſtockung vor und bekehrte mich doch nicht eher als heute. Aber wahrlich! die bauende Anarchie der Politik um 15 uns her wirft ſich zuletzt auch in die Studier-Manſarden. Ich bin ſehr begierig auf Ihre angekündigte „Nachhauſereiſe“. Aber ſchmerzlich war (und wär) es mir, wenn Sie das einfältigſte Verſprechen — was eben ſein eignes Gegentheil iſt — halten wollten, das Sie je gegeben, nämlich Ihre ganze Schriftſtellerei auf 3 Feſttags- 20 Werke, wie eine Arie à trois notes zu beſchränken. Wenige Autoren, die ſo frei, eben ſo wol an ſich als an die Leſer ſchrieben, wurden noch ſo gut von Kampfparteien aufgenommen als Sie. Mögen Sie mir erfreulichere Nachrichten von Ihrem Körper geben können, als ich leider bekommen! Freilich ſind Rückenmark und Gehirnmark 25 im Antagoniſmus und jenes muß die Ausgaben dieſes tragen. Indeß bin ich durch meine eigne Lebensgeſchichte gewiß, daß jeder nur ſo viel krank iſt als er will — ſobald er Leibes-Memoires führt — wär’ es auch nur in der Memorie — und ſobald er ſoviel Arznei- kunde gelernt, als er braucht, um der Leibmedikus eines einzigen 30 Leibes zu werden. So iſt z. B. einem Kopfe, und überhaupt einem homo emunctae naris (ſolcher Naſe als Präſident Heim hat) kein Katarrh zu vergeben, und er, der ſo leicht lange Naſen auszutheilen vermag, ſollte ſich am wenigſten mit einer fließenden behaften. Ich hingegen habe meine ſonſtige halbmonatliche Migraine ſchon 35 auf Menses herabgebracht, aber ohne jährliche 12 Halbtöne von

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:13:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:13:57Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/184>, abgerufen am 24.11.2024.