Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.Den schönen Herbst, der zu dir geführet hätte, sperrten mir -- Und so muß man, als eine lebendige unwillkürliche Figura10 ... Ich habe Fichte's neueste Drillinge gelesen. 1. Die Vorgeburt d. 25. März 1807.15 Trefflicher! Vergib mir meine Sünde gegen mich selber. Blos Haben die Zeitungen mehr Recht als bei kleinern Siegen, Über deinen Magen, deine Augen, vier Gehirnkammern, Lungen- a) Seitdem hab' ich die frohe Nachricht deiner akademischen Regentschaft sogar
im Moniteur gelesen. Ich möchte wissen, ob ich nicht auch in die Akademie hinein-35 könnte und ob 39 Bände und die bisherigen Fürsten, die mich blos von diesen leben hießen, nicht dazu führen dürften. Den ſchönen Herbſt, der zu dir geführet hätte, ſperrten mir — Und ſo muß man, als eine lebendige unwillkürliche Figura10 ... Ich habe Fichte’s neueſte Drillinge geleſen. 1. Die Vorgeburt d. 25. März 1807.15 Trefflicher! Vergib mir meine Sünde gegen mich ſelber. Blos Haben die Zeitungen mehr Recht als bei kleinern Siegen, Über deinen Magen, deine Augen, vier Gehirnkammern, Lungen- a) Seitdem hab’ ich die frohe Nachricht deiner akademiſchen Regentſchaft ſogar
im Moniteur geleſen. Ich möchte wiſſen, ob ich nicht auch in die Akademie hinein-35 könnte und ob 39 Bände und die bisherigen Fürſten, die mich blos von dieſen leben hießen, nicht dazu führen dürften. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0153" n="138"/> <p>Den ſchönen Herbſt, der zu dir geführet hätte, ſperrten mir<lb/> Levana und der Krieg zu. Ich weiß aber gewiß, daß der März hell,<lb/> kalt, reiſ’bar wird; — und dahin vertröſt’ ich mich in meiner Nach-<lb/> barſchafts-Armuth. Wahrlich das einzige Geiſtreiche, was einem<lb/> noch begegnet, iſt, daß es etwas Unglück gibt, das zu bekriegen iſt.<lb n="5"/> Denke dir den deutſchen Sumpf nur auf 50 Jahre noch fortge-<lb/> ſtanden mit ſeiner grünen Prieſtleyſchen Materie, dieſe wahre<lb/><hi rendition="#aq">materia peccans</hi> des Jahrhunderts. Freilich zeigt das Durchwühlen<lb/> des Sumpfes Schlamm oben; aber unten war er doch früher.</p><lb/> <p>— Und ſo muß man, als eine lebendige unwillkürliche <hi rendition="#aq">Figura<lb n="10"/> Praeteritionis</hi> von allem ſprechen, was man zu übergehen denkt;<lb/> ich meine von Politik.</p><lb/> <p>... Ich habe Fichte’s neueſte Drillinge geleſen. 1. Die Vorgeburt<lb/> über die Gelehrten gelte denn als Nachgeburt. 2.</p><lb/> <div> <dateline> <hi rendition="#right">d. 25. März 1807.</hi> </dateline> <lb n="15"/> <p>Trefflicher! Vergib mir meine Sünde gegen mich ſelber. Blos<lb/> weil ich an dich die längſten Briefe ſchreiben will, ſchreib’ ich ſo viele<lb/> kurze an andere, deren Antworten mich nur wie Zeitungen inter-<lb/> eſſieren, daß ich zu nichts komme, nämlich zu keiner Antwort von<lb/> dir. Genug, was hilft Reuſchreiben über Nichtſchreiben ohne Handeln?<lb n="20"/> — Du biſt ſchriftſtelleriſch auch in dieſem Falle. — Das Schlimmſte<lb/> iſt dann für mich, daß ich über allem Neuen, das ich dir ſagen muß,<lb/> dann das Alte vergeſſen, was ich auch ſagen wollte.</p><lb/> <p>Haben die Zeitungen mehr Recht als bei <hi rendition="#g">kleinern Siegen,</hi><lb/> daß du wirklich die Akademie organiſiert und der König die Wieder-<lb n="25"/> geburt getauft mit ſeinem Namen? — <note place="foot" n="a)">Seitdem hab’ ich die frohe Nachricht deiner akademiſchen Regentſchaft ſogar<lb/> im <hi rendition="#aq">Moniteur</hi> geleſen. Ich möchte wiſſen, ob ich nicht auch in die Akademie hinein-<lb n="35"/> könnte und ob 39 Bände und die bisherigen Fürſten, die mich blos von dieſen leben<lb/> hießen, nicht dazu führen dürften.</note></p><lb/> <p>Über deinen Magen, deine Augen, vier Gehirnkammern, Lungen-<lb/> flügel und deine Einbildungen davon wünſch’ ich dein Wort; ob ich<lb/> gleich — nach meiner metereologiſch-pathologiſchen Prognoſe —<lb/> dieſen leichten Vor- und Spiel-Winter für einen Freund deiner<lb n="30"/> Natur anſehe, wenn nicht der Nachwinter alles verlorne Böſe ein-<lb/> holt. — Vergilt mir ja nicht, Guter, mein Böſes mit Schlimmern,<lb/> ſondern ſage mir ſogleich alles über Akademie und Leib.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [138/0153]
Den ſchönen Herbſt, der zu dir geführet hätte, ſperrten mir
Levana und der Krieg zu. Ich weiß aber gewiß, daß der März hell,
kalt, reiſ’bar wird; — und dahin vertröſt’ ich mich in meiner Nach-
barſchafts-Armuth. Wahrlich das einzige Geiſtreiche, was einem
noch begegnet, iſt, daß es etwas Unglück gibt, das zu bekriegen iſt. 5
Denke dir den deutſchen Sumpf nur auf 50 Jahre noch fortge-
ſtanden mit ſeiner grünen Prieſtleyſchen Materie, dieſe wahre
materia peccans des Jahrhunderts. Freilich zeigt das Durchwühlen
des Sumpfes Schlamm oben; aber unten war er doch früher.
— Und ſo muß man, als eine lebendige unwillkürliche Figura 10
Praeteritionis von allem ſprechen, was man zu übergehen denkt;
ich meine von Politik.
... Ich habe Fichte’s neueſte Drillinge geleſen. 1. Die Vorgeburt
über die Gelehrten gelte denn als Nachgeburt. 2.
d. 25. März 1807. 15
Trefflicher! Vergib mir meine Sünde gegen mich ſelber. Blos
weil ich an dich die längſten Briefe ſchreiben will, ſchreib’ ich ſo viele
kurze an andere, deren Antworten mich nur wie Zeitungen inter-
eſſieren, daß ich zu nichts komme, nämlich zu keiner Antwort von
dir. Genug, was hilft Reuſchreiben über Nichtſchreiben ohne Handeln? 20
— Du biſt ſchriftſtelleriſch auch in dieſem Falle. — Das Schlimmſte
iſt dann für mich, daß ich über allem Neuen, das ich dir ſagen muß,
dann das Alte vergeſſen, was ich auch ſagen wollte.
Haben die Zeitungen mehr Recht als bei kleinern Siegen,
daß du wirklich die Akademie organiſiert und der König die Wieder- 25
geburt getauft mit ſeinem Namen? — a)
Über deinen Magen, deine Augen, vier Gehirnkammern, Lungen-
flügel und deine Einbildungen davon wünſch’ ich dein Wort; ob ich
gleich — nach meiner metereologiſch-pathologiſchen Prognoſe —
dieſen leichten Vor- und Spiel-Winter für einen Freund deiner 30
Natur anſehe, wenn nicht der Nachwinter alles verlorne Böſe ein-
holt. — Vergilt mir ja nicht, Guter, mein Böſes mit Schlimmern,
ſondern ſage mir ſogleich alles über Akademie und Leib.
a) Seitdem hab’ ich die frohe Nachricht deiner akademiſchen Regentſchaft ſogar
im Moniteur geleſen. Ich möchte wiſſen, ob ich nicht auch in die Akademie hinein- 35
könnte und ob 39 Bände und die bisherigen Fürſten, die mich blos von dieſen leben
hießen, nicht dazu führen dürften.
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(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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