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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.

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Meine Bitte ist diese -- die Sie zu Ihrer an einen Bäcker
machen --:

Einen ordentlichen, unendlich-dünnen -- ungefähr der Dicke dieses
Briefes ähnlichen*) -- herrlichen, bemandelten und berosinten -- --

-- Käsekuchen ...5

-- Der bloße Durchmesser meinen Arm lang oder länger --

-- Mit nächster Fahrpost hier ankommend --

-- Doch aber zum Paquet gebrochen wie hier eine Serviette
oder in Hof eine Salvete --

-- Ohne Schachtel -- nur in Packpapier -- mir zu schicken.10

Mein Dank, Gute, soll größer sein als der Kuchen. Aber ich
brauche jetzt letzteren, so wie alle Höfer, d. h. auch Joditzer Speisen.
Man wird alt, mithin ein Kind, folglich will man den alten Vater-
stadts-Brei.

Doch ernstlich, gute Renate! Ich wende mich mit meiner Bitte an15
Sie, um die Freude zu haben, daß ich eine an meine unvergeßliche
Freundin thue, die mir, und der ich, leicht größere Wünsche erfüllen
würde.

Um mich vor mir selber zu entschuldigen, daß ich einer Hausmutter
gerade in der Zeit der Fest-Mühen und Plagen eine neue mache,20
sag' ich mir vor und Ihnen an, daß ich Ihnen nach einem halben
Jahre meine Erziehungslehre in 2 Bändchen, welche zur Michaelis-
messe erscheint, als ein Andenken meiner heutigen Bitte schicken
werde; damit Sie doch nach so langer Zeit etwas Gedrucktes von
mir nicht nur lesen, sondern auch behalten.25

Wie oft ich den Vorsatz gefaßt nach Hof zu kommen -- d. h. zu
Ihnen -- weiß niemand besser als der, der ihn so oft gebrochen. Der
Himmel aber wird Frühling geben und ätherblaues Wetter und
einen Einspänner für mich.

Mit Freuden hört' ich Ihre glückliche Niederkunft und deren Vor-30
übergang, der sonst noch gefährlicher ist. Leben Sie wol und oster-
festlich. Ich grüße Ihren guten Mann und die Kinder und Ihre Eltern.
Leben Sie wol, meine gute, liebe, liebe Renate!

Richter

N. S. Der April wird hell, blau, kalt, windig.

35
*) Denn Höfer dicke Kuchen sind leicht überall nachzuschaffen, aber nicht dünne.

Meine Bitte iſt dieſe — die Sie zu Ihrer an einen Bäcker
machen —:

Einen ordentlichen, unendlich-dünnen — ungefähr der Dicke dieſes
Briefes ähnlichen*) — herrlichen, bemandelten und beroſinten — —

— Käſekuchen ...5

— Der bloße Durchmeſſer meinen Arm lang oder länger

— Mit nächſter Fahrpoſt hier ankommend —

— Doch aber zum Paquet gebrochen wie hier eine Serviette
oder in Hof eine Salvete —

— Ohne Schachtel — nur in Packpapier — mir zu ſchicken.10

Mein Dank, Gute, ſoll größer ſein als der Kuchen. Aber ich
brauche jetzt letzteren, ſo wie alle Höfer, d. h. auch Joditzer Speiſen.
Man wird alt, mithin ein Kind, folglich will man den alten Vater-
ſtadts-Brei.

Doch ernſtlich, gute Renate! Ich wende mich mit meiner Bitte an15
Sie, um die Freude zu haben, daß ich eine an meine unvergeßliche
Freundin thue, die mir, und der ich, leicht größere Wünſche erfüllen
würde.

Um mich vor mir ſelber zu entſchuldigen, daß ich einer Hausmutter
gerade in der Zeit der Feſt-Mühen und Plagen eine neue mache,20
ſag’ ich mir vor und Ihnen an, daß ich Ihnen nach einem halben
Jahre meine Erziehungslehre in 2 Bändchen, welche zur Michaelis-
meſſe erſcheint, als ein Andenken meiner heutigen Bitte ſchicken
werde; damit Sie doch nach ſo langer Zeit etwas Gedrucktes von
mir nicht nur leſen, ſondern auch behalten.25

Wie oft ich den Vorſatz gefaßt nach Hof zu kommen — d. h. zu
Ihnen — weiß niemand beſſer als der, der ihn ſo oft gebrochen. Der
Himmel aber wird Frühling geben und ätherblaues Wetter und
einen Einſpänner für mich.

Mit Freuden hört’ ich Ihre glückliche Niederkunft und deren Vor-30
übergang, der ſonſt noch gefährlicher iſt. Leben Sie wol und oſter-
feſtlich. Ich grüße Ihren guten Mann und die Kinder und Ihre Eltern.
Leben Sie wol, meine gute, liebe, liebe Renate!

Richter

N. S. Der April wird hell, blau, kalt, windig.

35
*) Denn Höfer dicke Kuchen ſind leicht überall nachzuſchaffen, aber nicht dünne.
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[86/0101] Meine Bitte iſt dieſe — die Sie zu Ihrer an einen Bäcker machen —: Einen ordentlichen, unendlich-dünnen — ungefähr der Dicke dieſes Briefes ähnlichen *) — herrlichen, bemandelten und beroſinten — — — Käſekuchen ... 5 — Der bloße Durchmeſſer meinen Arm lang oder länger — — Mit nächſter Fahrpoſt hier ankommend — — Doch aber zum Paquet gebrochen wie hier eine Serviette oder in Hof eine Salvete — — Ohne Schachtel — nur in Packpapier — mir zu ſchicken. 10 Mein Dank, Gute, ſoll größer ſein als der Kuchen. Aber ich brauche jetzt letzteren, ſo wie alle Höfer, d. h. auch Joditzer Speiſen. Man wird alt, mithin ein Kind, folglich will man den alten Vater- ſtadts-Brei. Doch ernſtlich, gute Renate! Ich wende mich mit meiner Bitte an 15 Sie, um die Freude zu haben, daß ich eine an meine unvergeßliche Freundin thue, die mir, und der ich, leicht größere Wünſche erfüllen würde. Um mich vor mir ſelber zu entſchuldigen, daß ich einer Hausmutter gerade in der Zeit der Feſt-Mühen und Plagen eine neue mache, 20 ſag’ ich mir vor und Ihnen an, daß ich Ihnen nach einem halben Jahre meine Erziehungslehre in 2 Bändchen, welche zur Michaelis- meſſe erſcheint, als ein Andenken meiner heutigen Bitte ſchicken werde; damit Sie doch nach ſo langer Zeit etwas Gedrucktes von mir nicht nur leſen, ſondern auch behalten. 25 Wie oft ich den Vorſatz gefaßt nach Hof zu kommen — d. h. zu Ihnen — weiß niemand beſſer als der, der ihn ſo oft gebrochen. Der Himmel aber wird Frühling geben und ätherblaues Wetter und einen Einſpänner für mich. Mit Freuden hört’ ich Ihre glückliche Niederkunft und deren Vor- 30 übergang, der ſonſt noch gefährlicher iſt. Leben Sie wol und oſter- feſtlich. Ich grüße Ihren guten Mann und die Kinder und Ihre Eltern. Leben Sie wol, meine gute, liebe, liebe Renate! Richter N. S. Der April wird hell, blau, kalt, windig. 35 *) Denn Höfer dicke Kuchen ſind leicht überall nachzuſchaffen, aber nicht dünne.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:13:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:13:57Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/101>, abgerufen am 28.04.2024.