Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.75. An Karoline Herder. Berlin d. 12. Jenn. 1801.Es geht mir an meinem Schreibtisch wie an Ihrem Estisch -- und Das Wichtigste für mich, der ich bisher als ein halbierter oder gar Im Frühling bezieh' ich erst mein Hochzeithaus; ich weis aber d. 23 Jenn.[47] Philosophie, Dichtkunst und Malerei finden hier nur Sand für30 Ich lebe in grossen Zerstreuungen und Arbeiten zugleich und nichts Beiliegenden Brief von Lavater bitt' ich Sie an die Behörde zu Böttiger schrieb von einer Monatsschrift an Aurorens stat; giebt 75. An Karoline Herder. Berlin d. 12. Jenn. 1801.Es geht mir an meinem Schreibtiſch wie an Ihrem Estiſch — und Das Wichtigſte für mich, der ich bisher als ein halbierter oder gar Im Frühling bezieh’ ich erſt mein Hochzeithaus; ich weis aber d. 23 Jenn.[47] Philoſophie, Dichtkunſt und Malerei finden hier nur Sand für30 Ich lebe in groſſen Zerſtreuungen und Arbeiten zugleich und nichts Beiliegenden Brief von Lavater bitt’ ich Sie an die Behörde zu Böttiger ſchrieb von einer Monatsſchrift an Aurorens ſtat; giebt <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0047" n="41"/> <div type="letter" n="1"> <head>75. An <hi rendition="#g">Karoline Herder.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Berlin d. 12. Jenn.</hi> 1801.</hi> </dateline><lb/> <p>Es geht mir an meinem Schreibtiſch wie an Ihrem Estiſch — und<lb/> wie in meinen Biographien —: ich erzähle zu wenig. Ihr Haus iſt<lb/> vollends ein Kloſter des Schweigens; blos an <hi rendition="#aq">Büri</hi> prallen für mich<lb n="5"/> einige holde Laute ab, die Sie ihm zuſenden.</p><lb/> <p>Das Wichtigſte für mich, der ich bisher als ein halbierter oder gar<lb/> eindrittels-Menſch herumlief, wiſſen Sie ſchon, meine Verlobung.<lb/> Ich muſte bisher ſo oft Unrecht haben, um einmal recht — Recht zu<lb/> haben. Die Namensſchweſter der <hi rendition="#aq">Hildb[urghäusischen] Caroline</hi><lb n="10"/> hat alle Vorzüge der leztern und an der Stelle ihrer Fehler auch wieder<lb/> Vorzüge, wozu man in meinem ſo vernünftigen Alter auch eine<lb/> volendete Geſundheit zählt. Ich mag das edle Weſen gar nicht loben<lb/> und malen mit verwäſſerten Abſtrakzionen. Stat ihrer Feſtigkeit,<lb/> Herzens-Reinheit, Schönheit pppppp. wil ich blos das Eine anführen,<lb n="15"/> daß ſie — was bisher noch keine eine Wochelang vermochte — nun<lb/> ein ganzes Vierteljahr ohne Eine einzige diſſone Stunde auskam<lb/> mit — mir.</p><lb/> <p>Im Frühling bezieh’ ich erſt mein Hochzeithaus; ich weis aber<lb/> nicht, in welcher Stadt es gebauet iſt. Hier bleib’ ich nicht. — Der<lb n="20"/> Ton hier übertrift an Unbefangenheit weit den <hi rendition="#aq">Weimar’schen</hi>. Der<lb/> Adel vermengt ſich hier mit dem Bürger, nicht wie Fet mit Waſſer,<lb/> auf welchem dieſes immer oben ſchwimt und äugelt, ſondern ſie ſind innig<lb/> vereinigt wie dieſe durch Laugenſalz, woraus Saife entſteht. Gelehrte,<lb/> Juden, Offiziere, Geheime Räthe, Edelleute, kurz alles was ſich an<lb n="25"/> andern Orten (<hi rendition="#aq">Weimar</hi> ausgenommen) die Hälſe bricht, fället ein-<lb/> ander um dieſe, und lebt wenigſtens freundlich an Thee- und Estiſchen<lb/> beiſammen.</p><lb/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">d. 23 Jenn.</hi> </dateline> <note place="right"> <ref target="1922_Bd4_47">[47]</ref> </note><lb/> <p>Philoſophie, Dichtkunſt und Malerei finden hier nur Sand für<lb n="30"/> ihre Wurzeln; blos die Muſik findet rechte Hände und Ohren. —</p><lb/> <p>Ich lebe in groſſen Zerſtreuungen und Arbeiten zugleich und nichts<lb/> leidet dabei als meine Geſundheit und Briefſtellerei.</p><lb/> <p>Beiliegenden Brief von <hi rendition="#aq">Lavater</hi> bitt’ ich Sie an die Behörde zu<lb/> ſchicken.<lb n="35"/> </p> <p><hi rendition="#aq">Böttiger</hi> ſchrieb von einer Monatsſchrift an Aurorens ſtat; giebt<lb/><hi rendition="#aq">Herder</hi> ſie uns oder irgend etwas anders? Ich bin leider durch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [41/0047]
75. An Karoline Herder.
Berlin d. 12. Jenn. 1801.
Es geht mir an meinem Schreibtiſch wie an Ihrem Estiſch — und
wie in meinen Biographien —: ich erzähle zu wenig. Ihr Haus iſt
vollends ein Kloſter des Schweigens; blos an Büri prallen für mich 5
einige holde Laute ab, die Sie ihm zuſenden.
Das Wichtigſte für mich, der ich bisher als ein halbierter oder gar
eindrittels-Menſch herumlief, wiſſen Sie ſchon, meine Verlobung.
Ich muſte bisher ſo oft Unrecht haben, um einmal recht — Recht zu
haben. Die Namensſchweſter der Hildb[urghäusischen] Caroline 10
hat alle Vorzüge der leztern und an der Stelle ihrer Fehler auch wieder
Vorzüge, wozu man in meinem ſo vernünftigen Alter auch eine
volendete Geſundheit zählt. Ich mag das edle Weſen gar nicht loben
und malen mit verwäſſerten Abſtrakzionen. Stat ihrer Feſtigkeit,
Herzens-Reinheit, Schönheit pppppp. wil ich blos das Eine anführen, 15
daß ſie — was bisher noch keine eine Wochelang vermochte — nun
ein ganzes Vierteljahr ohne Eine einzige diſſone Stunde auskam
mit — mir.
Im Frühling bezieh’ ich erſt mein Hochzeithaus; ich weis aber
nicht, in welcher Stadt es gebauet iſt. Hier bleib’ ich nicht. — Der 20
Ton hier übertrift an Unbefangenheit weit den Weimar’schen. Der
Adel vermengt ſich hier mit dem Bürger, nicht wie Fet mit Waſſer,
auf welchem dieſes immer oben ſchwimt und äugelt, ſondern ſie ſind innig
vereinigt wie dieſe durch Laugenſalz, woraus Saife entſteht. Gelehrte,
Juden, Offiziere, Geheime Räthe, Edelleute, kurz alles was ſich an 25
andern Orten (Weimar ausgenommen) die Hälſe bricht, fället ein-
ander um dieſe, und lebt wenigſtens freundlich an Thee- und Estiſchen
beiſammen.
d. 23 Jenn.
Philoſophie, Dichtkunſt und Malerei finden hier nur Sand für 30
ihre Wurzeln; blos die Muſik findet rechte Hände und Ohren. —
Ich lebe in groſſen Zerſtreuungen und Arbeiten zugleich und nichts
leidet dabei als meine Geſundheit und Briefſtellerei.
Beiliegenden Brief von Lavater bitt’ ich Sie an die Behörde zu
ſchicken. 35
Böttiger ſchrieb von einer Monatsſchrift an Aurorens ſtat; giebt
Herder ſie uns oder irgend etwas anders? Ich bin leider durch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |