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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

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für 4 3/8 Eimer (so misset man hier) wurden mir (um so mehr, da
man wegen der Konferenz alles Geld einkassiert) höflich abgefodert.
Hier war vielleicht nie eine wichtigere Krisis; so viel sag' ich voraus, eh
ich nachher davon zu reden anfange. -- Lesen Sie doch den la Bruyere,
mehr Wiz und Feinheit und Menschenkentnis finden Sie nirgends. --[309]5
Spaziers Briefe müssen Sie eben so anekeln als die schwarzgeränderten
der Herder Ihnen gefallen; leztere wirken stets einen 1/2 Tag auf
mich und meine Augen. -- Glauben Sie, daß meine Frau auf der
Redoute war, ja an der Hoftafel mit as, wiewohl man mir diese
Blumen zerquetschte durch die Nachricht, welche die Suspension10
Wangenheims und der Regierung betraf, wovon besser nachher?
Denn überhaupt erschien C. seitdem mehrmals öffentlich, bei einem
2) Puppen-, bei einem ordentlichen 3) Komödien-Spiel, bei einem
4) Tanz und 5) sonst, 6) beim Minister; doch das höret auch auf,
wiewohl vorgestern die Ministerin bei ihr war, indes schon bei mir15
und andern so viel entschieden war, wie Sie nachher lesen. Aber warum
hab' ich soviel zu beantworten und mus es? -- Weniger in als an
Bayreuth z. B. Johannis, Fantaisie wil ich mit C. und Kind[ern]
in einem leeren Dorfneste während der Badzeit -- nicht im Frühling --
sein, weil gerade ein solches Verhältnis zugleich beides den vertausch-20
ten und den eingetauschten Aufenthalt so romantisch macht als der
Mensch braucht, um sich nicht zu henken. Bei Gott! es gäbe seelige
Stunden, ein solches 1/4 Jahr! Und ich könte alda und von da doch
einmal auch reisen,*) z. B. nach Hof und Wonsiedel und Sanspareil,
(wiewohl ein wahres Sanssousi [!] auf der Erde das einzige Sans-25
pareil
wäre) -- Nur glauben Sie nicht, daß ich jezt eine Stadt
kente, für welche ich das an Büchern, Paradiesen Landschaften,
Menschen, Verhältnissen reiche Coburg hingäbe. Ich sage Verhält-
nissen mit Fleis; denn in einem kurzen SchlachtfeldsZeitRaum
hiesiger Kriege hab' ich von Hof und Welt mehr gelernt als sonst30
in 10 Jahren; und Sie könt' ich am leichtesten überzeugen, wenn ich
jezt schon von der bewusten morgendlichen Konferenz spräche. Doch
bitt' ich Sie, lesen Sie um mich zu verstehen und zu ergänzen, die
angenähten Beilagen A. und B jezt ..... "Bier nach Wein, das
lasse sein" sang stets der Poet Albrecht Otto in Hof nach lezterem;35

*) Auch reis' ich hier wie ein Britte sparend ab, nämlich das Bier und Geld.

für 4 ⅜ Eimer (ſo miſſet man hier) wurden mir (um ſo mehr, da
man wegen der Konferenz alles Geld einkaſſiert) höflich abgefodert.
Hier war vielleicht nie eine wichtigere Kriſis; ſo viel ſag’ ich voraus, eh
ich nachher davon zu reden anfange. — Leſen Sie doch den la Bruyére,
mehr Wiz und Feinheit und Menſchenkentnis finden Sie nirgends. —[309]5
Spaziers Briefe müſſen Sie eben ſo anekeln als die ſchwarzgeränderten
der Herder Ihnen gefallen; leztere wirken ſtets einen ½ Tag auf
mich und meine Augen. — Glauben Sie, daß meine Frau auf der
Redoute war, ja an der Hoftafel mit as, wiewohl man mir dieſe
Blumen zerquetſchte durch die Nachricht, welche die Suſpenſion10
Wangenheims und der Regierung betraf, wovon beſſer nachher?
Denn überhaupt erſchien C. ſeitdem mehrmals öffentlich, bei einem
2) Puppen-, bei einem ordentlichen 3) Komödien-Spiel, bei einem
4) Tanz und 5) ſonſt, 6) beim Miniſter; doch das höret auch auf,
wiewohl vorgeſtern die Miniſterin bei ihr war, indes ſchon bei mir15
und andern ſo viel entſchieden war, wie Sie nachher leſen. Aber warum
hab’ ich ſoviel zu beantworten und mus es? — Weniger in als an
Bayreuth z. B. Johannis, Fantaisie wil ich mit C. und Kind[ern]
in einem leeren Dorfneſte während der Badzeit — nicht im Frühling —
ſein, weil gerade ein ſolches Verhältnis zugleich beides den vertauſch-20
ten und den eingetauſchten Aufenthalt ſo romantiſch macht als der
Menſch braucht, um ſich nicht zu henken. Bei Gott! es gäbe ſeelige
Stunden, ein ſolches ¼ Jahr! Und ich könte alda und von da doch
einmal auch reiſen,*) z. B. nach Hof und Wonſiedel und Sanspareil,
(wiewohl ein wahres Sanssousi [!] auf der Erde das einzige Sans-25
pareil
wäre) — Nur glauben Sie nicht, daß ich jezt eine Stadt
kente, für welche ich das an Büchern, Paradieſen 〈Landſchaften〉,
Menſchen, Verhältniſſen reiche Coburg hingäbe. Ich ſage Verhält-
niſſen mit Fleis; denn in einem kurzen Schlachtfelds〈Zeit〉Raum
hieſiger Kriege hab’ ich von Hof und Welt mehr gelernt als ſonſt30
in 10 Jahren; und Sie könt’ ich am leichteſten überzeugen, wenn ich
jezt ſchon von der bewuſten morgendlichen Konferenz ſpräche. Doch
bitt’ ich Sie, leſen Sie um mich zu verſtehen und zu ergänzen, die
angenähten Beilagen A. und B jezt ..... „Bier nach Wein, das
laſſe ſein“ ſang ſtets der Poet Albrecht Otto in Hof nach lezterem;35

*) Auch reiſ’ ich hier wie ein Britte ſparend ab, nämlich das Bier und Geld.
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[277/0289] für 4 ⅜ Eimer (ſo miſſet man hier) wurden mir (um ſo mehr, da man wegen der Konferenz alles Geld einkaſſiert) höflich abgefodert. Hier war vielleicht nie eine wichtigere Kriſis; ſo viel ſag’ ich voraus, eh ich nachher davon zu reden anfange. — Leſen Sie doch den la Bruyére, mehr Wiz und Feinheit und Menſchenkentnis finden Sie nirgends. — 5 Spaziers Briefe müſſen Sie eben ſo anekeln als die ſchwarzgeränderten der Herder Ihnen gefallen; leztere wirken ſtets einen ½ Tag auf mich und meine Augen. — Glauben Sie, daß meine Frau auf der Redoute war, ja an der Hoftafel mit as, wiewohl man mir dieſe Blumen zerquetſchte durch die Nachricht, welche die Suſpenſion 10 Wangenheims und der Regierung betraf, wovon beſſer nachher? Denn überhaupt erſchien C. ſeitdem mehrmals öffentlich, bei einem 2) Puppen-, bei einem ordentlichen 3) Komödien-Spiel, bei einem 4) Tanz und 5) ſonſt, 6) beim Miniſter; doch das höret auch auf, wiewohl vorgeſtern die Miniſterin bei ihr war, indes ſchon bei mir 15 und andern ſo viel entſchieden war, wie Sie nachher leſen. Aber warum hab’ ich ſoviel zu beantworten und mus es? — Weniger in als an Bayreuth z. B. Johannis, Fantaisie wil ich mit C. und Kind[ern] in einem leeren Dorfneſte während der Badzeit — nicht im Frühling — ſein, weil gerade ein ſolches Verhältnis zugleich beides den vertauſch- 20 ten und den eingetauſchten Aufenthalt ſo romantiſch macht als der Menſch braucht, um ſich nicht zu henken. Bei Gott! es gäbe ſeelige Stunden, ein ſolches ¼ Jahr! Und ich könte alda und von da doch einmal auch reiſen, *) z. B. nach Hof und Wonſiedel und Sanspareil, (wiewohl ein wahres Sanssousi [!] auf der Erde das einzige Sans- 25 pareil wäre) — Nur glauben Sie nicht, daß ich jezt eine Stadt kente, für welche ich das an Büchern, Paradieſen 〈Landſchaften〉, Menſchen, Verhältniſſen reiche Coburg hingäbe. Ich ſage Verhält- niſſen mit Fleis; denn in einem kurzen Schlachtfelds〈Zeit〉Raum hieſiger Kriege hab’ ich von Hof und Welt mehr gelernt als ſonſt 30 in 10 Jahren; und Sie könt’ ich am leichteſten überzeugen, wenn ich jezt ſchon von der bewuſten morgendlichen Konferenz ſpräche. Doch bitt’ ich Sie, leſen Sie um mich zu verſtehen und zu ergänzen, die angenähten Beilagen A. und B jezt ..... „Bier nach Wein, das laſſe ſein“ ſang ſtets der Poet Albrecht Otto in Hof nach lezterem; 35 [309] *) Auch reiſ’ ich hier wie ein Britte ſparend ab, nämlich das Bier und Geld.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/289>, abgerufen am 30.04.2024.