Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.Fas Inzitamente an, für das ich ein Danaiden-Fas bin und das den Nur Eine Schwelgerei hab' ich, die daß ich immer in der hohen [232] Was Trunkenheit ist -- die nämlich den Geist lähmt, anstat be-30 Von Ihrem Thierotschen Briefe fand ich endlich spät in meiner Fas Inzitamente an, für das ich ein Danaiden-Fas bin und das den Nur Eine Schwelgerei hab’ ich, die daß ich immer in der hohen [232] Was Trunkenheit iſt — die nämlich den Geiſt lähmt, anſtat be-30 Von Ihrem Thierotſchen Briefe fand ich endlich ſpät in meiner <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0215" n="208"/> Fas Inzitamente an, für das ich ein Danaiden-Fas bin und das den<lb/> Menſchen, wie ich gleich Nachmittags ſah, ſo ſehr ſtärkt. Ich halt’ es<lb/> für das ſtärkſte, was Sie mir geſandt. Iſts Märzbier? — Gott ſegne<lb/> Sie für Ihre helfende Hand und biet’ Ihnen ſtets ſeine. Einmal wil<lb/> ich mich doch ernſthaft über meinen Trinkunfug vertheidigen. Nämlich:<lb n="5"/> Von meinem 16 Jahr an trank ich bis ins 20<hi rendition="#sup">te</hi> weder Bier noch<lb/> Kaffee, nur zulezt dieſen an Sontagen. Dan häufiger, aber ſtets für<lb/> den Kopf. Erſt im 30 nahm ich als Heilmittel Bier ein, um nicht im<lb/> Kaffee zu erſaufen; und 8 Jahre ſpäter Wein. Ich kenne keinen<lb/> Gaumen-, nur Gehirnkizel; und ſteigt mir eine Sache nicht in den<lb n="10"/> Kopf, ſo ſol ſie auch nicht in die Blaſe. „Konteſt du nicht ſo viele und<lb/> ſo trefliche Werke in <hi rendition="#g">längerer</hi> Zeit bei <hi rendition="#g">kleinerer</hi> Anſpannung geben“<lb/> ſagt die Welt. Nein, Welt! Die Kunſt fodert Intenſion der An-<lb/> ſtrengung, nicht Extenſion; der freilich, aber auf meine Koſten, die<lb/> Abſpannung folgt. Aber mit bloſſem natürl[ichem] Feuer ohne äuſſeres<lb n="15"/> ſind gewiſſe Kalzinier-Effekte gar nicht zu machen; Glas wil ein<lb/> anderes Feuer als etwa ein Braten. „So muſt du aber täglich die<lb/> Inzitamente ſteigern?“ Freilich, aber es koſtet blos verflucht Geld,<lb/> nicht einmal Geſundheit, denn <hi rendition="#g">almählige</hi> Zunahme der Reizmittel<lb/> ſchadet ſo wenig als ein heiſſes Land dem Einwohner. „Du biſt ab-<lb n="20"/> hängig, Guter! Muſt durchaus immer mehr nach Süden.“ Im Winter<lb/> bin ich auch vom Ofen abhängig und im Leben von allem Satan.<lb/> Übrigens darf ich, da ich doch das Beſte und Möglichſte in meinem<lb/> Daſein ſchon gethan, nämlich 25 Bände ſchon gemacht habe, nun mit<lb/> dem Reſte des Lebens und Schreibens nicht mehr ſo ſcheu umſpringen<lb n="25"/> als mit dem Anfang.</p><lb/> <p>Nur Eine Schwelgerei hab’ ich, die daß ich immer in der hohen<lb/> Fluth aller Kräfte ſchwimmen wil; und mit Büchern und Menſchen<lb/> füll’ ich ſehnſüchtig die Ebbe aus.</p><lb/> <p><note place="left"><ref target="1922_Bd4_232">[232]</ref></note> Was Trunkenheit iſt — die nämlich den Geiſt lähmt, anſtat be-<lb n="30"/> flügelt — denn etwas anderes und beſſeres iſt, wenn ein Man abends<lb/> blos im Zikzak heimgehen mus — kenn’ ich nicht.</p><lb/> <p>Von Ihrem Thierotſchen Briefe fand ich endlich ſpät in meiner<lb/><hi rendition="#aq">C.</hi> Briefkäſtgen dieſes Blat. Bin ich Ihnen mehr ſchuldig: ſo mus ich<lb/> Ihnen zur Entſchädigung einen an mich dafür anbieten. Ich bitte Sie<lb n="35"/> um ſeine Adreſſe, damit ich doch auch an ihn ſchreibe. Unendlich wenig<lb/> briefſtellere ich jezt. — Ihr lezter Brief gefiel mir ſehr; es iſt aber<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [208/0215]
Fas Inzitamente an, für das ich ein Danaiden-Fas bin und das den
Menſchen, wie ich gleich Nachmittags ſah, ſo ſehr ſtärkt. Ich halt’ es
für das ſtärkſte, was Sie mir geſandt. Iſts Märzbier? — Gott ſegne
Sie für Ihre helfende Hand und biet’ Ihnen ſtets ſeine. Einmal wil
ich mich doch ernſthaft über meinen Trinkunfug vertheidigen. Nämlich: 5
Von meinem 16 Jahr an trank ich bis ins 20te weder Bier noch
Kaffee, nur zulezt dieſen an Sontagen. Dan häufiger, aber ſtets für
den Kopf. Erſt im 30 nahm ich als Heilmittel Bier ein, um nicht im
Kaffee zu erſaufen; und 8 Jahre ſpäter Wein. Ich kenne keinen
Gaumen-, nur Gehirnkizel; und ſteigt mir eine Sache nicht in den 10
Kopf, ſo ſol ſie auch nicht in die Blaſe. „Konteſt du nicht ſo viele und
ſo trefliche Werke in längerer Zeit bei kleinerer Anſpannung geben“
ſagt die Welt. Nein, Welt! Die Kunſt fodert Intenſion der An-
ſtrengung, nicht Extenſion; der freilich, aber auf meine Koſten, die
Abſpannung folgt. Aber mit bloſſem natürl[ichem] Feuer ohne äuſſeres 15
ſind gewiſſe Kalzinier-Effekte gar nicht zu machen; Glas wil ein
anderes Feuer als etwa ein Braten. „So muſt du aber täglich die
Inzitamente ſteigern?“ Freilich, aber es koſtet blos verflucht Geld,
nicht einmal Geſundheit, denn almählige Zunahme der Reizmittel
ſchadet ſo wenig als ein heiſſes Land dem Einwohner. „Du biſt ab- 20
hängig, Guter! Muſt durchaus immer mehr nach Süden.“ Im Winter
bin ich auch vom Ofen abhängig und im Leben von allem Satan.
Übrigens darf ich, da ich doch das Beſte und Möglichſte in meinem
Daſein ſchon gethan, nämlich 25 Bände ſchon gemacht habe, nun mit
dem Reſte des Lebens und Schreibens nicht mehr ſo ſcheu umſpringen 25
als mit dem Anfang.
Nur Eine Schwelgerei hab’ ich, die daß ich immer in der hohen
Fluth aller Kräfte ſchwimmen wil; und mit Büchern und Menſchen
füll’ ich ſehnſüchtig die Ebbe aus.
Was Trunkenheit iſt — die nämlich den Geiſt lähmt, anſtat be- 30
flügelt — denn etwas anderes und beſſeres iſt, wenn ein Man abends
blos im Zikzak heimgehen mus — kenn’ ich nicht.
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Von Ihrem Thierotſchen Briefe fand ich endlich ſpät in meiner
C. Briefkäſtgen dieſes Blat. Bin ich Ihnen mehr ſchuldig: ſo mus ich
Ihnen zur Entſchädigung einen an mich dafür anbieten. Ich bitte Sie 35
um ſeine Adreſſe, damit ich doch auch an ihn ſchreibe. Unendlich wenig
briefſtellere ich jezt. — Ihr lezter Brief gefiel mir ſehr; es iſt aber
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(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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