Lieber! Wenn ich bedenke, wie viel ich immer an Otto schreibe, damit Sie es mitlesen; und dan zurükrechne, was mir etwan dafür wird von Bayreuth aus: so brauch' ich freilich Nachsicht mit meinen5 Nebenchristen und Nebenjuden. -- Solte das Bier schon unter Wegs sein -- was Gott gebe -- so bitt ich Sie herzlich, sogleich neues nach- zusenden; weil der Transport vom Fas in mich viel schneller geht als von Bayreuth zu mir. -- Können nicht Sie oder Ihre H. Brüder die Solmische Dose*) brauchen? Ich schlage sie los und sende sie porto-10 frei. -- Roentgen's Brief an Sie möcht' ich haben. -- Die Welzel- schen hab' ich 9mal gelesen; ich stelle sie den Fixleinischen gleich. Froher kan der Mensch nicht sein als in Wonsiedel, wenn auch klüger. -- Wenn erscheinen Sie endlich und schauen und theilen unser Leben und Rindfleisch? Es ist so gefärbt und gestrikt: um 61/2 Uhr15 fahren wir aus den Betten, oft meine Frau voran, um Sahne abzu- schöpfen -- Der Kaffee steht schon in meiner Stube. Ich hebe das lange Trinken an, C. das kurze und sizt neben mir. Doch vorher, bei dem Eintrit in mein Museum wird ein gescheutes Wort mit Spiz ge- sprochen, der eben so antwortet. Ich habe den Hund erst vorgestern20 gekauft. Dan puzt sie sich in ihrer Stube; ich schreibe; sie bringt Essachen (alles geht auf meinem schwarzen Kanapee vor) und ich schreibe fort. So verläuft fast ein Winter-Vormittag. Um 1 Uhr ruft sie mich und den Hund in ihr Zimmer zum diner. Dan wird R[eichs]Anzeiger u. etc. gelesen. Meist komt der Präsident Heim mit25 Mineralien, um zu reden und zu verdauen. Um 5 Uhr ist Goutee-Zeit. Aber hier fangen die grösten Verschiedenheiten an. Es kan der Kandidat Loewel oder (sonst) die Gräfin oder die schöne Tochter Heims zu[152] meiner C. kommen, jener ihr vorlesen -- diese Thee trinken und ich gehe zuweilen in ihr Zimmer hinüber, um auch einen Tropfen mit30 Rak zu holen. Es kan der Herzog schicken und um 5. mich verlangen, worauf ich allemal um 7. erscheine. Es kan Konzert sein, das von 5--7. dauert. Meine C. kan zur Hofräthin Heim gehen um 6 und ich um 71/2 nach. Oder das alles ist nicht und wir essen ordentlich um 9 Uhr zu
*) Innen Gold, aussen kostbar emailliert, ein prächtiges Gemälde darauf --35 im Ganzen ist sie unschäzbar.
242. An Emanuel.
Meiningen d. 12. Febr. 1802.
Lieber! Wenn ich bedenke, wie viel ich immer an Otto ſchreibe, damit Sie es mitleſen; und dan zurükrechne, was mir etwan dafür wird von Bayreuth aus: ſo brauch’ ich freilich Nachſicht mit meinen5 Nebenchriſten und Nebenjuden. — Solte das Bier ſchon unter Wegs ſein — was Gott gebe — ſo bitt ich Sie herzlich, ſogleich neues nach- zuſenden; weil der Transport vom Fas in mich viel ſchneller geht als von Bayreuth zu mir. — Können nicht Sie oder Ihre H. Brüder die Solmiſche Doſe*) brauchen? Ich ſchlage ſie los und ſende ſie porto-10 frei. — Roentgen’s Brief an Sie möcht’ ich haben. — Die Welzel- schen hab’ ich 9mal geleſen; ich ſtelle ſie den Fixleinischen gleich. Froher kan der Menſch nicht ſein als in Wonsiedel, wenn auch klüger. — Wenn erſcheinen Sie endlich und ſchauen und theilen unſer Leben und Rindfleiſch? Es iſt ſo gefärbt und geſtrikt: um 6½ Uhr15 fahren wir aus den Betten, oft meine Frau voran, um Sahne abzu- ſchöpfen — Der Kaffee ſteht ſchon in meiner Stube. Ich hebe das lange Trinken an, C. das kurze und ſizt neben mir. Doch vorher, bei dem Eintrit in mein Muſeum wird ein geſcheutes Wort mit Spiz ge- ſprochen, der eben ſo antwortet. Ich habe den Hund erſt vorgeſtern20 gekauft. Dan puzt ſie ſich in ihrer Stube; ich ſchreibe; ſie bringt Esſachen (alles geht auf meinem ſchwarzen Kanapee vor) und ich ſchreibe fort. So verläuft faſt ein Winter-Vormittag. Um 1 Uhr ruft ſie mich und den Hund in ihr Zimmer zum diner. Dan wird R[eichs]Anzeiger u. ꝛc. geleſen. Meiſt komt der Präſident Heim mit25 Mineralien, um zu reden und zu verdauen. Um 5 Uhr iſt Goutée-Zeit. Aber hier fangen die gröſten Verſchiedenheiten an. Es kan der Kandidat Loewel oder (ſonſt) die Gräfin oder die ſchöne Tochter Heims zu[152] meiner C. kommen, jener ihr vorleſen — dieſe Thée trinken und ich gehe zuweilen in ihr Zimmer hinüber, um auch einen Tropfen mit30 Rak zu holen. Es kan der Herzog ſchicken und um 5. mich verlangen, worauf ich allemal um 7. erſcheine. Es kan Konzert ſein, das von 5—7. dauert. Meine C. kan zur Hofräthin Heim gehen um 6 und ich um 7½ nach. Oder das alles iſt nicht und wir eſſen ordentlich um 9 Uhr zu
*) Innen Gold, auſſen koſtbar emailliert, ein prächtiges Gemälde darauf —35 im Ganzen iſt ſie unſchäzbar.
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damit Sie es mitleſen; und dan zurükrechne, was mir etwan dafür
wird von Bayreuth aus: ſo brauch’ ich freilich Nachſicht mit meinen 5
Nebenchriſten und Nebenjuden. — Solte das Bier ſchon unter Wegs
ſein — was Gott gebe — ſo bitt ich Sie herzlich, ſogleich neues nach-
zuſenden; weil der Transport vom Fas in mich viel ſchneller geht als
von Bayreuth zu mir. — Können nicht Sie oder Ihre H. Brüder die
Solmiſche Doſe *) brauchen? Ich ſchlage ſie los und ſende ſie porto- 10
frei. — Roentgen’s Brief an Sie möcht’ ich haben. — Die Welzel-
schen hab’ ich 9mal geleſen; ich ſtelle ſie den Fixleinischen gleich.
Froher kan der Menſch nicht ſein als in Wonsiedel, wenn auch
klüger. — Wenn erſcheinen Sie endlich und ſchauen und theilen
unſer Leben und Rindfleiſch? Es iſt ſo gefärbt und geſtrikt: um 6½ Uhr 15
fahren wir aus den Betten, oft meine Frau voran, um Sahne abzu-
ſchöpfen — Der Kaffee ſteht ſchon in meiner Stube. Ich hebe das
lange Trinken an, C. das kurze und ſizt neben mir. Doch vorher, bei
dem Eintrit in mein Muſeum wird ein geſcheutes Wort mit Spiz ge-
ſprochen, der eben ſo antwortet. Ich habe den Hund erſt vorgeſtern 20
gekauft. Dan puzt ſie ſich in ihrer Stube; ich ſchreibe; ſie bringt
Esſachen (alles geht auf meinem ſchwarzen Kanapee vor) und ich
ſchreibe fort. So verläuft faſt ein Winter-Vormittag. Um 1 Uhr
ruft ſie mich und den Hund in ihr Zimmer zum diner. Dan wird
R[eichs]Anzeiger u. ꝛc. geleſen. Meiſt komt der Präſident Heim mit 25
Mineralien, um zu reden und zu verdauen. Um 5 Uhr iſt Goutée-Zeit.
Aber hier fangen die gröſten Verſchiedenheiten an. Es kan der Kandidat
Loewel oder (ſonſt) die Gräfin oder die ſchöne Tochter Heims zu
meiner C. kommen, jener ihr vorleſen — dieſe Thée trinken und ich
gehe zuweilen in ihr Zimmer hinüber, um auch einen Tropfen mit 30
Rak zu holen. Es kan der Herzog ſchicken und um 5. mich verlangen,
worauf ich allemal um 7. erſcheine. Es kan Konzert ſein, das von 5—7.
dauert. Meine C. kan zur Hofräthin Heim gehen um 6 und ich um
7½ nach. Oder das alles iſt nicht und wir eſſen ordentlich um 9 Uhr zu
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*) Innen Gold, auſſen koſtbar emailliert, ein prächtiges Gemälde darauf — 35
im Ganzen iſt ſie unſchäzbar.
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/142>, abgerufen am 16.07.2024.
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