Getümmels über mich zusammenschlagen. Läsen Sie Carolinens Briefe, die noch fortdauern: so würden Sie mir noch mehr Unrecht geben, das ich doch nach dem Ausspruch Ottos und meines Gewissens nicht habe. Einen gewissen mich so leicht bezaubernden weiblichen Heroismus mus ich fliehen; und thu' es nun fest nach solchen Erfah-5 rungen. Was ich suche -- wie wohl ich jezt gar keine Ehe mehr suche -- ist eine sanftere Weiblichkeit, die ich schon öfters gefunden, eine Liebe, die nicht Leidenschaft gegen einen sondern Wohlwollen gegen alle ist.
Nicht blos recht sondern auch die schönste Widerlegung des platten Publikums ist Ihre Stiftung des Bundes zwischen C[ecilia] und10 M[acdonald]. -- C. wird sich in ein Verhältnis mit Ihnen, der ge- liebtesten Freundin, leichter finden, das früher war als ihres.
d. 20 Okt.
Sie mus Ihnen für die Gabe zweier Herzen immer danken. M. wird diese C. im nähern Bunde noch lieber gewinnen. Seine Gesund-15 heit kehret zurük, wenn sein Zölibat und der Widerstreit seiner Ver- hältnisse aufhören. Da beide einander verdienen: so haben Sie das Verdienst, beide belohnet zu haben durch den Verein. Blos über sich selber und über die Foderungen, die Sie dan an ihn machen, müssen Sie sich selber fest und hel entscheiden. -- M. würde bei volendeter20 Gleichgültigkeit gegen C. und zu grosser Leidenschaftlichkeit gegen Sie [9]gewis nicht in diese 3fache Verschlingung gewilligt haben. -- Demuth wird M. nie lernen -- am wenigsten gegen Stolze -- aber Liebe; oder vielmehr grössere; denn aus Kälte knüpfet man keine ferne Freundin so nahe an sein Leben. --25
Warum wollen Sie wenigstens keine für andere verschleierte Brief- Mittheilung "Ihrer Ängstlichkeit" wegen? --
Bestimmen Sie genau wie Sie Ihre Wohnung haben wollen. -- Meine Adresse ist: in der neuen Friedrichsstrasse N. 22 bei H. v. Ahle- feldt.30
Ich glaube wie Sie, daß der Kopf des Genies leicht Teufelshörner und seine Schreibfinger leicht Krallen treiben. Aber bei grossen Kräften ist alles grösser, nicht nur die Sünde, auch die Versuchung und der Sieg. Die moralische Tiefe sezt die moralische Höhe voraus. Am Ende ist ein solches Wesen doch nur ein Gewitter, das fruchtbar über35 Gegenden zieht, indes es einzelne Bäume tödtet und einzelne Beete niederschlägt. Nur in der Nähe taugt dieses Volk nicht. -- Ich bin
Getümmels über mich zuſammenſchlagen. Läſen Sie Carolinens Briefe, die noch fortdauern: ſo würden Sie mir noch mehr Unrecht geben, das ich doch nach dem Ausſpruch Ottos und meines Gewiſſens nicht habe. Einen gewiſſen mich ſo leicht bezaubernden weiblichen Heroiſmus mus ich fliehen; und thu’ es nun feſt nach ſolchen Erfah-5 rungen. Was ich ſuche — wie wohl ich jezt gar keine Ehe mehr ſuche — iſt eine ſanftere Weiblichkeit, die ich ſchon öfters gefunden, eine Liebe, die nicht Leidenſchaft gegen einen ſondern Wohlwollen gegen alle iſt.
Nicht blos recht ſondern auch die ſchönſte Widerlegung des platten Publikums iſt Ihre Stiftung des Bundes zwiſchen C[ecilia] und10 M[acdonald]. — C. wird ſich in ein Verhältnis mit Ihnen, der ge- liebteſten Freundin, leichter finden, das früher war als ihres.
d. 20 Okt.
Sie mus Ihnen für die Gabe zweier Herzen immer danken. M. wird dieſe C. im nähern Bunde noch lieber gewinnen. Seine Geſund-15 heit kehret zurük, wenn ſein Zölibat und der Widerſtreit ſeiner Ver- hältniſſe aufhören. Da beide einander verdienen: ſo haben Sie das Verdienſt, beide belohnet zu haben durch den Verein. Blos über ſich ſelber und über die Foderungen, die Sie dan an ihn machen, müſſen Sie ſich ſelber feſt und hel entſcheiden. — M. würde bei volendeter20 Gleichgültigkeit gegen C. und zu groſſer Leidenſchaftlichkeit gegen Sie [9]gewis nicht in dieſe 3fache Verſchlingung gewilligt haben. — Demuth wird M. nie lernen — am wenigſten gegen Stolze — aber Liebe; oder vielmehr gröſſere; denn aus Kälte knüpfet man keine ferne Freundin ſo nahe an ſein Leben. —25
Warum wollen Sie wenigſtens keine für andere verſchleierte Brief- Mittheilung „Ihrer Ängſtlichkeit“ wegen? —
Beſtimmen Sie genau wie Sie Ihre Wohnung haben wollen. — Meine Adreſſe iſt: in der neuen Friedrichsſtraſſe N. 22 bei H. v. Ahle- feldt.30
Ich glaube wie Sie, daß der Kopf des Genies leicht Teufelshörner und ſeine Schreibfinger leicht Krallen treiben. Aber bei groſſen Kräften iſt alles gröſſer, nicht nur die Sünde, auch die Verſuchung und der Sieg. Die moraliſche Tiefe ſezt die moraliſche Höhe voraus. Am Ende iſt ein ſolches Weſen doch nur ein Gewitter, das fruchtbar über35 Gegenden zieht, indes es einzelne Bäume tödtet und einzelne Beete niederſchlägt. Nur in der Nähe taugt dieſes Volk nicht. — Ich bin
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Getümmels über mich zuſammenſchlagen. Läſen Sie Carolinens
Briefe, die noch fortdauern: ſo würden Sie mir noch mehr Unrecht
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nicht habe. Einen gewiſſen mich ſo leicht bezaubernden weiblichen
Heroiſmus mus ich fliehen; und thu’ es nun feſt nach ſolchen Erfah- 5
rungen. Was ich ſuche — wie wohl ich jezt gar keine Ehe mehr ſuche —
iſt eine ſanftere Weiblichkeit, die ich ſchon öfters gefunden, eine Liebe,
die nicht Leidenſchaft gegen einen ſondern Wohlwollen gegen alle iſt.
Nicht blos recht ſondern auch die ſchönſte Widerlegung des platten
Publikums iſt Ihre Stiftung des Bundes zwiſchen C[ecilia] und 10
M[acdonald]. — C. wird ſich in ein Verhältnis mit Ihnen, der ge-
liebteſten Freundin, leichter finden, das früher war als ihres.
d. 20 Okt.
Sie mus Ihnen für die Gabe zweier Herzen immer danken. M.
wird dieſe C. im nähern Bunde noch lieber gewinnen. Seine Geſund- 15
heit kehret zurük, wenn ſein Zölibat und der Widerſtreit ſeiner Ver-
hältniſſe aufhören. Da beide einander verdienen: ſo haben Sie das
Verdienſt, beide belohnet zu haben durch den Verein. Blos über ſich
ſelber und über die Foderungen, die Sie dan an ihn machen, müſſen
Sie ſich ſelber feſt und hel entſcheiden. — M. würde bei volendeter 20
Gleichgültigkeit gegen C. und zu groſſer Leidenſchaftlichkeit gegen Sie
gewis nicht in dieſe 3fache Verſchlingung gewilligt haben. — Demuth
wird M. nie lernen — am wenigſten gegen Stolze — aber Liebe; oder
vielmehr gröſſere; denn aus Kälte knüpfet man keine ferne Freundin
ſo nahe an ſein Leben. — 25
[9]Warum wollen Sie wenigſtens keine für andere verſchleierte Brief-
Mittheilung „Ihrer Ängſtlichkeit“ wegen? —
Beſtimmen Sie genau wie Sie Ihre Wohnung haben wollen. —
Meine Adreſſe iſt: in der neuen Friedrichsſtraſſe N. 22 bei H. v. Ahle-
feldt. 30
Ich glaube wie Sie, daß der Kopf des Genies leicht Teufelshörner
und ſeine Schreibfinger leicht Krallen treiben. Aber bei groſſen Kräften
iſt alles gröſſer, nicht nur die Sünde, auch die Verſuchung und der
Sieg. Die moraliſche Tiefe ſezt die moraliſche Höhe voraus. Am
Ende iſt ein ſolches Weſen doch nur ein Gewitter, das fruchtbar über 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/11>, abgerufen am 16.07.2024.
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