fürchterlich algegenwärtig ist --, weil ich verliebte Fülle suchte. Jezt brauch' ich nichts als die Trink-Leere. --
Unbeschreiblich sehnt sich meine Caroline, die noch mehr Einsam- keit liebt, nach Ihnen und Otto. Im September mus ich sie Ihnen bringen. Es ist ein Wesen ohne Gleichen; das sag' ich in der Ehe5 noch gewisser als früher. Wieland hält mich daher für ein Glüks- kind. --
Warum antwortet mir Otto auf meinen Brief vol Briefe nicht, wovon er mir den Herderschen zurükschicken sol? Ich freue mich auf seine Ehe. Geben Sie beiden den Bruderkus. Leben Sie wohl, mein10 alter Geliebter, gegen den ich ein Säkulum schweigen könte, ohn ihn darum weniger hel in mir gemalt zu haben. --
R. herzogl sächs. hildburghäusischer Legazionsrath.
177. An Gottlieb Richter in Sparneck.15
Meiningen d. 15. Aug. 1801.
Lieber Bruder! Allerdings empfieng ich deine Briefe; aber bevor ich deinen heutigen erhielt, war ich fest entschlossen, dir nichts wieder- zugeben, da du dich immer nach deinem Belieben zum Kassierer meiner -- nicht deiner -- Wohlthätigkeit machst. Doch solst du20 viginti florenos von Emanuel bekommen. Hingegen für den lüder- lichen Tölpel Adam geb' ich dir nichts zurük; da ich nicht begreife, aus welchem Grunde du es zu den Foderungen deiner Ehre rechnen kanst, die seiner Wirthe oder nur ihre Expressen zu zahlen. So kan dich ja der Esel arm fressen. -- Übrigens nim hier meinen Schwur,25 daß ich dir von nun an keinen Heller wiedergebe, den du auf meine Rechnung verschenkt. -- Samuel bekomt wöchentlich noch 1 fl. von [112]mir, aber bei der kleinsten Unart und Lüge zieh ich die Pension ein. -- Wahrscheinlich komm ich im Herbste mit meiner Frau nach Bayreuth, wie werd' ichs anfangen, bei einem kurzen Aufenthalte dich zu sehen? --30 Ich lebe seelig mit meiner herlichen, schönen und edeln Frau; in ganz Berlin hätt' ich sie nicht zum 2ten mal gefunden. -- Ich stehe hier mit dem Herzoge sehr gut und mus immer bei ihm sein wie er bei mir; wär' einmal etwas für dich zu thun, ich riefe dich aus deinem Lande, wo jedes Zelt aus Hungertuch gespant ist. -- Es ist schön, daß du nun35
fürchterlich algegenwärtig iſt —, weil ich verliebte Fülle ſuchte. Jezt brauch’ ich nichts als die Trink-Leere. —
Unbeſchreiblich ſehnt ſich meine Caroline, die noch mehr Einſam- keit liebt, nach Ihnen und Otto. Im September mus ich ſie Ihnen bringen. Es iſt ein Weſen ohne Gleichen; das ſag’ ich in der Ehe5 noch gewiſſer als früher. Wieland hält mich daher für ein Glüks- kind. —
Warum antwortet mir Otto auf meinen Brief vol Briefe nicht, wovon er mir den Herderschen zurükſchicken ſol? Ich freue mich auf ſeine Ehe. Geben Sie beiden den Bruderkus. Leben Sie wohl, mein10 alter Geliebter, gegen den ich ein Säkulum ſchweigen könte, ohn ihn darum weniger hel in mir gemalt zu haben. —
R. herzogl ſächſ. hildburghäuſiſcher Legazionsrath.
177. An Gottlieb Richter in Sparneck.15
Meiningen d. 15. Aug. 1801.
Lieber Bruder! Allerdings empfieng ich deine Briefe; aber bevor ich deinen heutigen erhielt, war ich feſt entſchloſſen, dir nichts wieder- zugeben, da du dich immer nach deinem Belieben zum Kaſſierer meiner — nicht deiner — Wohlthätigkeit machſt. Doch ſolſt du20 viginti florenos von Emanuel bekommen. Hingegen für den lüder- lichen Tölpel Adam geb’ ich dir nichts zurük; da ich nicht begreife, aus welchem Grunde du es zu den Foderungen deiner Ehre rechnen kanſt, die ſeiner Wirthe oder nur ihre Expreſſen zu zahlen. So kan dich ja der Eſel arm freſſen. — Übrigens nim hier meinen Schwur,25 daß ich dir von nun an keinen Heller wiedergebe, den du auf meine Rechnung verſchenkt. — Samuel bekomt wöchentlich noch 1 fl. von [112]mir, aber bei der kleinſten Unart und Lüge zieh ich die Penſion ein. — Wahrſcheinlich komm ich im Herbſte mit meiner Frau nach Bayreuth, wie werd’ ichs anfangen, bei einem kurzen Aufenthalte dich zu ſehen? —30 Ich lebe ſeelig mit meiner herlichen, ſchönen und edeln Frau; in ganz Berlin hätt’ ich ſie nicht zum 2ten mal gefunden. — Ich ſtehe hier mit dem Herzoge ſehr gut und mus immer bei ihm ſein wie er bei mir; wär’ einmal etwas für dich zu thun, ich riefe dich aus deinem Lande, wo jedes Zelt aus Hungertuch geſpant iſt. — Es iſt ſchön, daß du nun35
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fürchterlich algegenwärtig iſt —, weil ich verliebte Fülle ſuchte.
Jezt brauch’ ich nichts als die Trink-Leere. —
Unbeſchreiblich ſehnt ſich meine Caroline, die noch mehr Einſam-
keit liebt, nach Ihnen und Otto. Im September mus ich ſie Ihnen
bringen. Es iſt ein Weſen ohne Gleichen; das ſag’ ich in der Ehe 5
noch gewiſſer als früher. Wieland hält mich daher für ein Glüks-
kind. —
Warum antwortet mir Otto auf meinen Brief vol Briefe nicht,
wovon er mir den Herderschen zurükſchicken ſol? Ich freue mich auf
ſeine Ehe. Geben Sie beiden den Bruderkus. Leben Sie wohl, mein 10
alter Geliebter, gegen den ich ein Säkulum ſchweigen könte, ohn ihn
darum weniger hel in mir gemalt zu haben. —
R.
herzogl ſächſ. hildburghäuſiſcher Legazionsrath.
177. An Gottlieb Richter in Sparneck. 15
Meiningen d. 15. Aug. 1801.
Lieber Bruder! Allerdings empfieng ich deine Briefe; aber bevor
ich deinen heutigen erhielt, war ich feſt entſchloſſen, dir nichts wieder-
zugeben, da du dich immer nach deinem Belieben zum Kaſſierer
meiner — nicht deiner — Wohlthätigkeit machſt. Doch ſolſt du 20
viginti florenos von Emanuel bekommen. Hingegen für den lüder-
lichen Tölpel Adam geb’ ich dir nichts zurük; da ich nicht begreife,
aus welchem Grunde du es zu den Foderungen deiner Ehre rechnen
kanſt, die ſeiner Wirthe oder nur ihre Expreſſen zu zahlen. So kan
dich ja der Eſel arm freſſen. — Übrigens nim hier meinen Schwur, 25
daß ich dir von nun an keinen Heller wiedergebe, den du auf meine
Rechnung verſchenkt. — Samuel bekomt wöchentlich noch 1 fl. von
mir, aber bei der kleinſten Unart und Lüge zieh ich die Penſion ein. —
Wahrſcheinlich komm ich im Herbſte mit meiner Frau nach Bayreuth,
wie werd’ ichs anfangen, bei einem kurzen Aufenthalte dich zu ſehen? — 30
Ich lebe ſeelig mit meiner herlichen, ſchönen und edeln Frau; in ganz
Berlin hätt’ ich ſie nicht zum 2ten mal gefunden. — Ich ſtehe hier mit
dem Herzoge ſehr gut und mus immer bei ihm ſein wie er bei mir; wär’
einmal etwas für dich zu thun, ich riefe dich aus deinem Lande, wo
jedes Zelt aus Hungertuch geſpant iſt. — Es iſt ſchön, daß du nun 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/104>, abgerufen am 16.02.2025.
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