Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.schied und ihre Hände auf mein Herz legte und nicht fortkonte: so Liebe Amöne! wo bin ich? Ich dachte, die Historie wäre kürzer. Ach ich möchte die Wünsche selber bringen! O ich solt' es einmal R. 119. An Christian Otto.20 L[eipzig] d. 15 Aug. 98.Mein ältester Seelenbruder! Hier sind die Palingenesien, bei denen Schlegel hat mich in seinem Athenäum angegriffen wie ers Klop- 6*
ſchied und ihre Hände auf mein Herz legte und nicht fortkonte: ſo Liebe Amöne! wo bin ich? Ich dachte, die Hiſtorie wäre kürzer. Ach ich möchte die Wünſche ſelber bringen! O ich ſolt’ es einmal R. 119. An Chriſtian Otto.20 L[eipzig] d. 15 Aug. 98.Mein älteſter Seelenbruder! Hier ſind die Palingenesien, bei denen Schlegel hat mich in ſeinem Athenäum angegriffen wie ers Klop- 6*
<TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0092" n="83"/> ſchied und ihre Hände auf mein Herz legte und nicht fortkonte: ſo<lb/> gieng ich endlich und die Gräfin begleitete mich und ſah mir mit dem<lb/> wärmſten Auge ins Geſicht und ich wagte — wider meine Gewohnheit<lb/> nichts — aber bei dem lezten Worte fiel mir die liebe Seele umarmend<lb/> ans Herz. — Reiſe glüklich, du liebe Seele und ein Genius reiche dir<lb n="5"/> dein Kind und er laſſe der Natur keine Schmerzen zu! —</p><lb/> <p>Liebe Amöne! wo bin ich? Ich dachte, die Hiſtorie wäre kürzer.<lb/> Hier ſind meine <hi rendition="#aq">Palingenesien</hi> oder Auferweckungen. Wie paſſet<lb/> dieſer Titel zu dem 22 Auguſt, den Sie einen Tag nach dem Empfang<lb/> dieſes feiern werden. Am lezten Tag Ihres Jahrs wird dies Blat in<lb n="10"/> Ihre Hände fallen.</p><lb/> <p>Ach ich möchte die Wünſche ſelber bringen! O ich ſolt’ es einmal<lb/> berechnen und an einem Geburtstage kommen und mein gefültes Herz<lb/> ſogleich in die neugeborne Seele ausſchütten. Ich ſage nichts; aber wo<lb/> ich am 22 Auguſt auch ſtehe, ich werde irgend eine ſtille Minute vor der<lb n="15"/> untergehenden Sonne ſuchen und vor ihr denken: o beleuchte ſanft<lb/> Ihren erſten Tag und alle Ihre Tage und deine Stralen ſollen Ihr<lb/> Auge troknen und Ihr Leben wärmen! Lebe wohl, Amöne, das iſt<lb/> mein Wunſch an jedem Tage.</p> <closer> <salute> <hi rendition="#sameLine"> <hi rendition="#right">R.</hi> </hi> </salute> </closer> </div> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>119. An <hi rendition="#g">Chriſtian Otto.</hi><lb n="20"/> </head> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">L[eipzig] d. 15 Aug.</hi> 98.</hi> </dateline><lb/> <p>Mein älteſter Seelenbruder! Hier ſind die <hi rendition="#aq">Palingenesien,</hi> bei denen<lb/> ich mich jezt wundere, daß ſie in einem ſo wilden, harten, zerſtreueten,<lb/> auflöſenden Winter wie der vorige war die fallopiſchen Trompeten<lb/> finden konten. Schreibe mir dein längſtes Urtheil, zum beſten einer<note place="right"><ref target="1922_Bd3_91">[91]</ref></note><lb n="25"/> 2<hi rendition="#sup">ten</hi> Auflage.</p><lb/> <p>Schlegel hat mich in ſeinem Athenäum angegriffen wie ers Klop-<lb/> ſtok, Fr. Jakobi, Leſſing, Garve ꝛc. ꝛc. ꝛc. gemacht. Ich habe dafür dem<lb/> Seehund in einer Beſchreibung von Dorfbibliotheken in der halber-<lb/> ſtädt. Quartalſchrift in einer leichtbewafneten Note ein oder 2mal auf<lb n="30"/> die Schnauze geſchlagen. Ich nehme ſie, die Note, Herdern mit; dan<lb/> kriegſt du ſie. Ich habe freilich durch ſeine kraftvolle Frau, mit der ich<lb/> in Dresden ein ganzes Souper verſtrit, mit meinen Brandkugeln<lb/> ſeine losgebrant. Fr. Jakobi wird dieſem Bel zu Babel in einem Buche<lb/> über die Toleranz auch ein Kügelgen in einer Note reichen. Das Humo-<lb n="35"/> riſtiſche achtet er blos an mir und heiſſet mich einen groſſen Dichter;<lb/> <fw place="bottom" type="sig">6*</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [83/0092]
ſchied und ihre Hände auf mein Herz legte und nicht fortkonte: ſo
gieng ich endlich und die Gräfin begleitete mich und ſah mir mit dem
wärmſten Auge ins Geſicht und ich wagte — wider meine Gewohnheit
nichts — aber bei dem lezten Worte fiel mir die liebe Seele umarmend
ans Herz. — Reiſe glüklich, du liebe Seele und ein Genius reiche dir 5
dein Kind und er laſſe der Natur keine Schmerzen zu! —
Liebe Amöne! wo bin ich? Ich dachte, die Hiſtorie wäre kürzer.
Hier ſind meine Palingenesien oder Auferweckungen. Wie paſſet
dieſer Titel zu dem 22 Auguſt, den Sie einen Tag nach dem Empfang
dieſes feiern werden. Am lezten Tag Ihres Jahrs wird dies Blat in 10
Ihre Hände fallen.
Ach ich möchte die Wünſche ſelber bringen! O ich ſolt’ es einmal
berechnen und an einem Geburtstage kommen und mein gefültes Herz
ſogleich in die neugeborne Seele ausſchütten. Ich ſage nichts; aber wo
ich am 22 Auguſt auch ſtehe, ich werde irgend eine ſtille Minute vor der 15
untergehenden Sonne ſuchen und vor ihr denken: o beleuchte ſanft
Ihren erſten Tag und alle Ihre Tage und deine Stralen ſollen Ihr
Auge troknen und Ihr Leben wärmen! Lebe wohl, Amöne, das iſt
mein Wunſch an jedem Tage.
R.
119. An Chriſtian Otto. 20
L[eipzig] d. 15 Aug. 98.
Mein älteſter Seelenbruder! Hier ſind die Palingenesien, bei denen
ich mich jezt wundere, daß ſie in einem ſo wilden, harten, zerſtreueten,
auflöſenden Winter wie der vorige war die fallopiſchen Trompeten
finden konten. Schreibe mir dein längſtes Urtheil, zum beſten einer 25
2ten Auflage.
[91]
Schlegel hat mich in ſeinem Athenäum angegriffen wie ers Klop-
ſtok, Fr. Jakobi, Leſſing, Garve ꝛc. ꝛc. ꝛc. gemacht. Ich habe dafür dem
Seehund in einer Beſchreibung von Dorfbibliotheken in der halber-
ſtädt. Quartalſchrift in einer leichtbewafneten Note ein oder 2mal auf 30
die Schnauze geſchlagen. Ich nehme ſie, die Note, Herdern mit; dan
kriegſt du ſie. Ich habe freilich durch ſeine kraftvolle Frau, mit der ich
in Dresden ein ganzes Souper verſtrit, mit meinen Brandkugeln
ſeine losgebrant. Fr. Jakobi wird dieſem Bel zu Babel in einem Buche
über die Toleranz auch ein Kügelgen in einer Note reichen. Das Humo- 35
riſtiſche achtet er blos an mir und heiſſet mich einen groſſen Dichter;
6*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |