Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.-- Lichte sieht, d. h. der mit der Götheschen Lorgnette Gute und Ich wohne bei Gleim. D. h. ich habe die schönste Stube mit einem5 Lieber Otto, 10 Tausend Dinge und Personalien gehen unbeschrieben Vermischte Nachrichten Halberstadt ist sehr schön, und auch die weiblichen Wesen darin; Leipzig d. 30 Jul. [Montag] Heute kam ich an. 1000 etc. Dinge sizen auf meiner Zunge; ich geh Gleim und die Halberstädter und Halberstadt und die Nachbarschaft — Lichte ſieht, d. h. der mit der Götheſchen Lorgnette Gute und Ich wohne bei Gleim. D. h. ich habe die ſchönſte Stube mit einem5 Lieber Otto, 10 Tauſend Dinge und Perſonalien gehen unbeſchrieben Vermiſchte Nachrichten Halberstadt iſt ſehr ſchön, und auch die weiblichen Weſen darin; Leipzig d. 30 Jul. [Montag] Heute kam ich an. 1000 ꝛc. Dinge ſizen auf meiner Zunge; ich geh Gleim und die Halberſtädter und Halberſtadt und die Nachbarſchaft <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0086" n="78"/> — Lichte ſieht, d. h. der mit der Götheſchen Lorgnette Gute und<lb/> Schlimme, theilnamlos obwohl unpartheiiſch, lobend aber nicht<lb/> liebend, tadelnd aber nicht haſſend, als Dramaturg über das Theater<lb/> laufen ſieht. —</p><lb/> <p>Ich wohne bei Gleim. D. h. ich habe die ſchönſte Stube mit einem<lb n="5"/> Luxus, der gröſſer iſt als mein Lexikon davon, zwiſchen lauter Bücher-<lb/> zimmern in Beſiz — und gegenwärtiges wird da gemacht. Seine<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd3_85">[85]</ref></note>Niece (von 18 oder 20 Jahren) gefält mir wegen ihres Frohſins,<lb/> Gefühls, wegen ihrer Ausbildung und weiblichen Leichtigkeit ſo ſehr<lb/> als der beſte Bücherſchrank hart an mir. —<lb n="10"/> </p> <p>Lieber Otto, 10 Tauſend Dinge und Perſonalien gehen unbeſchrieben<lb/> verloren: ich wolt’ du ſtändeſt dabei. —</p><lb/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Vermiſchte Nachrichten</hi> </hi> </p><lb/> <p><hi rendition="#aq">Halberstadt</hi> iſt ſehr ſchön, und auch die weiblichen Weſen darin;<lb/> der Brocken wendet ſein Rieſenhaupt hieher —<lb n="15"/> </p> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Leipzig</hi> d. 30 Jul. [Montag]</hi> </dateline><lb/> <p>Heute kam ich an. 1000 ꝛc. Dinge ſizen auf meiner Zunge; ich geh<lb/> aber chronologiſch und topographiſch und ſage ein Paar.</p><lb/> <p>Gleim und die Halberſtädter und Halberſtadt und die Nachbarſchaft<lb/> des Harzes gefallen mir zu ſehr. Gleim macht von 4 bis 6 Uhr<lb n="20"/> Morgens Verſe, deren Erſcheinung ihm gleichgilt (ſeine <hi rendition="#aq">opera omnia</hi><lb/> ſind ohne ſeinen Willen da). Er hat das Feuer und die Blindheit eines<lb/> Jünglings; ich lieb’ ihn unſäglich und wir weinten beide beim Trennen.<lb/> Den 27<hi rendition="#sup">ten</hi> Jul. ris ich mich ab; muſte in Aſchersleben beim Paſtor<lb/> Görte bleiben (dem Stiefvater der Niece); und abends wurde eine<lb n="25"/> meiner erſchriebenen Brüdergemeinde[n beſucht], die aus einem Kon-<lb/> ſiſtorialrath, Rektor (Sangerhauſen), Subrektor, Bürgermeiſter,<lb/> Syndikus, Doktor beſtand, die mich ſämtlich ſehr — anſahen und den<lb/> andern Tag für ein 2<hi rendition="#sup">tes</hi> Konzilium der Gegend aufheben wolten.<lb/> Dieſe Gewisheit, daß meine Dinte ſich durch alle Amtskleider ꝛc.<lb n="30"/> friſſet, erfreuet mich ſehr und oft; aber nicht blos einige Moralität,<lb/> ſondern auch viel Freiheit geht auf ſolchen Zier-Prangern zum Teufel.<lb/> Ach ich finde keinen Menſchen für mein Herz, zwar Menſchen, deren<lb/> Schüler, aber nicht deren Freund ich ſein kan! Und ich mus ſo den Be-<lb/> ſtrebungen, mich zu loben und zu lieben und zu errathen, mit zuſehen!<lb n="35"/> — Den 28<hi rendition="#sup">ten</hi> kam ich nach <hi rendition="#aq">Giebichenstein.</hi> Ich muſte den Sontag<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0086]
— Lichte ſieht, d. h. der mit der Götheſchen Lorgnette Gute und
Schlimme, theilnamlos obwohl unpartheiiſch, lobend aber nicht
liebend, tadelnd aber nicht haſſend, als Dramaturg über das Theater
laufen ſieht. —
Ich wohne bei Gleim. D. h. ich habe die ſchönſte Stube mit einem 5
Luxus, der gröſſer iſt als mein Lexikon davon, zwiſchen lauter Bücher-
zimmern in Beſiz — und gegenwärtiges wird da gemacht. Seine
Niece (von 18 oder 20 Jahren) gefält mir wegen ihres Frohſins,
Gefühls, wegen ihrer Ausbildung und weiblichen Leichtigkeit ſo ſehr
als der beſte Bücherſchrank hart an mir. — 10
[85]Lieber Otto, 10 Tauſend Dinge und Perſonalien gehen unbeſchrieben
verloren: ich wolt’ du ſtändeſt dabei. —
Vermiſchte Nachrichten
Halberstadt iſt ſehr ſchön, und auch die weiblichen Weſen darin;
der Brocken wendet ſein Rieſenhaupt hieher — 15
Leipzig d. 30 Jul. [Montag]
Heute kam ich an. 1000 ꝛc. Dinge ſizen auf meiner Zunge; ich geh
aber chronologiſch und topographiſch und ſage ein Paar.
Gleim und die Halberſtädter und Halberſtadt und die Nachbarſchaft
des Harzes gefallen mir zu ſehr. Gleim macht von 4 bis 6 Uhr 20
Morgens Verſe, deren Erſcheinung ihm gleichgilt (ſeine opera omnia
ſind ohne ſeinen Willen da). Er hat das Feuer und die Blindheit eines
Jünglings; ich lieb’ ihn unſäglich und wir weinten beide beim Trennen.
Den 27ten Jul. ris ich mich ab; muſte in Aſchersleben beim Paſtor
Görte bleiben (dem Stiefvater der Niece); und abends wurde eine 25
meiner erſchriebenen Brüdergemeinde[n beſucht], die aus einem Kon-
ſiſtorialrath, Rektor (Sangerhauſen), Subrektor, Bürgermeiſter,
Syndikus, Doktor beſtand, die mich ſämtlich ſehr — anſahen und den
andern Tag für ein 2tes Konzilium der Gegend aufheben wolten.
Dieſe Gewisheit, daß meine Dinte ſich durch alle Amtskleider ꝛc. 30
friſſet, erfreuet mich ſehr und oft; aber nicht blos einige Moralität,
ſondern auch viel Freiheit geht auf ſolchen Zier-Prangern zum Teufel.
Ach ich finde keinen Menſchen für mein Herz, zwar Menſchen, deren
Schüler, aber nicht deren Freund ich ſein kan! Und ich mus ſo den Be-
ſtrebungen, mich zu loben und zu lieben und zu errathen, mit zuſehen! 35
— Den 28ten kam ich nach Giebichenstein. Ich muſte den Sontag
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(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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