Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.71. An Christian Otto.[55] L[eipzig] d. 13 März 98 [Dienstag].Mein guter Otto! Mit unnenbarer Rührung und Freude hab' ich Noch vor Ostern Gegen Anfang Aprils, mein Theuerster, hab Das was du über die -- sagst, ist aus den tiefsten Mysterien dieser Gegenwärtige Briefe sende mit deinen Büchern zurük, die immer 4*
71. An Chriſtian Otto.[55] L[eipzig] d. 13 März 98 [Dienstag].Mein guter Otto! Mit unnenbarer Rührung und Freude hab’ ich Noch vor Oſtern 〈Gegen Anfang Aprils〉, mein Theuerſter, hab Das was du über die — ſagſt, iſt aus den tiefſten Myſterien dieſer Gegenwärtige Briefe ſende mit deinen Büchern zurük, die immer 4*
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71. An Chriſtian Otto.
plus quam Maxime Citissime
L[eipzig] d. 13 März 98 [Dienstag].
Mein guter Otto! Mit unnenbarer Rührung und Freude hab’ ich
geſtern deinen lezten Brief geleſen, erſtlich weil ich auf ihn ſo furchtſam 5
und mit ſolchen ſchneidenden Träumen entweder deiner Geſinnung oder
deiner Geſundheit harrete und zweitens weil eine ſo ſchöne, helle,
ergebene und liebende Seele darin ſpricht — aber auch eine zu er-
gebene: deine gänzliche inſulariſche Seelenlage paſſet nicht für deinen
Werth und dein Wiſſen; du muſt dich unter andere Menſchen und 10
Verhältniſſe werfen als die Höfer.
Noch vor Oſtern 〈Gegen Anfang Aprils〉, mein Theuerſter, hab
ich dich an meiner Bruſt wegen der Ferien meines Bruders, der nach
Sparnek wil — und wegen meiner Sehnſucht — und weil ich dan von
Hof nach Weimar wil, wo ich mit der Berlepſch die da ihre Tochter 15
beringet, noch vor der Meſſe hieher komme. Was braucht es im Para-
dies der Liebe für Wetter und Frühlinge? wiewohl ich dir metereo-
logiſch [!] geſtehen mus, daß es nach meinen Beobachtungen bis gegen
Aprils Ende und im ganzen Sommer trocken und heiter bleibt. Hier
dringt der Frühling ſchon grünend aus den Aeſten. Nicht ſo viel 20
Schnee fiel im ganzen Winter als ich eine Woche zum Trinken
brauchte. — Zu Ende Mais geh’ ich mit der Berlepſch nach Dresden,
Seifersdorf, Tarant, und auf der Elbe nach Wörliz. Sie wohnt im
Sommer in Golis und hält für mein dichteriſches Seildrehen und Seil-
tanzen eine untere Stube offen und parat. — 25
Das was du über die — ſagſt, iſt aus den tiefſten Myſterien dieſer
Lage geholt. Aber ſchon eh mein lezter Brief geſchrieben war, hatt’
ich entſchieden und ihr geſagt, daß ich keine Leidenſchaft für ſie
hätte und wir nicht zuſammengehörten. Ich hatte 2 aus der glühendſten
Hölle gehobene Tage und nun ſchlieſſet ſich ihr zerſchnittenes Herz ſanft 30
wieder zu und blutet weniger — ich bin frei, frei, frei und ſeelig, geb
ihr aber was ich kan. Meine Rechtfertigung ſeze voraus — in Hof
hörſt du ſie recht weitläuftig. Doch käm’ es ſogar nach meinen Con-
fessions vor ihr nur auf meinen Willen an, mit ihr ein bürgerliches
ewiges Band zu knüpfen. — 35
Gegenwärtige Briefe ſende mit deinen Büchern zurük, die immer
durch die vis inertiae der Diener gegen deine Wünſche und meine
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(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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