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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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Achtung etc. ansehen, daß er etc. ein Kistgen mit Wein nach Braun-
schweig
etc. abgehen lassen. Ich bin Mitarbeiter.

Auf eine eigne Art überraschten ich und Caroline uns gegenseitig
mit unsern kameralistischen Verhältnissen; du wirsts aus ihren Briefen
errathen.5

Ein weicher Gott -- nach den Flor-Tagen der ekelnden Krankheit --
stieg an meinem Geburtstag*) in mein Herz herab. Auguste schikte
mir die erste Schöpfung ihrer stickenden Kunst -- Caroline eine, selber
Herdern entzückende, Stickerei --; Luise und die Herder einen
Blumenstok und Blumen und Biscuit; und um 11 Uhr kamen sie alle10
selber, himlisch gekleidet. Ich weinte vor Freude und Liebe. Dan kam
D. Herder und D. Majer, und mein [!] götlicher Mensch der Maler
Büri. Himmel! mir fehlte nur meines Ottos sehr vermister Brief, der
1 Tag später ankam. Nachmittags schikte die Herzogin einen blühen-
den Rosenstok -- für den Bedienten 1 rtl. douceur -- und abends15
as ich bei Herder wo allerlei zusammen gebeten war. Ach nur die
10 Minuten, wo die Seele von der Nähe der Liebe aufgelöset, heis und
weich zerflos, da war die Geburt. O Gott, wenn man immerfort
lieben könte und dürfte und recht innig, was brauchte man denn noch
auf der Erde oder hinter der Erde? -- Gute Caroline, ich sagte dir die20
Zusammenkunft in Ilmenau aus guten Gründen ab: köntest du es
wissen, wie sich jezt auf einem andern Blatte meine Seele so unaus-
sprechlich nach deiner reinen frommen festen sehnt. -- Wie wil ich dir
sagen, Otto, wie ich sie achte! Nicht blos liebe; denn das ist immer so
leicht!25


Giebst du nicht dem Bonaparte ein Paar Lorbeerkränze auf seine
Krone? Ich trau' ihm ganz, er wird wie Herkules den Oelbaum[340]
pflanzen; ja er wird, aber ohne die Grausamkeit, abdanken wie Sylla.
Aber die Franzosen sind Lumpen. In Wien eine Karikatur; ein Kurier30
oder Paul hatte ein Paquet unter dem einen Arm: ordre; unter dem
andern eines: contre-ordre; auf der Stirn: desordre. -- Was sagst
du dazu, daß ich mit meinem Parisien auf die Fichtische Arena ge-
treten? Nur nichts vom Mangel an weichlicher Menschenliebe, die

*) Ich feierte ihn des Frühlings wegen am 20ten; den wahren weis ich nicht;35
in Leipzig feierte ich 2 hinter einander.

Achtung ꝛc. anſehen, daß er ꝛc. ein Kiſtgen mit Wein nach Braun-
schweig
ꝛc. abgehen laſſen. Ich bin Mitarbeiter.

Auf eine eigne Art überraſchten ich und Caroline uns gegenſeitig
mit unſern kameraliſtiſchen Verhältniſſen; du wirſts aus ihren Briefen
errathen.5

Ein weicher Gott — nach den Flor-Tagen der ekelnden Krankheit —
ſtieg an meinem Geburtstag*) in mein Herz herab. Auguste ſchikte
mir die erſte Schöpfung ihrer ſtickenden Kunſt — Caroline eine, ſelber
Herdern entzückende, Stickerei —; Luise und die Herder einen
Blumenſtok und Blumen und Biscuit; und um 11 Uhr kamen ſie alle10
ſelber, himliſch gekleidet. Ich weinte vor Freude und Liebe. Dan kam
D. Herder und D. Majer, und mein [!] götlicher Menſch der Maler
Büri. Himmel! mir fehlte nur meines Ottos ſehr vermiſter Brief, der
1 Tag ſpäter ankam. Nachmittags ſchikte die Herzogin einen blühen-
den Roſenſtok — für den Bedienten 1 rtl. douceur — und abends15
as ich bei Herder wo allerlei zuſammen gebeten war. Ach nur die
10 Minuten, wo die Seele von der Nähe der Liebe aufgelöſet, heis und
weich zerflos, da war die Geburt. O Gott, wenn man immerfort
lieben könte und dürfte und recht innig, was brauchte man denn noch
auf der Erde oder hinter der Erde? — Gute Caroline, ich ſagte dir die20
Zuſammenkunft in Ilmenau aus guten Gründen ab: könteſt du es
wiſſen, wie ſich jezt auf einem andern Blatte meine Seele ſo unaus-
ſprechlich nach deiner reinen frommen feſten ſehnt. — Wie wil ich dir
ſagen, Otto, wie ich ſie achte! Nicht blos liebe; denn das iſt immer ſo
leicht!25


Giebſt du nicht dem Bonaparte ein Paar Lorbeerkränze auf ſeine
Krone? Ich trau’ ihm ganz, er wird wie Herkules den Oelbaum[340]
pflanzen; ja er wird, aber ohne die Grauſamkeit, abdanken wie Sylla.
Aber die Franzoſen ſind Lumpen. In Wien eine Karikatur; ein Kurier30
oder Paul hatte ein Paquet unter dem einen Arm: ordre; unter dem
andern eines: contre-ordre; auf der Stirn: desordre. — Was ſagſt
du dazu, daß ich mit meinem Pariſien auf die Fichtiſche Arena ge-
treten? Nur nichts vom Mangel an weichlicher Menſchenliebe, die

*) Ich feierte ihn des Frühlings wegen am 20ten; den wahren weis ich nicht;35
in Leipzig feierte ich 2 hinter einander.
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[313/0333] Achtung ꝛc. anſehen, daß er ꝛc. ein Kiſtgen mit Wein nach Braun- schweig ꝛc. abgehen laſſen. Ich bin Mitarbeiter. Auf eine eigne Art überraſchten ich und Caroline uns gegenſeitig mit unſern kameraliſtiſchen Verhältniſſen; du wirſts aus ihren Briefen errathen. 5 Ein weicher Gott — nach den Flor-Tagen der ekelnden Krankheit — ſtieg an meinem Geburtstag *) in mein Herz herab. Auguste ſchikte mir die erſte Schöpfung ihrer ſtickenden Kunſt — Caroline eine, ſelber Herdern entzückende, Stickerei —; Luise und die Herder einen Blumenſtok und Blumen und Biscuit; und um 11 Uhr kamen ſie alle 10 ſelber, himliſch gekleidet. Ich weinte vor Freude und Liebe. Dan kam D. Herder und D. Majer, und mein [!] götlicher Menſch der Maler Büri. Himmel! mir fehlte nur meines Ottos ſehr vermiſter Brief, der 1 Tag ſpäter ankam. Nachmittags ſchikte die Herzogin einen blühen- den Roſenſtok — für den Bedienten 1 rtl. douceur — und abends 15 as ich bei Herder wo allerlei zuſammen gebeten war. Ach nur die 10 Minuten, wo die Seele von der Nähe der Liebe aufgelöſet, heis und weich zerflos, da war die Geburt. O Gott, wenn man immerfort lieben könte und dürfte und recht innig, was brauchte man denn noch auf der Erde oder hinter der Erde? — Gute Caroline, ich ſagte dir die 20 Zuſammenkunft in Ilmenau aus guten Gründen ab: könteſt du es wiſſen, wie ſich jezt auf einem andern Blatte meine Seele ſo unaus- ſprechlich nach deiner reinen frommen feſten ſehnt. — Wie wil ich dir ſagen, Otto, wie ich ſie achte! Nicht blos liebe; denn das iſt immer ſo leicht! 25 d. 27. M. Giebſt du nicht dem Bonaparte ein Paar Lorbeerkränze auf ſeine Krone? Ich trau’ ihm ganz, er wird wie Herkules den Oelbaum pflanzen; ja er wird, aber ohne die Grauſamkeit, abdanken wie Sylla. Aber die Franzoſen ſind Lumpen. In Wien eine Karikatur; ein Kurier 30 oder Paul hatte ein Paquet unter dem einen Arm: ordre; unter dem andern eines: contre-ordre; auf der Stirn: desordre. — Was ſagſt du dazu, daß ich mit meinem Pariſien auf die Fichtiſche Arena ge- treten? Nur nichts vom Mangel an weichlicher Menſchenliebe, die [340] *) Ich feierte ihn des Frühlings wegen am 20ten; den wahren weis ich nicht; 35 in Leipzig feierte ich 2 hinter einander.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/333>, abgerufen am 12.05.2024.