eine Göttin, ich wie der Hund, der nach Leibniz sol haben reden können.
d. 4. Feb.
Gleiche die Länge des Schweigens mit der Länge des Schreibens aus. Schrieb ich dir nicht schon den 20 Jenn.? Das Ankommen geht5 mich nichts an. Heute bin ich mit der Umarbeitung und Verdoplung des Clavis zu Rande. -- Ich stecke im philosophischen Dintenfas bis an die Ohren. Sogar Bouterweks (herliche) Apodiktik hab' ich sogar gekauft. -- Jezt zu deinen alten Briefen.
Ach die guten Köhlerschen! Und dan die niedrigen Triumphatricen10 die Gasse hinunter! Wie häslich wird der Zufal mit der Schuld ver- [313]wechselt werden! Ich sag' es relativ; denn objektiv sind jene beiden meistens eins. Der arme Alte verdient diese zerschneidende Knute nicht: Und Helene ist eitel und nicht viel mehr. Aber die Natur straft die Sünden gegen den -- Verstand eben so hart als andere. -- Das15 schöne Betragen des alten Herolds sez' immer voraus nach einem schlechten; sein elastisches Herz springt gerade auf den Boden gefallen auf und umgekehrt wieder zurük. -- Dein Schweigen tadl' ich, da du mir die wichtigsten Veränderungen um und ausser dir zu sagen hast. Deine bayreuther Zukunft ist ein Kupferstich zu einer Idylle; ob ich20 gleich deine Kommunikazion mit Albrecht schwierig finde. Dieses gute alte Herz dauert mich; wenn er abends nach Hause komt, findet er keinen Freund als den dunkeln kalten Schlaf. Wäre nicht durch Emanuel seine Verpflanzung zu vermitteln? Du handelst nicht recht sondern furchtsam, wenn du Amönen nicht alle deine blühenden Plane25 mittheilst. Wer erstattet ihr den langen geheimen Gram über die ge- heime Zukunft und so viele tausend bittere Minuten? Schlägt es dir fehl, so bist du dan durch Schweigen weniger gerechtfertigt als durch Reden. Wil das Schiksal nicht, so stehst doch du frank und frei und heiter da; und die zweite Seele leidet nur mit dir und nicht durch dich.30 Sag' ihr alles und überhaupt mehr. Die Hofnung ist ja ohnehin ihre eigentliche Gegenwart. -- Daß Albrecht es zulezt erfahren sol, macht ihm nicht kleinere sondern grössere Schmerzen; erhebe dich über das Schweigen. -- Deine Schwester wolt' ich vertheidigen, wenn ich -- Zeit hätte. -- Gegenwärtig bin ich noch immer für meine alte Wahl35 Bayreuths; so zerrissen und blutig sich auch mein Herz aus der Herder- schen Familie reissen wird. -- In deiner Kritik fand ich diese immer
eine Göttin, ich wie der Hund, der nach Leibniz ſol haben reden können.
d. 4. Feb.
Gleiche die Länge des Schweigens mit der Länge des Schreibens aus. Schrieb ich dir nicht ſchon den 20 Jenn.? Das Ankommen geht5 mich nichts an. Heute bin ich mit der Umarbeitung und Verdoplung des Clavis zu Rande. — Ich ſtecke im philoſophiſchen Dintenfas bis an die Ohren. Sogar Bouterweks (herliche) Apodiktik hab’ ich ſogar gekauft. — Jezt zu deinen alten Briefen.
Ach die guten Köhlerschen! Und dan die niedrigen Triumphatricen10 die Gaſſe hinunter! Wie häslich wird der Zufal mit der Schuld ver- [313]wechſelt werden! Ich ſag’ es relativ; denn objektiv ſind jene beiden meiſtens eins. Der arme Alte verdient dieſe zerſchneidende Knute nicht: Und Helene iſt eitel und nicht viel mehr. Aber die Natur ſtraft die Sünden gegen den — Verſtand eben ſo hart als andere. — Das15 ſchöne Betragen des alten Herolds ſez’ immer voraus nach einem ſchlechten; ſein elaſtiſches Herz ſpringt gerade auf den Boden gefallen auf und umgekehrt wieder zurük. — Dein Schweigen tadl’ ich, da du mir die wichtigſten Veränderungen um und auſſer dir zu ſagen haſt. Deine bayreuther Zukunft iſt ein Kupferſtich zu einer Idylle; ob ich20 gleich deine Kommunikazion mit Albrecht ſchwierig finde. Dieſes gute alte Herz dauert mich; wenn er abends nach Hauſe komt, findet er keinen Freund als den dunkeln kalten Schlaf. Wäre nicht durch Emanuel ſeine Verpflanzung zu vermitteln? Du handelſt nicht recht ſondern furchtſam, wenn du Amönen nicht alle deine blühenden Plane25 mittheilſt. Wer erſtattet ihr den langen geheimen Gram über die ge- heime Zukunft und ſo viele tauſend bittere Minuten? Schlägt es dir fehl, ſo biſt du dan durch Schweigen weniger gerechtfertigt als durch Reden. Wil das Schikſal nicht, ſo ſtehſt doch du frank und frei und heiter da; und die zweite Seele leidet nur mit dir und nicht durch dich.30 Sag’ ihr alles und überhaupt mehr. Die Hofnung iſt ja ohnehin ihre eigentliche Gegenwart. — Daß Albrecht es zulezt erfahren ſol, macht ihm nicht kleinere ſondern gröſſere Schmerzen; erhebe dich über das Schweigen. — Deine Schweſter wolt’ ich vertheidigen, wenn ich — Zeit hätte. — Gegenwärtig bin ich noch immer für meine alte Wahl35 Bayreuths; ſo zerriſſen und blutig ſich auch mein Herz aus der Herder- schen Familie reiſſen wird. — In deiner Kritik fand ich dieſe immer
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eine Göttin, ich wie der Hund, der nach Leibniz ſol haben reden
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d. 4. Feb.
Gleiche die Länge des Schweigens mit der Länge des Schreibens
aus. Schrieb ich dir nicht ſchon den 20 Jenn.? Das Ankommen geht 5
mich nichts an. Heute bin ich mit der Umarbeitung und Verdoplung
des Clavis zu Rande. — Ich ſtecke im philoſophiſchen Dintenfas bis
an die Ohren. Sogar Bouterweks (herliche) Apodiktik hab’ ich ſogar
gekauft. — Jezt zu deinen alten Briefen.
Ach die guten Köhlerschen! Und dan die niedrigen Triumphatricen 10
die Gaſſe hinunter! Wie häslich wird der Zufal mit der Schuld ver-
wechſelt werden! Ich ſag’ es relativ; denn objektiv ſind jene beiden
meiſtens eins. Der arme Alte verdient dieſe zerſchneidende Knute
nicht: Und Helene iſt eitel und nicht viel mehr. Aber die Natur ſtraft
die Sünden gegen den — Verſtand eben ſo hart als andere. — Das 15
ſchöne Betragen des alten Herolds ſez’ immer voraus nach einem
ſchlechten; ſein elaſtiſches Herz ſpringt gerade auf den Boden gefallen
auf und umgekehrt wieder zurük. — Dein Schweigen tadl’ ich, da du
mir die wichtigſten Veränderungen um und auſſer dir zu ſagen haſt.
Deine bayreuther Zukunft iſt ein Kupferſtich zu einer Idylle; ob ich 20
gleich deine Kommunikazion mit Albrecht ſchwierig finde. Dieſes gute
alte Herz dauert mich; wenn er abends nach Hauſe komt, findet er
keinen Freund als den dunkeln kalten Schlaf. Wäre nicht durch
Emanuel ſeine Verpflanzung zu vermitteln? Du handelſt nicht recht
ſondern furchtſam, wenn du Amönen nicht alle deine blühenden Plane 25
mittheilſt. Wer erſtattet ihr den langen geheimen Gram über die ge-
heime Zukunft und ſo viele tauſend bittere Minuten? Schlägt es dir
fehl, ſo biſt du dan durch Schweigen weniger gerechtfertigt als durch
Reden. Wil das Schikſal nicht, ſo ſtehſt doch du frank und frei und
heiter da; und die zweite Seele leidet nur mit dir und nicht durch dich. 30
Sag’ ihr alles und überhaupt mehr. Die Hofnung iſt ja ohnehin ihre
eigentliche Gegenwart. — Daß Albrecht es zulezt erfahren ſol, macht
ihm nicht kleinere ſondern gröſſere Schmerzen; erhebe dich über das
Schweigen. — Deine Schweſter wolt’ ich vertheidigen, wenn ich —
Zeit hätte. — Gegenwärtig bin ich noch immer für meine alte Wahl 35
Bayreuths; ſo zerriſſen und blutig ſich auch mein Herz aus der Herder-
schen Familie reiſſen wird. — In deiner Kritik fand ich dieſe immer
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/304>, abgerufen am 22.11.2024.
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