Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

Bild:
<< vorherige Seite

fürchten, obwohl nicht, wenn sie zu handeln hat. -- Doch weist du,
daß ich dich zugleich liebe und verehre; wie könt' ich fehlen gegen dich?
-- Zuweilen liess' ich drei Möglichkeiten alternieren oder votieren,
Reisen -- Schreiben -- Kränklichsein --

5

Was es gewesen wäre, sei es nur vorbei!

Eben send' ich den ersten Band des Titans und das 1. Bändgen in
den Druk, und mit Furcht, da leider jeder ausspringende Winkel im
Menschen, der den Strom breiter bettet, einen einspringenden findet
oder macht. Um nicht die Weiber und Kritiker durch Extrablätter aus10
der Historie zu jagen, bau' ich jedem Tomus ein dünnes Bändgen an,
wo ich nichts mache als Spas und vorher wenigen; wer wil mir dan
in meinem Hausrecht etwas anhaben? Sag' es! --

Über die Corday komt in den historischen Berl[iner] Kalender ein
Epitaphium von mir, das mich zwar das ekelhafte Nachschlagen in15
den durch Blutflecke unleserlichen Tag- oder Nachtbüchern der Revo-
luzion kostete -- denn seit einigen Jahren such' ich immer weniger von
ihr zu wissen und es glükt -- das aber für mein Herz ein erhebendes
Postament wurde.

Schlichtegrol sagte mir, daß dein Brief an Fichte gedrukt werde.20
Gott und dir sei Dank! In Jena trugen sie ihn herum als Trophäe
und Ehrenbogen, der diese Philister doch erschlägt. Aber ich hoffe, du
giebst ihn mit Zusäzen.

-- Ach mein Heinrich, mir ist doch als wenn ich nicht recht an dich
schreiben könte, bis ich weis, warum deine schöne Seele schweigt -- --25
Hätt' ich dich nur gesehen! Vor dem Sehen kent man nichts -- Und
hättest du mich gesehen! Du wüstest dan heilig-gewis, daß ich meine
Geliebten nichts könte als -- lieben; und daß ich recht herzlich liebe,
welches das einzige Wahre ist, was man von mir aus meinen Büchern
schliessen kan; denn sonst wil es in der That nicht viel sagen, wie ich dir30
einmal mündlich beweisen wil. -- Dein Herz schlage leicht, wie eine[249]
Aetherwelle, mein Theuerer, Theuerer! Und verlas mich nicht,
Heinrich!

Richter
310. An Christian Otto.
An dich.
35

Könt' es sich denn herlicher treffen? -- Am Sontag fahr' ich mit

15*

fürchten, obwohl nicht, wenn ſie zu handeln hat. — Doch weiſt du,
daß ich dich zugleich liebe und verehre; wie könt’ ich fehlen gegen dich?
— Zuweilen lieſſ’ ich drei Möglichkeiten alternieren oder votieren,
Reiſen — Schreiben — Kränklichſein —

5

Was es geweſen wäre, ſei es nur vorbei!

Eben ſend’ ich den erſten Band des Titans und das 1. Bändgen in
den Druk, und mit Furcht, da leider jeder ausſpringende Winkel im
Menſchen, der den Strom breiter bettet, einen einſpringenden findet
oder macht. Um nicht die Weiber und Kritiker durch Extrablätter aus10
der Hiſtorie zu jagen, bau’ ich jedem Tomus ein dünnes Bändgen an,
wo ich nichts mache als Spas und vorher wenigen; wer wil mir dan
in meinem Hausrecht etwas anhaben? Sag’ es! —

Über die Corday komt in den hiſtoriſchen Berl[iner] Kalender ein
Epitaphium von mir, das mich zwar das ekelhafte Nachſchlagen in15
den durch Blutflecke unleſerlichen Tag- oder Nachtbüchern der Revo-
luzion koſtete — denn ſeit einigen Jahren ſuch’ ich immer weniger von
ihr zu wiſſen und es glükt — das aber für mein Herz ein erhebendes
Poſtament wurde.

Schlichtegrol ſagte mir, daß dein Brief an Fichte gedrukt werde.20
Gott und dir ſei Dank! In Jena trugen ſie ihn herum als Trophäe
und Ehrenbogen, der dieſe Philiſter doch erſchlägt. Aber ich hoffe, du
giebſt ihn mit Zuſäzen.

— Ach mein Heinrich, mir iſt doch als wenn ich nicht recht an dich
ſchreiben könte, bis ich weis, warum deine ſchöne Seele ſchweigt — —25
Hätt’ ich dich nur geſehen! Vor dem Sehen kent man nichts — Und
hätteſt du mich geſehen! Du wüſteſt dan heilig-gewis, daß ich meine
Geliebten nichts könte als — lieben; und daß ich recht herzlich liebe,
welches das einzige Wahre iſt, was man von mir aus meinen Büchern
ſchlieſſen kan; denn ſonſt wil es in der That nicht viel ſagen, wie ich dir30
einmal mündlich beweiſen wil. — Dein Herz ſchlage leicht, wie eine[249]
Aetherwelle, mein Theuerer, Theuerer! Und verlas mich nicht,
Heinrich!

Richter
310. An Chriſtian Otto.
An dich.
35

Könt’ es ſich denn herlicher treffen? — Am Sontag fahr’ ich mit

15*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0242" n="227"/>
fürchten, obwohl nicht, wenn &#x017F;ie zu handeln hat. &#x2014; Doch wei&#x017F;t du,<lb/>
daß ich dich zugleich liebe und verehre; wie könt&#x2019; ich fehlen gegen dich?<lb/>
&#x2014; Zuweilen lie&#x017F;&#x017F;&#x2019; ich drei Möglichkeiten alternieren oder votieren,<lb/>
Rei&#x017F;en &#x2014; Schreiben &#x2014; Kränklich&#x017F;ein &#x2014;</p><lb/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#right">d. 20. Aug.</hi> </dateline>
          <lb n="5"/>
          <p>Was es gewe&#x017F;en wäre, &#x017F;ei es nur vorbei!</p><lb/>
          <p>Eben &#x017F;end&#x2019; ich den er&#x017F;ten Band des <hi rendition="#aq">Titans</hi> und das 1. Bändgen in<lb/>
den Druk, und mit Furcht, da leider jeder aus&#x017F;pringende Winkel im<lb/>
Men&#x017F;chen, der den Strom breiter bettet, einen ein&#x017F;pringenden findet<lb/>
oder macht. Um nicht die Weiber und Kritiker durch <hi rendition="#aq">Extrablätter</hi> aus<lb n="10"/>
der Hi&#x017F;torie zu jagen, bau&#x2019; ich jedem Tomus ein dünnes Bändgen an,<lb/>
wo ich nichts mache als Spas und vorher wenigen; wer wil mir dan<lb/>
in meinem Hausrecht etwas anhaben? Sag&#x2019; es! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Über die <hi rendition="#aq">Corday</hi> komt in den hi&#x017F;tori&#x017F;chen Berl[iner] Kalender ein<lb/>
Epitaphium von mir, das mich zwar das ekelhafte Nach&#x017F;chlagen in<lb n="15"/>
den durch Blutflecke unle&#x017F;erlichen Tag- oder Nachtbüchern der Revo-<lb/>
luzion ko&#x017F;tete &#x2014; denn &#x017F;eit einigen Jahren &#x017F;uch&#x2019; ich immer weniger von<lb/>
ihr zu wi&#x017F;&#x017F;en und es glükt &#x2014; das aber für mein Herz ein erhebendes<lb/>
Po&#x017F;tament wurde.</p><lb/>
          <p>Schlichtegrol &#x017F;agte mir, daß dein Brief an <hi rendition="#aq">Fichte</hi> gedrukt werde.<lb n="20"/>
Gott und dir &#x017F;ei Dank! In <hi rendition="#aq">Jena</hi> trugen &#x017F;ie ihn herum als Trophäe<lb/>
und Ehrenbogen, der die&#x017F;e Phili&#x017F;ter doch er&#x017F;chlägt. Aber ich hoffe, du<lb/>
gieb&#x017F;t ihn mit Zu&#x017F;äzen.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Ach mein Heinrich, mir i&#x017F;t doch als wenn ich nicht recht an dich<lb/>
&#x017F;chreiben könte, bis ich weis, warum deine &#x017F;chöne Seele &#x017F;chweigt &#x2014; &#x2014;<lb n="25"/>
Hätt&#x2019; ich dich nur ge&#x017F;ehen! Vor dem Sehen kent man nichts &#x2014; Und<lb/>
hätte&#x017F;t du mich ge&#x017F;ehen! Du wü&#x017F;te&#x017F;t dan heilig-gewis, daß ich meine<lb/>
Geliebten nichts könte als &#x2014; lieben; und daß ich recht herzlich liebe,<lb/>
welches das einzige Wahre i&#x017F;t, was man von mir aus meinen Büchern<lb/>
&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en kan; denn &#x017F;on&#x017F;t wil es in der That nicht viel &#x017F;agen, wie ich dir<lb n="30"/>
einmal mündlich bewei&#x017F;en wil. &#x2014; Dein Herz &#x017F;chlage leicht, wie eine<note place="right"><ref target="1922_Bd3_249">[249]</ref></note><lb/>
Aetherwelle, mein Theuerer, Theuerer! Und verlas mich nicht,<lb/>
Heinrich!</p>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#sameLine"> <hi rendition="#right">Richter</hi> </hi> </salute>
          </closer>
        </div>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>310. An <hi rendition="#g">Chri&#x017F;tian Otto.</hi></head><lb/>
        <salute> <hi rendition="#left"> <hi rendition="#g">An dich.</hi> </hi> </salute>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Weimar</hi> d. 22 Aug. 99 [Donnerstag].</hi> </dateline>
        <lb n="35"/>
        <p>Könt&#x2019; es &#x017F;ich denn herlicher treffen? &#x2014; Am Sontag fahr&#x2019; ich mit<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">15*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0242] fürchten, obwohl nicht, wenn ſie zu handeln hat. — Doch weiſt du, daß ich dich zugleich liebe und verehre; wie könt’ ich fehlen gegen dich? — Zuweilen lieſſ’ ich drei Möglichkeiten alternieren oder votieren, Reiſen — Schreiben — Kränklichſein — d. 20. Aug. 5 Was es geweſen wäre, ſei es nur vorbei! Eben ſend’ ich den erſten Band des Titans und das 1. Bändgen in den Druk, und mit Furcht, da leider jeder ausſpringende Winkel im Menſchen, der den Strom breiter bettet, einen einſpringenden findet oder macht. Um nicht die Weiber und Kritiker durch Extrablätter aus 10 der Hiſtorie zu jagen, bau’ ich jedem Tomus ein dünnes Bändgen an, wo ich nichts mache als Spas und vorher wenigen; wer wil mir dan in meinem Hausrecht etwas anhaben? Sag’ es! — Über die Corday komt in den hiſtoriſchen Berl[iner] Kalender ein Epitaphium von mir, das mich zwar das ekelhafte Nachſchlagen in 15 den durch Blutflecke unleſerlichen Tag- oder Nachtbüchern der Revo- luzion koſtete — denn ſeit einigen Jahren ſuch’ ich immer weniger von ihr zu wiſſen und es glükt — das aber für mein Herz ein erhebendes Poſtament wurde. Schlichtegrol ſagte mir, daß dein Brief an Fichte gedrukt werde. 20 Gott und dir ſei Dank! In Jena trugen ſie ihn herum als Trophäe und Ehrenbogen, der dieſe Philiſter doch erſchlägt. Aber ich hoffe, du giebſt ihn mit Zuſäzen. — Ach mein Heinrich, mir iſt doch als wenn ich nicht recht an dich ſchreiben könte, bis ich weis, warum deine ſchöne Seele ſchweigt — — 25 Hätt’ ich dich nur geſehen! Vor dem Sehen kent man nichts — Und hätteſt du mich geſehen! Du wüſteſt dan heilig-gewis, daß ich meine Geliebten nichts könte als — lieben; und daß ich recht herzlich liebe, welches das einzige Wahre iſt, was man von mir aus meinen Büchern ſchlieſſen kan; denn ſonſt wil es in der That nicht viel ſagen, wie ich dir 30 einmal mündlich beweiſen wil. — Dein Herz ſchlage leicht, wie eine Aetherwelle, mein Theuerer, Theuerer! Und verlas mich nicht, Heinrich! [249]Richter 310. An Chriſtian Otto. An dich.Weimar d. 22 Aug. 99 [Donnerstag]. 35 Könt’ es ſich denn herlicher treffen? — Am Sontag fahr’ ich mit 15*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/242
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/242>, abgerufen am 22.11.2024.