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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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265. An Böttiger.

Zu dem Ihnen gestern für Wieland gebrachten Exemplar gehöret
dieser Brief. Verzeihen Sie mir, Lieber, die Bitte der Übergabe, weil
ich keinen andern Weg zu W. weis als den Durchgang durch Ihr Haus;5
ich hasse sonst Ihre Plaggeister und Moses mit 7 Plagen. Guten
Morgen.

266. An Karoline von Feuchtersleben.
[Kopie]

Ein Frühling ohne Reise ist keiner. Die Stunde des Wartens ist10
um und um mit Stacheln besezt.



267. An Christian Otto.
[Schluß Kopie]

-- Aber in Weimar schick' ich den Brief erst fort. Hier siz ich nun
seit einer Woche, und recht weich. Es ist und war so: Ich korrespon-15
dierte schon mehrmal mit einer Caroline v. Feuchtersleben, die hier
ist, und dieser versprach ich zu kommen. (Denke nur nicht, daß jezt
etwas Wichtiges komt, nämlich eine Braut!) Sie ist ein edles, tief-
fühlendes, mänlich-festes, vom Schiksal verwundetes, ziemlich schönes
Mädgen, das mir seine silhouettierte Gestalt und Taille mit einer20
schwarzen Blumenkette schikte (leztere solte um mich herum), woraus
ich sogleich schlos, sie müsse am Hofe gewesen sein -- welches sie auch
war als Vicaria einer Hofdame. Fatal ists -- und im Grunde gar
nicht --, daß sie im Sprechen*) zu spielend und leicht ist, wie im Schrei-
ben zu ernst. Sie lebt bei ihrer Mutter, Schwester und dem Bruder,25
und ich size meistens dort, wenn ich nicht am Hofe bin, welches ausser
den Maalen häufig der Fal ist.

Hier fängt es an, almählig wichtig zu werden. Erstlich denke dir,
male dir die himlische Herzogin mit schönen kindlichen Augen -- das[213]
ganze Gesicht vol Liebe und Reiz und Jugend -- mit einer Nachtigallen-30
Stimrize -- und einem Mutterherz -- dan denke dir die noch schönere

*) aber absichtlich mit mir; und sie gestand mir die Ursache: "weil man ein
Schauspiel leichter vergisset als ein Drama" und fuhr fort.
13 Jean Paul Briefe. III.
265. An Böttiger.

Zu dem Ihnen geſtern für Wieland gebrachten Exemplar gehöret
dieſer Brief. Verzeihen Sie mir, Lieber, die Bitte der Übergabe, weil
ich keinen andern Weg zu W. weis als den Durchgang durch Ihr Haus;5
ich haſſe ſonſt Ihre Plaggeiſter und Moſes mit 7 Plagen. Guten
Morgen.

266. An Karoline von Feuchtersleben.
[Kopie]

Ein Frühling ohne Reiſe iſt keiner. Die Stunde des Wartens iſt10
um und um mit Stacheln beſezt.



267. An Chriſtian Otto.
[Schluß Kopie]

— Aber in Weimar ſchick’ ich den Brief erſt fort. Hier ſiz ich nun
ſeit einer Woche, und recht weich. Es iſt und war ſo: Ich korreſpon-15
dierte ſchon mehrmal mit einer Caroline v. Feuchtersleben, die hier
iſt, und dieſer verſprach ich zu kommen. (Denke nur nicht, daß jezt
etwas Wichtiges komt, nämlich eine Braut!) Sie iſt ein edles, tief-
fühlendes, mänlich-feſtes, vom Schikſal verwundetes, ziemlich ſchönes
Mädgen, das mir ſeine ſilhouettierte Geſtalt und Taille mit einer20
ſchwarzen Blumenkette ſchikte (leztere ſolte um mich herum), woraus
ich ſogleich ſchlos, ſie müſſe am Hofe geweſen ſein — welches ſie auch
war als Vicaria einer Hofdame. Fatal iſts — und im Grunde gar
nicht —, daß ſie im Sprechen*) zu ſpielend und leicht iſt, wie im Schrei-
ben zu ernſt. Sie lebt bei ihrer Mutter, Schweſter und dem Bruder,25
und ich ſize meiſtens dort, wenn ich nicht am Hofe bin, welches auſſer
den Maalen häufig der Fal iſt.

Hier fängt es an, almählig wichtig zu werden. Erſtlich denke dir,
male dir die himliſche Herzogin mit ſchönen kindlichen Augen — das[213]
ganze Geſicht vol Liebe und Reiz und Jugend — mit einer Nachtigallen-30
Stimrize — und einem Mutterherz — dan denke dir die noch ſchönere

*) aber abſichtlich mit mir; und ſie geſtand mir die Urſache: „weil man ein
Schauſpiel leichter vergiſſet als ein Drama“ und fuhr fort.
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[193/0208] 265. An Böttiger. [Weimar, 18. Mai 1799?] Zu dem Ihnen geſtern für Wieland gebrachten Exemplar gehöret dieſer Brief. Verzeihen Sie mir, Lieber, die Bitte der Übergabe, weil ich keinen andern Weg zu W. weis als den Durchgang durch Ihr Haus; 5 ich haſſe ſonſt Ihre Plaggeiſter und Moſes mit 7 Plagen. Guten Morgen. 266. An Karoline von Feuchtersleben. [Weimar, 18. Mai 1799] Ein Frühling ohne Reiſe iſt keiner. Die Stunde des Wartens iſt 10 um und um mit Stacheln beſezt. 267. An Chriſtian Otto. Hildburghausen d. 24 oder 25 Mai. 99. — Aber in Weimar ſchick’ ich den Brief erſt fort. Hier ſiz ich nun ſeit einer Woche, und recht weich. Es iſt und war ſo: Ich korreſpon- 15 dierte ſchon mehrmal mit einer Caroline v. Feuchtersleben, die hier iſt, und dieſer verſprach ich zu kommen. (Denke nur nicht, daß jezt etwas Wichtiges komt, nämlich eine Braut!) Sie iſt ein edles, tief- fühlendes, mänlich-feſtes, vom Schikſal verwundetes, ziemlich ſchönes Mädgen, das mir ſeine ſilhouettierte Geſtalt und Taille mit einer 20 ſchwarzen Blumenkette ſchikte (leztere ſolte um mich herum), woraus ich ſogleich ſchlos, ſie müſſe am Hofe geweſen ſein — welches ſie auch war als Vicaria einer Hofdame. Fatal iſts — und im Grunde gar nicht —, daß ſie im Sprechen *) zu ſpielend und leicht iſt, wie im Schrei- ben zu ernſt. Sie lebt bei ihrer Mutter, Schweſter und dem Bruder, 25 und ich ſize meiſtens dort, wenn ich nicht am Hofe bin, welches auſſer den Maalen häufig der Fal iſt. Hier fängt es an, almählig wichtig zu werden. Erſtlich denke dir, male dir die himliſche Herzogin mit ſchönen kindlichen Augen — das ganze Geſicht vol Liebe und Reiz und Jugend — mit einer Nachtigallen- 30 Stimrize — und einem Mutterherz — dan denke dir die noch ſchönere [213] *) aber abſichtlich mit mir; und ſie geſtand mir die Urſache: „weil man ein Schauſpiel leichter vergiſſet als ein Drama“ und fuhr fort. 13 Jean Paul Briefe. III.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/208>, abgerufen am 28.04.2024.