eben deswegen -- sehen: ich betheuer[e] dir, mein Inneres konte durch alle die Lorbeerbäume nicht um 1 Zol höher gehoben werden als es vor den "Mumien" war. Das fremde Urtheil betrügt mich leichter durch unmässigen Tadel als durch unmässiges Lob. Ich habe eine Demuth in mir, die niemand erräth und die kein Sieg sondern eine5 Nothwendigkeit ist, weil ich meinen Fleis Hevristik etc. von meinen Kräften abzusondern weis. Gegen die Köhl[er], gegen Renate, gegen dein Haus war ich wie immer; aber dan, wenn merkantilische ver- achtende geldachtende egoistische Höfer dazu kamen, dan stand nicht mein intellektueller Mensch, den allein das Publikum zu sehr loben kan,10 sondern mein moralischer auf, der Fremde und Höfer verglich und der es noch dazu nie vergessen kan, wie man mich sonst (und immer) behandelte und wie man meine gequälte Mutter verlies. Bedenke daß der Troz (einer, den ich in der Armuth noch mehr hatte) nur gegen Trozige kam, meistens gegen die H[erold]'s, nie nie gegen dich und die15 Deinigen.
"Abends sucht' Er und ich ein Gespräch" und weiter unten "wir suchten "peinlich nach Gesprächen -- schien sich herabzulassen -- nahm poli- "tischen Stof, fragte nach Frieden und nahm meinen." Dieser Argwohn wäre mir fürchterlich gewesen, wenn ich ihn errathen hätte und ich20 wäre lieber stum oder abwesend geblieben. Bei dir fühlt' ich gerade allemal jene phantasierende Freiheit, zu sprechen -- und über alles -- und über gar nichts: ich kan dir nicht sagen, wie wohl und wie an- gestrengt und lebhaft -- das schliesset aber die Pein des Suchens und der Langweile aus -- ich von dir gieng. Ich armer Unschuldiger komme25 mir jezt bedauernswerth in meinem stillen Frohsein vor. Nach Frieden fragt' ich, weil [ich] ungern und mit zu vielen Qualen Zeitungen las -- und weil deine Meinung mir richtiger war als meine -- und weil es für meine Seele (und für meine Zurüknahme der Vergötterung der für mich kaum Menschen-gewordnen Franzosen) keine höhere Frage[15]30 gab. Die Politik oder die Geschichte wendet immer eine neue Seite vor; und ist reichhaltiger als jede Materie. Unsere Schwarzenbach[er] Gespräche hatten den Reiz doppelter ausgewechselter Nouvellen; auch den meiner 8tägigen Entfernung. Du kanst leicht über meine, aber ich so wenig über deine Werke reden. Dein politisches Urtheil, nicht35 meines war immer das einzige U., das ich glaubte. Auch glaubt' ich nie, daß die Freundschaft unterhalten müste; und Schweigen ist nur
eben deswegen — ſehen: ich betheuer[e] dir, mein Inneres konte durch alle die Lorbeerbäume nicht um 1 Zol höher gehoben werden als es vor den „Mumien“ war. Das fremde Urtheil betrügt mich leichter durch unmäſſigen Tadel als durch unmäſſiges Lob. Ich habe eine Demuth in mir, die niemand erräth und die kein Sieg ſondern eine5 Nothwendigkeit iſt, weil ich meinen Fleis 〈Hevriſtik ꝛc.〉 von meinen Kräften abzuſondern weis. Gegen die Köhl[er], gegen Renate, gegen dein Haus war ich wie immer; aber dan, wenn merkantiliſche ver- achtende geldachtende egoiſtiſche Höfer dazu kamen, dan ſtand nicht mein intellektueller Menſch, den allein das Publikum zu ſehr loben kan,10 ſondern mein moraliſcher auf, der Fremde und Höfer verglich und der es noch dazu nie vergeſſen kan, wie man mich ſonſt (und immer) behandelte und wie man meine gequälte Mutter verlies. Bedenke daß der Troz (einer, den ich in der Armuth noch mehr hatte) nur gegen Trozige kam, meiſtens gegen die H[erold]’s, nie nie gegen dich und die15 Deinigen.
„Abends ſucht’ Er und ich ein Geſpräch“ und weiter unten „wir ſuchten „peinlich nach Geſprächen — ſchien ſich herabzulaſſen — nahm poli- „tiſchen Stof, fragte nach Frieden und nahm meinen.“ Dieſer Argwohn wäre mir fürchterlich geweſen, wenn ich ihn errathen hätte und ich20 wäre lieber ſtum oder abweſend geblieben. Bei dir fühlt’ ich gerade allemal jene phantaſierende Freiheit, zu ſprechen — und über alles — und über gar nichts: ich kan dir nicht ſagen, wie wohl und wie an- geſtrengt und lebhaft — das ſchlieſſet aber die Pein des Suchens und der Langweile aus — ich von dir gieng. Ich armer Unſchuldiger komme25 mir jezt bedauernswerth in meinem ſtillen Frohſein vor. Nach Frieden fragt’ ich, weil [ich] ungern und mit zu vielen Qualen Zeitungen las — und weil deine Meinung mir richtiger war als meine — und weil es für meine Seele (und für meine Zurüknahme der Vergötterung der für mich kaum Menſchen-gewordnen Franzoſen) keine höhere Frage[15]30 gab. Die Politik oder die Geſchichte wendet immer eine neue Seite vor; und iſt reichhaltiger als jede Materie. Unſere Schwarzenbach[er] Geſpräche hatten den Reiz doppelter ausgewechſelter Nouvellen; auch den meiner 8tägigen Entfernung. Du kanſt leicht über meine, aber ich ſo wenig über deine Werke reden. Dein politiſches Urtheil, nicht35 meines war immer das einzige U., das ich glaubte. Auch glaubt’ ich nie, daß die Freundſchaft unterhalten müſte; und Schweigen iſt nur
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durch unmäſſigen Tadel als durch unmäſſiges Lob. Ich habe eine
Demuth in mir, die niemand erräth und die kein Sieg ſondern eine 5
Nothwendigkeit iſt, weil ich meinen Fleis 〈Hevriſtik ꝛc.〉 von meinen
Kräften abzuſondern weis. Gegen die Köhl[er], gegen Renate, gegen
dein Haus war ich wie immer; aber dan, wenn merkantiliſche ver-
achtende geldachtende egoiſtiſche Höfer dazu kamen, dan ſtand nicht
mein intellektueller Menſch, den allein das Publikum zu ſehr loben kan, 10
ſondern mein moraliſcher auf, der Fremde und Höfer verglich und der
es noch dazu nie vergeſſen kan, wie man mich ſonſt (und immer)
behandelte und wie man meine gequälte Mutter verlies. Bedenke daß
der Troz (einer, den ich in der Armuth noch mehr hatte) nur gegen
Trozige kam, meiſtens gegen die H[erold]’s, nie nie gegen dich und die 15
Deinigen.
„Abends ſucht’ Er und ich ein Geſpräch“ und weiter unten „wir ſuchten
„peinlich nach Geſprächen — ſchien ſich herabzulaſſen — nahm poli-
„tiſchen Stof, fragte nach Frieden und nahm meinen.“ Dieſer Argwohn
wäre mir fürchterlich geweſen, wenn ich ihn errathen hätte und ich 20
wäre lieber ſtum oder abweſend geblieben. Bei dir fühlt’ ich gerade
allemal jene phantaſierende Freiheit, zu ſprechen — und über alles —
und über gar nichts: ich kan dir nicht ſagen, wie wohl und wie an-
geſtrengt und lebhaft — das ſchlieſſet aber die Pein des Suchens und
der Langweile aus — ich von dir gieng. Ich armer Unſchuldiger komme 25
mir jezt bedauernswerth in meinem ſtillen Frohſein vor. Nach Frieden
fragt’ ich, weil [ich] ungern und mit zu vielen Qualen Zeitungen las
— und weil deine Meinung mir richtiger war als meine — und weil
es für meine Seele (und für meine Zurüknahme der Vergötterung der
für mich kaum Menſchen-gewordnen Franzoſen) keine höhere Frage 30
gab. Die Politik oder die Geſchichte wendet immer eine neue Seite
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Geſpräche hatten den Reiz doppelter ausgewechſelter Nouvellen; auch
den meiner 8tägigen Entfernung. Du kanſt leicht über meine, aber ich
ſo wenig über deine Werke reden. Dein politiſches Urtheil, nicht 35
meines war immer das einzige U., das ich glaubte. Auch glaubt’ ich
nie, daß die Freundſchaft unterhalten müſte; und Schweigen iſt nur
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/18>, abgerufen am 18.12.2024.
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