-- Persönlich solt' ich jezt weniger gegen die Rezensenten haben, da sie mich jezt so uneingeschränkt loben als sonst tadelten; in der Erfurter Zeitung stehen in 1 Stücke 2 Rezensionen (die erste ist sehr einfältig)[178] die mich beide für ein Genie erklären, das verlöre bei dem Gehorsam gegen die Regeln des Aristoteles. Diese kritische Jämmerlichkeit er-5 bittert mich. Herder las sie uns bei der Herzogin vor zum Spas. -- Der Erdbal ist für mich durchlöchert; das macht mich aber kekker und fester: was hab ich zu verlieren als die Korkkugel? Nur die grünende und die gestirnte Natur liegt noch wie sonst an meiner Brust. --
Den Brief an Emanuel, den du Renaten schikst, hatt ich lange ge-10 schrieben. -- Den vom Bruder Jacobi, dem ich jezt durch die von ihm gewählte Duzbrüderschaft um ganze Jahre näher bin, sende mir bald in irgend einem Briefe wieder, wozu du deine Schwester oder sonst jemand beredest. -- Gegen die Titanide steh ich fest. Ich habe zwar 2mal neulich eine Pfeife geraucht -- wozu sie leider die Fidibus und15 das Licht und Tabak brachte -- aber jezt ists verschworen. In einem solchen Fal, wo die andere Person oft selber ausser dem Billigen (was dir unbegreiflich sein mus) eine Heilige wird, ists nicht leicht, die Pfeife zum Fenster hinauszuwerfen. -- Hast du Thatsachen von der Corday: so sende sie mir; auf Böttigers Zureden versprach ich etwas20 für den Berl[iner] Historischen Kalender (worin Genz, Göthe etc. arbeiten) und nahm diese Königin. So viel entsinn' ich mich noch deutlich daß sie dem Marat das Lebenslicht ausgeblasen. -- Herder und ich und Einsiedel geben (sub rosa) 1800 eine 1/4 Jahrsschrift heraus. -- Mache doch daß mir der Spizbube Georg ohne sein Wissen25 25 Frankfurter Federn mitbringt. -- Erzähle doch den Mädgen mehr von meinen Fatis; sie halten bei mir darum an. -- Du schweigst oft auf 1000 Sachen. --
Und jezt wil ichs auch thun. Alle meine hiesigen Blumenketten sind noch unzerrissen. Ich wolte, der Teufel hätte mich nie nach Leipzig30 geholt. -- Lebe wohl und besorge, daß geschrieben wird. -- Den 1 B. v. Titan wil ich in Hof wieder überfahren übertünchen und da- lassen. --
R.
218. An Böttiger.[179]
[Weimar, Ende Febr. oder Anfang März 1799]35
Folgender Aufsaz für den Merkur komt von einem vortreflichen, in
11 Jean Paul Briefe. III.
— Perſönlich ſolt’ ich jezt weniger gegen die Rezenſenten haben, da ſie mich jezt ſo uneingeſchränkt loben als ſonſt tadelten; in der Erfurter Zeitung ſtehen in 1 Stücke 2 Rezenſionen (die erſte iſt ſehr einfältig)[178] die mich beide für ein Genie erklären, das verlöre bei dem Gehorſam gegen die Regeln des Ariſtoteles. Dieſe kritiſche Jämmerlichkeit er-5 bittert mich. Herder las ſie uns bei der Herzogin vor zum Spas. — Der Erdbal iſt für mich durchlöchert; das macht mich aber kekker und feſter: was hab ich zu verlieren als die Korkkugel? Nur die grünende und die geſtirnte Natur liegt noch wie ſonſt an meiner Bruſt. —
Den Brief an Emanuel, den du Renaten ſchikſt, hatt ich lange ge-10 ſchrieben. — Den vom Bruder Jacobi, dem ich jezt durch die von ihm gewählte Duzbrüderſchaft um ganze Jahre näher bin, ſende mir bald in irgend einem Briefe wieder, wozu du deine Schweſter oder ſonſt jemand beredeſt. — Gegen die Titanide ſteh ich feſt. Ich habe zwar 2mal neulich eine Pfeife geraucht — wozu ſie leider die Fidibus und15 das Licht und Tabak brachte — aber jezt iſts verſchworen. In einem ſolchen Fal, wo die andere Perſon oft ſelber auſſer dem Billigen (was dir unbegreiflich ſein mus) eine Heilige wird, iſts nicht leicht, die Pfeife zum Fenſter hinauszuwerfen. — Haſt du Thatſachen von der Corday: ſo ſende ſie mir; auf Böttigers Zureden verſprach ich etwas20 für den Berl[iner] Hiſtoriſchen Kalender (worin Genz, Göthe ꝛc. arbeiten) und nahm dieſe Königin. So viel entſinn’ ich mich noch deutlich daß ſie dem Marat das Lebenslicht ausgeblaſen. — Herder und ich und Einsiedel geben (sub rosa) 1800 eine ¼ Jahrsſchrift heraus. — Mache doch daß mir der Spizbube Georg ohne ſein Wiſſen25 25 Frankfurter Federn mitbringt. — Erzähle doch den Mädgen mehr von meinen Fatis; ſie halten bei mir darum an. — Du ſchweigſt oft auf 1000 Sachen. —
Und jezt wil ichs auch thun. Alle meine hieſigen Blumenketten ſind noch unzerriſſen. Ich wolte, der Teufel hätte mich nie nach Leipzig30 geholt. — Lebe wohl und beſorge, daß geſchrieben wird. — Den 1 B. v. Titan wil ich in Hof wieder überfahren 〈übertünchen〉 und da- laſſen. —
R.
218. An Böttiger.[179]
[Weimar, Ende Febr. oder Anfang März 1799]35
Folgender Aufſaz für den Merkur komt von einem vortreflichen, in
11 Jean Paul Briefe. III.
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— Perſönlich ſolt’ ich jezt weniger gegen die Rezenſenten haben, da
ſie mich jezt ſo uneingeſchränkt loben als ſonſt tadelten; in der Erfurter
Zeitung ſtehen in 1 Stücke 2 Rezenſionen (die erſte iſt ſehr einfältig)
die mich beide für ein Genie erklären, das verlöre bei dem Gehorſam
gegen die Regeln des Ariſtoteles. Dieſe kritiſche Jämmerlichkeit er- 5
bittert mich. Herder las ſie uns bei der Herzogin vor zum Spas. —
Der Erdbal iſt für mich durchlöchert; das macht mich aber kekker und
feſter: was hab ich zu verlieren als die Korkkugel? Nur die grünende
und die geſtirnte Natur liegt noch wie ſonſt an meiner Bruſt. —
[178]
Den Brief an Emanuel, den du Renaten ſchikſt, hatt ich lange ge- 10
ſchrieben. — Den vom Bruder Jacobi, dem ich jezt durch die von ihm
gewählte Duzbrüderſchaft um ganze Jahre näher bin, ſende mir bald
in irgend einem Briefe wieder, wozu du deine Schweſter oder ſonſt
jemand beredeſt. — Gegen die Titanide ſteh ich feſt. Ich habe zwar
2mal neulich eine Pfeife geraucht — wozu ſie leider die Fidibus und 15
das Licht und Tabak brachte — aber jezt iſts verſchworen. In einem
ſolchen Fal, wo die andere Perſon oft ſelber auſſer dem Billigen (was
dir unbegreiflich ſein mus) eine Heilige wird, iſts nicht leicht, die
Pfeife zum Fenſter hinauszuwerfen. — Haſt du Thatſachen von der
Corday: ſo ſende ſie mir; auf Böttigers Zureden verſprach ich etwas 20
für den Berl[iner] Hiſtoriſchen Kalender (worin Genz, Göthe ꝛc.
arbeiten) und nahm dieſe Königin. So viel entſinn’ ich mich noch
deutlich daß ſie dem Marat das Lebenslicht ausgeblaſen. — Herder
und ich und Einsiedel geben (sub rosa) 1800 eine ¼ Jahrsſchrift
heraus. — Mache doch daß mir der Spizbube Georg ohne ſein Wiſſen 25
25 Frankfurter Federn mitbringt. — Erzähle doch den Mädgen mehr
von meinen Fatis; ſie halten bei mir darum an. — Du ſchweigſt oft
auf 1000 Sachen. —
Und jezt wil ichs auch thun. Alle meine hieſigen Blumenketten ſind
noch unzerriſſen. Ich wolte, der Teufel hätte mich nie nach Leipzig 30
geholt. — Lebe wohl und beſorge, daß geſchrieben wird. — Den 1 B.
v. Titan wil ich in Hof wieder überfahren 〈übertünchen〉 und da-
laſſen. —
R.
218. An Böttiger.
[Weimar, Ende Febr. oder Anfang März 1799] 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/175>, abgerufen am 26.06.2024.
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