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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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den ganzen Baum ergreift und nicht diesen sondern wie ein Erdbeben
den Boden stat des Baumes schüttelt -- dieser verhült sich hinter
Scherz seine höhern Wünsche und seine Überlegenheit über das Jahr-
hundert; und eine höhere Stimme mus ewig in ihm rufen: "ich bin
"nicht an meinem Ort, nicht in meiner Zeit, und meine Wünsche sind5
"nicht nur versagt, sondern auch verhült." --

Vergeben Sie was poetisch hier scheint; aber meine Meinung ist es[110]
weit mehr als meine Sprache. --

Prosaisch genug ist die Bitte, die ich jezt an Sie zu thun wage: daß
Sie mir -- (oder wenn Ihre Geschäfte es verbieten, so ersuch' ich Sie,10
die ganze Bitte an Lieutenant Lichtenberg zu senden) -- Ein altes
Repositorium kaufen und Ein neues bestellen lassen. Das neue -- das
kein Bücher- sondern nur ein Papierbret sein sol -- wird so lang
<hoch> als die beiliegende gelbe Schnur, so breit als der weisse
Faden, und der Zwischenraum der Fächer wird überal, oben und15
unten, nicht weiter als der schwarze Faden besagt. Verzeihen Sie
dieses Linienblat; was nahe, und was immer wirkt, das wird zulezt,
und wär' es ein Bücherbret, almächtig.

Noch einmal! Vergeben Sie. Alle Ihre Lieben um Sie seien ge-
grüsset und glüklich und der Genius, den ich geschildert habe! --20

Jean Paul Fr. Richter
132. An Friederike Otto.
[Kopie]

Wie wohl mein Leben wild durch einander fuhr. Unsere Liebe wird
grösser werden durch jede Veränderung. Welche neu blühende Gänge25
der Liebe öfnet nicht jede Zukunft unserm träumenden Auge! Wir
können keine Liebe zu einander [?] haben, welche bleibt, sondern eine,
die wächst.

133. An Amöne Herold.
30

Meine Amöne! Ihre Briefe werden immer mehr zu Lautensaiten
und Lautentönen. O gerade nach der Lesung Ihres lezten hätt' ich
neben Ihnen in Hofek vor Bergen und Thälern stehen mögen; ich hätte
jenen Nachmittag wiederfodern mögen, wo wir in ruhiger befestigter
Freundschaft nebeneinander auf dem Felsen in das knospende Thal und35

den ganzen Baum ergreift und nicht dieſen ſondern wie ein Erdbeben
den Boden ſtat des Baumes ſchüttelt — dieſer verhült ſich hinter
Scherz ſeine höhern Wünſche und ſeine Überlegenheit über das Jahr-
hundert; und eine höhere Stimme mus ewig in ihm rufen: „ich bin
„nicht an meinem Ort, nicht in meiner Zeit, und meine Wünſche ſind5
„nicht nur verſagt, ſondern auch verhült.“ —

Vergeben Sie was poetiſch hier ſcheint; aber meine Meinung iſt es[110]
weit mehr als meine Sprache. —

Proſaiſch genug iſt die Bitte, die ich jezt an Sie zu thun wage: daß
Sie mir — (oder wenn Ihre Geſchäfte es verbieten, ſo erſuch’ ich Sie,10
die ganze Bitte an Lieutenant Lichtenberg zu ſenden) — Ein altes
Repoſitorium kaufen und Ein neues beſtellen laſſen. Das neue — das
kein Bücher- ſondern nur ein Papierbret ſein ſol — wird ſo lang
<hoch> als die beiliegende gelbe Schnur, ſo breit als der weiſſe
Faden, und der Zwiſchenraum der Fächer wird überal, oben und15
unten, nicht weiter als der ſchwarze Faden beſagt. Verzeihen Sie
dieſes Linienblat; was nahe, und was immer wirkt, das wird zulezt,
und wär’ es ein Bücherbret, almächtig.

Noch einmal! Vergeben Sie. Alle Ihre Lieben um Sie ſeien ge-
grüſſet und glüklich und der Genius, den ich geſchildert habe! —20

Jean Paul Fr. Richter
132. An Friederike Otto.
[Kopie]

Wie wohl mein Leben wild durch einander fuhr. Unſere Liebe wird
gröſſer werden durch jede Veränderung. Welche neu blühende Gänge25
der Liebe öfnet nicht jede Zukunft unſerm träumenden Auge! Wir
können keine Liebe zu einander [?] haben, welche bleibt, ſondern eine,
die wächſt.

133. An Amöne Herold.
30

Meine Amöne! Ihre Briefe werden immer mehr zu Lautenſaiten
und Lautentönen. O gerade nach der Leſung Ihres lezten hätt’ ich
neben Ihnen in Hofek vor Bergen und Thälern ſtehen mögen; ich hätte
jenen Nachmittag wiederfodern mögen, wo wir in ruhiger befeſtigter
Freundſchaft nebeneinander auf dem Felſen in das knoſpende Thal und35

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[101/0110] den ganzen Baum ergreift und nicht dieſen ſondern wie ein Erdbeben den Boden ſtat des Baumes ſchüttelt — dieſer verhült ſich hinter Scherz ſeine höhern Wünſche und ſeine Überlegenheit über das Jahr- hundert; und eine höhere Stimme mus ewig in ihm rufen: „ich bin „nicht an meinem Ort, nicht in meiner Zeit, und meine Wünſche ſind 5 „nicht nur verſagt, ſondern auch verhült.“ — Vergeben Sie was poetiſch hier ſcheint; aber meine Meinung iſt es weit mehr als meine Sprache. — [110] Proſaiſch genug iſt die Bitte, die ich jezt an Sie zu thun wage: daß Sie mir — (oder wenn Ihre Geſchäfte es verbieten, ſo erſuch’ ich Sie, 10 die ganze Bitte an Lieutenant Lichtenberg zu ſenden) — Ein altes Repoſitorium kaufen und Ein neues beſtellen laſſen. Das neue — das kein Bücher- ſondern nur ein Papierbret ſein ſol — wird ſo lang <hoch> als die beiliegende gelbe Schnur, ſo breit als der weiſſe Faden, und der Zwiſchenraum der Fächer wird überal, oben und 15 unten, nicht weiter als der ſchwarze Faden beſagt. Verzeihen Sie dieſes Linienblat; was nahe, und was immer wirkt, das wird zulezt, und wär’ es ein Bücherbret, almächtig. Noch einmal! Vergeben Sie. Alle Ihre Lieben um Sie ſeien ge- grüſſet und glüklich und der Genius, den ich geſchildert habe! — 20 Jean Paul Fr. Richter 132. An Friederike Otto. [Leipzig, 2. Okt. 1798] Wie wohl mein Leben wild durch einander fuhr. Unſere Liebe wird gröſſer werden durch jede Veränderung. Welche neu blühende Gänge 25 der Liebe öfnet nicht jede Zukunft unſerm träumenden Auge! Wir können keine Liebe zu einander [?] haben, welche bleibt, ſondern eine, die wächſt. 133. An Amöne Herold. Leipzig d. 2 Oct. 98. 30 Meine Amöne! Ihre Briefe werden immer mehr zu Lautenſaiten und Lautentönen. O gerade nach der Leſung Ihres lezten hätt’ ich neben Ihnen in Hofek vor Bergen und Thälern ſtehen mögen; ich hätte jenen Nachmittag wiederfodern mögen, wo wir in ruhiger befeſtigter Freundſchaft nebeneinander auf dem Felſen in das knoſpende Thal und 35

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/110>, abgerufen am 09.11.2024.