-- Und hab' ich dir nun etwas schöners zu wünschen, Renate, als diesen Geburtstagswunsch deiner Tochter und daß du und sie und dein Christoph in eine Einzige Umarmung freudetrunken an einander sinken! -- Und wo ich dan auch wäre, würd' ich die schöne Stunde schweigend feiern. --5
Richter
[307]553. An Heuriette von Schuckmann in Bayreuth.
[Kopie][Hof, 13. März 1797]
Ihre Briefe bringen immer ausser dem Honig noch einen Stachel mit, den auch die Blume, aus deren Nektarien sie jenen bekommen, an sich10 hat. Ich liebe die Briefe so sehr, daß ich den Sinesern gleiche, bei denen Gelb die ausschliess[ende] kaiserliche [?] Farbe ist, so schäz' ich das Post- gelb; ich lasse einen Brief lang auf dem Schreibtisch liegen, um seinen Verfasser zu vergessen und mir 1/2 Terzie lang weiszumachen, er gehöre an mich [?]. Wozu sollen die Abbreviaturen unsrer gallischen Dialogen15 in unsre Briefe? Ich sehe nicht, warum man eine Sache anfängt, wenn man sie nicht endigen wil und warum man den Brunnen der Wahrheit nicht mehr ausschöpfen sondern nur wie Wasserinsekten befahren wil? Ungleich den Bienen, trag' ich im Winter auf den Sommer ein und spare mir kurze Tage zusammen um lange zu geniessen. Ihr[e]20 Freund[in] solte weiter keine Flügel gebraucht haben als geistige und mit den leuchtenden Weltkörpern auch die Unbeweglichkeit gemein haben.
554. An Präsident von Schuckmann in Bayreuth.
[Kopie][Hof, 13. März 1797]
Ich kan Ihnen nicht wünschen, was Sie lieben -- das wäre Arbeiten25 -- sondern das, was Sie vergessen -- Erholung. -- Drukpresse zur Glanzpresse.
555. An Christian Otto.
[Hof, 13. März 1797]
Neulich gos ich die Brief-Chaluppe in die Brief-Arche nud da fiel30 zufällig das erste Blat mit hinein. Dieses Blat und die begehrten Briefe wil ich nun aus dem Ozean zurükfischen, d. h. aus 1000 etc. unter- einander gewühlten Briefen. Habe nur Geduld; du müstest sie denn heute brauchen.
— Und hab’ ich dir nun etwas ſchöners zu wünſchen, Renate, als dieſen Geburtstagswunſch deiner Tochter und daß du und ſie und dein Chriſtoph in eine Einzige Umarmung freudetrunken an einander ſinken! — Und wo ich dan auch wäre, würd’ ich die ſchöne Stunde ſchweigend feiern. —5
Richter
[307]553. An Heuriette von Schuckmann in Bayreuth.
[Kopie][Hof, 13. März 1797]
Ihre Briefe bringen immer auſſer dem Honig noch einen Stachel mit, den auch die Blume, aus deren Nektarien ſie jenen bekommen, an ſich10 hat. Ich liebe die Briefe ſo ſehr, daß ich den Sineſern gleiche, bei denen Gelb die ausſchlieſſ[ende] kaiſerliche [?] Farbe iſt, ſo ſchäz’ ich das Poſt- gelb; ich laſſe einen Brief lang auf dem Schreibtiſch liegen, um ſeinen Verfaſſer zu vergeſſen und mir ½ Terzie lang weiszumachen, er gehöre an mich [?]. Wozu ſollen die Abbreviaturen unſrer galliſchen Dialogen15 in unſre Briefe? Ich ſehe nicht, warum man eine Sache anfängt, wenn man ſie nicht endigen wil und warum man den Brunnen der Wahrheit nicht mehr ausſchöpfen ſondern nur wie Waſſerinſekten befahren wil? Ungleich den Bienen, trag’ ich im Winter auf den Sommer ein und ſpare mir kurze Tage zuſammen um lange zu genieſſen. Ihr[e]20 Freund[in] ſolte weiter keine Flügel gebraucht haben als geiſtige und mit den leuchtenden Weltkörpern auch die Unbeweglichkeit gemein haben.
554. An Präſident von Schuckmann in Bayreuth.
[Kopie][Hof, 13. März 1797]
Ich kan Ihnen nicht wünſchen, was Sie lieben — das wäre Arbeiten25 — ſondern das, was Sie vergeſſen — Erholung. — Drukpreſſe zur Glanzpreſſe.
555. An Chriſtian Otto.
[Hof, 13. März 1797]
Neulich gos ich die Brief-Chaluppe in die Brief-Arche nud da fiel30 zufällig das erſte Blat mit hinein. Dieſes Blat und die begehrten Briefe wil ich nun aus dem Ozean zurükfiſchen, d. h. aus 1000 ꝛc. unter- einander gewühlten Briefen. Habe nur Geduld; du müſteſt ſie denn heute brauchen.
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— Und hab’ ich dir nun etwas ſchöners zu wünſchen, Renate, als
dieſen Geburtstagswunſch deiner Tochter und daß du und ſie und dein
Chriſtoph in eine Einzige Umarmung freudetrunken an einander ſinken!
— Und wo ich dan auch wäre, würd’ ich die ſchöne Stunde ſchweigend
feiern. — 5
Richter
553. An Heuriette von Schuckmann in Bayreuth.
[Hof, 13. März 1797]
Ihre Briefe bringen immer auſſer dem Honig noch einen Stachel mit,
den auch die Blume, aus deren Nektarien ſie jenen bekommen, an ſich 10
hat. Ich liebe die Briefe ſo ſehr, daß ich den Sineſern gleiche, bei denen
Gelb die ausſchlieſſ[ende] kaiſerliche [?] Farbe iſt, ſo ſchäz’ ich das Poſt-
gelb; ich laſſe einen Brief lang auf dem Schreibtiſch liegen, um ſeinen
Verfaſſer zu vergeſſen und mir ½ Terzie lang weiszumachen, er gehöre
an mich [?]. Wozu ſollen die Abbreviaturen unſrer galliſchen Dialogen 15
in unſre Briefe? Ich ſehe nicht, warum man eine Sache anfängt, wenn
man ſie nicht endigen wil und warum man den Brunnen der Wahrheit
nicht mehr ausſchöpfen ſondern nur wie Waſſerinſekten befahren wil?
Ungleich den Bienen, trag’ ich im Winter auf den Sommer ein und
ſpare mir kurze Tage zuſammen um lange zu genieſſen. Ihr[e] 20
Freund[in] ſolte weiter keine Flügel gebraucht haben als geiſtige und mit
den leuchtenden Weltkörpern auch die Unbeweglichkeit gemein haben.
554. An Präſident von Schuckmann in Bayreuth.
[Hof, 13. März 1797]
Ich kan Ihnen nicht wünſchen, was Sie lieben — das wäre Arbeiten 25
— ſondern das, was Sie vergeſſen — Erholung. — Drukpreſſe zur
Glanzpreſſe.
555. An Chriſtian Otto.
[Hof, 13. März 1797]
Neulich gos ich die Brief-Chaluppe in die Brief-Arche nud da fiel 30
zufällig das erſte Blat mit hinein. Dieſes Blat und die begehrten
Briefe wil ich nun aus dem Ozean zurükfiſchen, d. h. aus 1000 ꝛc. unter-
einander gewühlten Briefen. Habe nur Geduld; du müſteſt ſie denn
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
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Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/321>, abgerufen am 30.07.2024.
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