weniger Zeit und geniesse mehr Lohn, weil ich Sie dan nicht blos anreden sondern auch ansehen kan. Meine Weimarsche Geschichte ist die eines Papillons: ein Leben auf Blumenblättern, keines auf papiernen. Ich war und trank und as und blieb und sprach und genos bei allen grossen Menschen in Weimar und bei allen schönen: von der5 Herzogin-Mutter und von Herder und Goethe an bis durch alle Weiber und Männer von doppeltem Adel hindurch, nämlich den der Kultur eingerechnet. Da mich alle gelesen und erwartet hatten: so übertraf die liebende Aufnahme nicht nur meine Verdienste sondern auch meine Hofnungen. -- Kurz mir war alle Tage so -- und mich10 wundert nichts als daß ich mich nicht verliebet habe -- wie mir bei Ihnen von 8 Uhr bis 11 Uhr war. --
Aus diesem Tempe-Thal kam ich nun hier vor einem Berg von Geschäften an; ich hatte wegen der neuen Bekantschaften nicht blos neue Briefe sondern auch neue litterarische Arbeiten zu machen. Ich15 habe daher noch niemand unter den alten Bekanten geschrieben als[224] Ihnen: entschuldigen Sie bei Ahlefeld mein Schweigen, wenn Sie es nicht nachahmen. Ich wolte lieber, ich hätte an meiner linken Hand die seine und könte so nach Bayreuth gehen und die Ihrige in die rechte nehmen. Meine Reise hat mir viele Vorurtheile und Fehler20 genommen und dafür die Hofnung gegeben, Hof bald zu räumen (nämlich auf Intervalle). -- Für Ihre Reisebeschreibung, die ich leider mit keiner erwiedere, dankt Ihnen mein Herz: Ihr kunstloses und gefühlvolles, festes und schönes wirft darin seine Wärme in jedes fremde. -- Das Schiksal bringe Sie, Theuere, geheilt und froh25 zurük! -- -- Ihre Ankunft wird die meinige nach Bayreuth be- schleunigen. Ach die Ihrige in Hof hoff ich nicht mehr; obgleich mein Wunsch wäre daß Sie vom nahen Markte etwas brauchten und es also selber kauften, und wärens nur Wünsche von mir für Sie: Ihre Seele und Ihre Schreibfeder vergesse Ihren Freund30
Richter nicht!
361. An Christian Otto.
[Hof, 25. Juli 1796]
Sei so gut und schicke mir den Kropf[ischen] Brief zum Zurük- schicken. Auch leihe mir, wenn sie bei der Hand sind, meine 4 Wei-35 marschen Briefe.
15 Jean Paul Briefe. II.
weniger Zeit und genieſſe mehr Lohn, weil ich Sie dan nicht blos anreden ſondern auch anſehen kan. Meine Weimarſche Geſchichte iſt die eines Papillons: ein Leben auf Blumenblättern, keines auf papiernen. Ich war und trank und as und blieb und ſprach und genos bei allen groſſen Menſchen in Weimar und bei allen ſchönen: von der5 Herzogin-Mutter und von Herder und Goethe an bis durch alle Weiber und Männer von doppeltem Adel hindurch, nämlich den der Kultur eingerechnet. Da mich alle geleſen und erwartet hatten: ſo übertraf die liebende Aufnahme nicht nur meine Verdienſte ſondern auch meine Hofnungen. — Kurz mir war alle Tage ſo — und mich10 wundert nichts als daß ich mich nicht verliebet habe — wie mir bei Ihnen von 8 Uhr bis 11 Uhr war. —
Aus dieſem Tempe-Thal kam ich nun hier vor einem Berg von Geſchäften an; ich hatte wegen der neuen Bekantſchaften nicht blos neue Briefe ſondern auch neue litterariſche Arbeiten zu machen. Ich15 habe daher noch niemand unter den alten Bekanten geſchrieben als[224] Ihnen: entſchuldigen Sie bei Ahlefeld mein Schweigen, wenn Sie es nicht nachahmen. Ich wolte lieber, ich hätte an meiner linken Hand die ſeine und könte ſo nach Bayreuth gehen und die Ihrige in die rechte nehmen. Meine Reiſe hat mir viele Vorurtheile und Fehler20 genommen und dafür die Hofnung gegeben, Hof bald zu räumen (nämlich auf Intervalle). — Für Ihre Reiſebeſchreibung, die ich leider mit keiner erwiedere, dankt Ihnen mein Herz: Ihr kunſtloſes und gefühlvolles, feſtes und ſchönes wirft darin ſeine Wärme in jedes fremde. — Das Schikſal bringe Sie, Theuere, geheilt und froh25 zurük! — — Ihre Ankunft wird die meinige nach Bayreuth be- ſchleunigen. Ach die Ihrige in Hof hoff ich nicht mehr; obgleich mein Wunſch wäre daß Sie vom nahen Markte etwas brauchten und es alſo ſelber kauften, und wärens nur Wünſche von mir für Sie: Ihre Seele und Ihre Schreibfeder vergeſſe Ihren Freund30
Richter nicht!
361. An Chriſtian Otto.
[Hof, 25. Juli 1796]
Sei ſo gut und ſchicke mir den Kropf[iſchen] Brief zum Zurük- ſchicken. Auch leihe mir, wenn ſie bei der Hand ſind, meine 4 Wei-35 marſchen Briefe.
15 Jean Paul Briefe. II.
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[225/0239]
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anreden ſondern auch anſehen kan. Meine Weimarſche Geſchichte iſt
die eines Papillons: ein Leben auf Blumenblättern, keines auf
papiernen. Ich war und trank und as und blieb und ſprach und genos
bei allen groſſen Menſchen in Weimar und bei allen ſchönen: von der 5
Herzogin-Mutter und von Herder und Goethe an bis durch alle
Weiber und Männer von doppeltem Adel hindurch, nämlich den der
Kultur eingerechnet. Da mich alle geleſen und erwartet hatten: ſo
übertraf die liebende Aufnahme nicht nur meine Verdienſte ſondern
auch meine Hofnungen. — Kurz mir war alle Tage ſo — und mich 10
wundert nichts als daß ich mich nicht verliebet habe — wie mir bei
Ihnen von 8 Uhr bis 11 Uhr war. —
Aus dieſem Tempe-Thal kam ich nun hier vor einem Berg von
Geſchäften an; ich hatte wegen der neuen Bekantſchaften nicht blos
neue Briefe ſondern auch neue litterariſche Arbeiten zu machen. Ich 15
habe daher noch niemand unter den alten Bekanten geſchrieben als
Ihnen: entſchuldigen Sie bei Ahlefeld mein Schweigen, wenn Sie es
nicht nachahmen. Ich wolte lieber, ich hätte an meiner linken Hand
die ſeine und könte ſo nach Bayreuth gehen und die Ihrige in die
rechte nehmen. Meine Reiſe hat mir viele Vorurtheile und Fehler 20
genommen und dafür die Hofnung gegeben, Hof bald zu räumen
(nämlich auf Intervalle). — Für Ihre Reiſebeſchreibung, die ich
leider mit keiner erwiedere, dankt Ihnen mein Herz: Ihr kunſtloſes
und gefühlvolles, feſtes und ſchönes wirft darin ſeine Wärme in
jedes fremde. — Das Schikſal bringe Sie, Theuere, geheilt und froh 25
zurük! — — Ihre Ankunft wird die meinige nach Bayreuth be-
ſchleunigen. Ach die Ihrige in Hof hoff ich nicht mehr; obgleich mein
Wunſch wäre daß Sie vom nahen Markte etwas brauchten und es alſo
ſelber kauften, und wärens nur Wünſche von mir für Sie: Ihre Seele
und Ihre Schreibfeder vergeſſe Ihren Freund 30
[224]Richter nicht!
361. An Chriſtian Otto.
[Hof, 25. Juli 1796]
Sei ſo gut und ſchicke mir den Kropf[iſchen] Brief zum Zurük-
ſchicken. Auch leihe mir, wenn ſie bei der Hand ſind, meine 4 Wei- 35
marſchen Briefe.
15 Jean Paul Briefe. II.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/239>, abgerufen am 21.11.2024.
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