Herold kömt wahrscheinlich zu einerlei Zeit mit diesem Brief nach Bayreuth.
Ihr ewiger Freund Richter
N. S. Den Tag und die Dauer meiner Reise kan ich des Wetters5 wegen und meiner Narheit wegen nicht bestimmen. Ich erwarte alle Vergnügungen vom Zufal. Wenn ich geniessen mus: so entbehr' ich. Wenn ich mein Ehren- und nicht mein Psevdo-Wort gegeben habe, zum Essen zu kommen: so möcht' ich lieber fasten. Unsere moralischen Handlungen stehen unter der Gewissens Subordinazion: warum sollen10 uns nicht einmal die Vergnügungen frei bleiben? Und doch haben die wahnsinnigen Menschen ihre Freuden, Gastmäler, Lustfarthen etc. in Frohndienste verkehrt. Adieu!
2. Pstpt. Streichen Sie in Ihren Briefen aus was Sie wollen; auch das gehört zum Freiheitsbaum der Seele, den leider aller Teufel15 entblättert, beschneidet und köpft.
292. An Christian Otto.
[Hof, 22. April 1796]
Hier ist die älteste und neueste Ausgabe. -- Amöne hat einen grossen Korb geschikt und die verklärten Montierungsstücke holen lassen. Ich20 sorge, meine Mutterzwiebel treibt 100 neue in allen Gassen auf.
293. An Professor Becker in Dresden.
[Kopie][Hof, 22. April 1796]
Ich sende Ihnen ein Mitternachtsstük mit dem rothen Streifen des nahen Morgens. Ich weis nicht, ob sich mit Ihren Geschäften meine25 [Bitte] um ein kleine Nachricht von dessen Schiksal verträgt. Ein andres Blat hatt' ich grundiert, lies mich indes durch andre Geschäfte wegrufen, weil es zu lang ist um neben Nachbarn in 1 Viertelj[ahr] zu stehen. Ich wünsche, daß Sie den Unterschied des Titels und meiner Beiträge nicht zu gros finden.30
[178]294. An Friedrich von Oertel in Leipzig.
[Kopie][Hof, 22. April 1796]
Seine Sachen gehören unter das Mittelmehl und er unter die Kleien. Aber solche Ephraimiten gelten gerade in der Judengasse des Publi-
Herold kömt wahrſcheinlich zu einerlei Zeit mit dieſem Brief nach Bayreuth.
Ihr ewiger Freund Richter
N. S. Den Tag und die Dauer meiner Reiſe kan ich des Wetters5 wegen und meiner Narheit wegen nicht beſtimmen. Ich erwarte alle Vergnügungen vom Zufal. Wenn ich genieſſen mus: ſo entbehr’ ich. Wenn ich mein Ehren- und nicht mein Pſevdo-Wort gegeben habe, zum Eſſen zu kommen: ſo möcht’ ich lieber faſten. Unſere moraliſchen Handlungen ſtehen unter der Gewiſſens Subordinazion: warum ſollen10 uns nicht einmal die Vergnügungen frei bleiben? Und doch haben die wahnſinnigen Menſchen ihre Freuden, Gaſtmäler, Luſtfarthen ꝛc. in Frohndienſte verkehrt. Adieu!
2. Pſtpt. Streichen Sie in Ihren Briefen aus was Sie wollen; auch das gehört zum Freiheitsbaum der Seele, den leider aller Teufel15 entblättert, beſchneidet und köpft.
292. An Chriſtian Otto.
[Hof, 22. April 1796]
Hier iſt die älteſte und neueſte Ausgabe. — Amöne hat einen groſſen Korb geſchikt und die verklärten Montierungsſtücke holen laſſen. Ich20 ſorge, meine Mutterzwiebel treibt 100 neue in allen Gaſſen auf.
293. An Profeſſor Becker in Dresden.
[Kopie][Hof, 22. April 1796]
Ich ſende Ihnen ein Mitternachtsſtük mit dem rothen Streifen des nahen Morgens. Ich weis nicht, ob ſich mit Ihren Geſchäften meine25 [Bitte] um ein kleine Nachricht von deſſen Schikſal verträgt. Ein andres Blat hatt’ ich grundiert, lies mich indes durch andre Geſchäfte wegrufen, weil es zu lang iſt um neben Nachbarn in 1 Viertelj[ahr] zu ſtehen. Ich wünſche, daß Sie den Unterſchied des Titels und meiner Beiträge nicht zu gros finden.30
[178]294. An Friedrich von Oertel in Leipzig.
[Kopie][Hof, 22. April 1796]
Seine Sachen gehören unter das Mittelmehl und er unter die Kleien. Aber ſolche Ephraimiten gelten gerade in der Judengaſſe des Publi-
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[180/0193]
Herold kömt wahrſcheinlich zu einerlei Zeit mit dieſem Brief nach
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Ihr ewiger Freund
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N. S. Den Tag und die Dauer meiner Reiſe kan ich des Wetters 5
wegen und meiner Narheit wegen nicht beſtimmen. Ich erwarte alle
Vergnügungen vom Zufal. Wenn ich genieſſen mus: ſo entbehr’ ich.
Wenn ich mein Ehren- und nicht mein Pſevdo-Wort gegeben habe,
zum Eſſen zu kommen: ſo möcht’ ich lieber faſten. Unſere moraliſchen
Handlungen ſtehen unter der Gewiſſens Subordinazion: warum ſollen 10
uns nicht einmal die Vergnügungen frei bleiben? Und doch haben
die wahnſinnigen Menſchen ihre Freuden, Gaſtmäler, Luſtfarthen ꝛc.
in Frohndienſte verkehrt. Adieu!
2. Pſtpt. Streichen Sie in Ihren Briefen aus was Sie wollen;
auch das gehört zum Freiheitsbaum der Seele, den leider aller Teufel 15
entblättert, beſchneidet und köpft.
292. An Chriſtian Otto.
[Hof, 22. April 1796]
Hier iſt die älteſte und neueſte Ausgabe. — Amöne hat einen groſſen
Korb geſchikt und die verklärten Montierungsſtücke holen laſſen. Ich 20
ſorge, meine Mutterzwiebel treibt 100 neue in allen Gaſſen auf.
293. An Profeſſor Becker in Dresden.
[Hof, 22. April 1796]
Ich ſende Ihnen ein Mitternachtsſtük mit dem rothen Streifen des
nahen Morgens. Ich weis nicht, ob ſich mit Ihren Geſchäften meine 25
[Bitte] um ein kleine Nachricht von deſſen Schikſal verträgt. Ein
andres Blat hatt’ ich grundiert, lies mich indes durch andre Geſchäfte
wegrufen, weil es zu lang iſt um neben Nachbarn in 1 Viertelj[ahr] zu
ſtehen. Ich wünſche, daß Sie den Unterſchied des Titels und meiner
Beiträge nicht zu gros finden. 30
294. An Friedrich von Oertel in Leipzig.
[Hof, 22. April 1796]
Seine Sachen gehören unter das Mittelmehl und er unter die Kleien.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/193>, abgerufen am 30.07.2024.
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