hungern): so lange bleibt die Menschheit ein elender niedriger ängst- licher Schwarm, aus dem nur einzelne moralische Halbgötter vorragen und den alles Predigen und Erziehen nur veränderlich, aber nicht gut macht. -- Ich müste hier so viel Papier als im Hesperus ist, vor mir haben um alles zu beweisen. -- Die 2 Briefe und 2 Exemplare geben5 Sie gütigst an die Behörden; und nehmen das 3te selber. -- Wolten Sie mir nicht einmal ein Epigram von einem gewissen H. v. Rosenthal oder wie er heisset schicken? -- Leben Sie ewig wol, Sie, der Sie wie ich der Erziehung gewis nicht alles zu danken haben was Sie sind.
Ihr Freund10 Richter
196. An Dr. Ellrodt in Bayreuth.
[Kopie][Hof, 18. Nov. 1795]
Hier haben Sie eine kleine Insel, die der Meersgrund meiner Seele ins Freie heraufgetrieben: möge sie, da sie keine Gewürzinsel ist, für15 Sie doch mehr Blumen als Schaalthiere haben. Mit einem Autor wohnt der Leser auf einem südlichen Eiland der Phantasie so zu- sammen wie mit Freitag Robinson auf seinem. Ich werde mir gern von Ihnen in die Seele schauen lassen -- -- das schöne Elysium der Phantasie wird uns immer verbunden halten und wenn der Traum20 nied[er?] ist, sind wir noch beisammen .. Mich umwehen immer so vielerlei Winde. -- Man mus unter der Kritik sein, um gegen sie zu sein. -- Es that mir freundsch[aftlich] mit wehe, daß die schöne Perspektive einer hellen Zukunft sich Ihnen, wie alle Alleen thun, nicht so wol entzog als doch näher gezeigt als sie war. -- Mir schlug nie in25 meinem Leben eine Hofnung fehl, die mir nicht einige Jahre darauf im Licht einer Besorgnis erschienen wäre. Der enge Erdensohn, der[128] nicht den Muth hätte, das Wetter eines Sommers als Vikariatsgot zu machen, erdreistet sich das Wetter eines ganzen Menschenlebens, an dessen Leitung das Geschik einer Nachwelt hängt, entwerfen zu wollen.30 -- Er betrauert andre, als gäb' es keine Zukunft dort, und sich, als gäb' es keine hier. Alle unsre Leidenschaften sind Ungläubige und Gottes- läugner. Der Himmel, der Ihnen den Weg zu Ihrer Ruhe länger zeichnet, umgebe das Ende desselben mit schönen Ruhepläzen und mit Frühlingprospekten und bewahre Ihnen die hohe Festigkeit im Mis-35 geschik, die in der Freundschaft gegen Sie immer behaupten wird etc.
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hungern): ſo lange bleibt die Menſchheit ein elender niedriger ängſt- licher Schwarm, aus dem nur einzelne moraliſche Halbgötter vorragen und den alles Predigen und Erziehen nur veränderlich, aber nicht gut macht. — Ich müſte hier ſo viel Papier als im Hesperus iſt, vor mir haben um alles zu beweiſen. — Die 2 Briefe und 2 Exemplare geben5 Sie gütigſt an die Behörden; und nehmen das 3te ſelber. — Wolten Sie mir nicht einmal ein Epigram von einem gewiſſen H. v. Roſenthal oder wie er heiſſet ſchicken? — Leben Sie ewig wol, Sie, der Sie wie ich der Erziehung gewis nicht alles zu danken haben was Sie ſind.
Ihr Freund10 Richter
196. An Dr. Ellrodt in Bayreuth.
[Kopie][Hof, 18. Nov. 1795]
Hier haben Sie eine kleine Inſel, die der Meersgrund meiner Seele ins Freie heraufgetrieben: möge ſie, da ſie keine Gewürzinſel iſt, für15 Sie doch mehr Blumen als Schaalthiere haben. Mit einem Autor wohnt der Leſer auf einem ſüdlichen Eiland der Phantaſie ſo zu- ſammen wie mit Freitag Robinſon auf ſeinem. Ich werde mir gern von Ihnen in die Seele ſchauen laſſen — — das ſchöne Elyſium der Phantaſie wird uns immer verbunden halten und wenn der Traum20 nied[er?] iſt, ſind wir noch beiſammen .. Mich umwehen immer ſo vielerlei Winde. — Man mus unter der Kritik ſein, um gegen ſie zu ſein. — Es that mir freundſch[aftlich] mit wehe, daß die ſchöne Perſpektive einer hellen Zukunft ſich Ihnen, wie alle Alleen thun, nicht ſo wol entzog als doch näher gezeigt als ſie war. — Mir ſchlug nie in25 meinem Leben eine Hofnung fehl, die mir nicht einige Jahre darauf im Licht einer Beſorgnis erſchienen wäre. Der enge Erdenſohn, der[128] nicht den Muth hätte, das Wetter eines Sommers als Vikariatsgot zu machen, erdreiſtet ſich das Wetter eines ganzen Menſchenlebens, an deſſen Leitung das Geſchik einer Nachwelt hängt, entwerfen zu wollen.30 — Er betrauert andre, als gäb’ es keine Zukunft dort, und ſich, als gäb’ es keine hier. Alle unſre Leidenſchaften ſind Ungläubige und Gottes- läugner. Der Himmel, der Ihnen den Weg zu Ihrer Ruhe länger zeichnet, umgebe das Ende deſſelben mit ſchönen Ruhepläzen und mit Frühlingproſpekten und bewahre Ihnen die hohe Feſtigkeit im Mis-35 geſchik, die in der Freundſchaft gegen Sie immer behaupten wird ꝛc.
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und den alles Predigen und Erziehen nur veränderlich, aber nicht gut
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haben um alles zu beweiſen. — Die 2 Briefe und 2 Exemplare geben 5
Sie gütigſt an die Behörden; und nehmen das 3te ſelber. — Wolten
Sie mir nicht einmal ein Epigram von einem gewiſſen H. v. Roſenthal
oder wie er heiſſet ſchicken? — Leben Sie ewig wol, Sie, der Sie wie
ich der Erziehung gewis nicht alles zu danken haben was Sie ſind.
Ihr Freund 10
Richter
196. An Dr. Ellrodt in Bayreuth.
[Hof, 18. Nov. 1795]
Hier haben Sie eine kleine Inſel, die der Meersgrund meiner Seele
ins Freie heraufgetrieben: möge ſie, da ſie keine Gewürzinſel iſt, für 15
Sie doch mehr Blumen als Schaalthiere haben. Mit einem Autor
wohnt der Leſer auf einem ſüdlichen Eiland der Phantaſie ſo zu-
ſammen wie mit Freitag Robinſon auf ſeinem. Ich werde mir gern
von Ihnen in die Seele ſchauen laſſen — — das ſchöne Elyſium der
Phantaſie wird uns immer verbunden halten und wenn der Traum 20
nied[er?] iſt, ſind wir noch beiſammen .. Mich umwehen immer ſo
vielerlei Winde. — Man mus unter der Kritik ſein, um gegen ſie zu
ſein. — Es that mir freundſch[aftlich] mit wehe, daß die ſchöne
Perſpektive einer hellen Zukunft ſich Ihnen, wie alle Alleen thun, nicht
ſo wol entzog als doch näher gezeigt als ſie war. — Mir ſchlug nie in 25
meinem Leben eine Hofnung fehl, die mir nicht einige Jahre darauf
im Licht einer Beſorgnis erſchienen wäre. Der enge Erdenſohn, der
nicht den Muth hätte, das Wetter eines Sommers als Vikariatsgot zu
machen, erdreiſtet ſich das Wetter eines ganzen Menſchenlebens, an
deſſen Leitung das Geſchik einer Nachwelt hängt, entwerfen zu wollen. 30
— Er betrauert andre, als gäb’ es keine Zukunft dort, und ſich, als gäb’
es keine hier. Alle unſre Leidenſchaften ſind Ungläubige und Gottes-
läugner. Der Himmel, der Ihnen den Weg zu Ihrer Ruhe länger
zeichnet, umgebe das Ende deſſelben mit ſchönen Ruhepläzen und mit
Frühlingproſpekten und bewahre Ihnen die hohe Feſtigkeit im Mis- 35
geſchik, die in der Freundſchaft gegen Sie immer behaupten wird ꝛc.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:02:06Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 2. Berlin, 1958, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe02_1958/142>, abgerufen am 22.11.2024.
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