allein manche Dinge lassen sich besser schreiben als sagen und Sie werden die Ursache meines Stilschweigens sogleich erraten, wenn Sie den Gegenstand desselben kennen lernen werden. Nämlich die Vol- endung des 2. Teils meines Buchs, die ich Ihnen schon auf Ostern versprach, verzieht sich bis zum Augustmonat. Die Ursache davon5 sagte ich Ihnen gestern; die Folgen davon wil ich iezt sagen. Ihr grön- ländischer Advokat, so arm wie ein Grönländer, richtete sein Haushalten in nuce, nach seinem obigen Versprechen ein und rechnete bei der Aufzerung des empfangnen Honorars auf die Nähe des künftigen. Was bleibt ihm nun bei diesem Selbstbetruge übrig? nichts als die10 gute Wirkung dieses Briefs. Ich bitte Sie nämlich um 70 rtl. vom zukünftigen Honorar für den bessern und 10. Bogen stärkern Teil der Skizzen, um eine Reise tun zu können, oder, fals Sie eine so starke Vorausbezalung nicht wagen, wenigstens um 35 rtl. -- Ihre münd- liche Antwort auf diese Bitte werd' ich morgen selbst abholen, wo ich15 zugleich mit Ihnen mereres über den Abdruk des 2. [Teils] und meinen Entschlus, noch in diesem Jare nach Berlin zu gehen, sprechen [wil]. Können Sie mir meine Bitte nicht bewilligen, so vergessen Sie sie wenigstens; so wie ich im Gegenteil die Bewilligung derselben niemals vergessen würde.20
43. An Magister Gräfenhain in Leipzig.
[Kopie][Leipzig, 4. Juni 1783]
Ihr Billet fängt sich mit 3 Unrichtigkeiten an. Es ist keine Güte von H. Körnern, daß ich im Garten herumgehen darf: denn die Erlaubnis dazu bezale ich. Also ist es eben so wenig Güte von Ihnen gegen mich;25 vielmer war es Höflichkeit auf meiner Seite, mein Recht durch den neulichen Brief so einzuschränken. Aber gegen H. Körner sind Sie gütig, da Sie mit einem dritten den Genus dessen teilen, was Sie ganz bezalet. Die dritte Unrichtigkeit ist der Vorwurf des gebrochnen Versprechens: denn die Statüe hab' ich nicht zum Gränzstein meiner freiwilligen30 Einschränkung gemacht, sondern nur die neuliche Annäherung zu Ihrer Wonung versprach' ich zu vermeiden und ich hab' es gehalten. -- Freie Luft und Bewegung, die man beide auch in der Stube haben kan, ist weniger der Endzwek des Spaz[ierengehens] als Vergnügen an [77]Gartenschönheiten; und dieses Vergnügen wird durch den Zwang, den35 schönsten und grösten Teil des Gartens zu entberen, und im Genus
allein manche Dinge laſſen ſich beſſer ſchreiben als ſagen und Sie werden die Urſache meines Stilſchweigens ſogleich erraten, wenn Sie den Gegenſtand deſſelben kennen lernen werden. Nämlich die Vol- endung des 2. Teils meines Buchs, die ich Ihnen ſchon auf Oſtern verſprach, verzieht ſich bis zum Auguſtmonat. Die Urſache davon5 ſagte ich Ihnen geſtern; die Folgen davon wil ich iezt ſagen. Ihr grön- ländiſcher Advokat, ſo arm wie ein Grönländer, richtete ſein Haushalten in nuce, nach ſeinem obigen Verſprechen ein und rechnete bei der Aufzerung des empfangnen Honorars auf die Nähe des künftigen. Was bleibt ihm nun bei dieſem Selbſtbetruge übrig? nichts als die10 gute Wirkung dieſes Briefs. Ich bitte Sie nämlich um 70 rtl. vom zukünftigen Honorar für den beſſern und 10. Bogen ſtärkern Teil der Skizzen, um eine Reiſe tun zu können, oder, fals Sie eine ſo ſtarke Vorausbezalung nicht wagen, wenigſtens um 35 rtl. — Ihre münd- liche Antwort auf dieſe Bitte werd’ ich morgen ſelbſt abholen, wo ich15 zugleich mit Ihnen mereres über den Abdruk des 2. [Teils] und meinen Entſchlus, noch in dieſem Jare nach Berlin zu gehen, ſprechen [wil]. Können Sie mir meine Bitte nicht bewilligen, ſo vergeſſen Sie ſie wenigſtens; ſo wie ich im Gegenteil die Bewilligung derſelben niemals vergeſſen würde.20
43. An Magiſter Gräfenhain in Leipzig.
[Kopie][Leipzig, 4. Juni 1783]
Ihr Billet fängt ſich mit 3 Unrichtigkeiten an. Es iſt keine Güte von H. Körnern, daß ich im Garten herumgehen darf: denn die Erlaubnis dazu bezale ich. Alſo iſt es eben ſo wenig Güte von Ihnen gegen mich;25 vielmer war es Höflichkeit auf meiner Seite, mein Recht durch den neulichen Brief ſo einzuſchränken. Aber gegen H. Körner ſind Sie gütig, da Sie mit einem dritten den Genus deſſen teilen, was Sie ganz bezalet. Die dritte Unrichtigkeit iſt der Vorwurf des gebrochnen Verſprechens: denn die Statüe hab’ ich nicht zum Gränzſtein meiner freiwilligen30 Einſchränkung gemacht, ſondern nur die neuliche Annäherung zu Ihrer Wonung verſprach’ ich zu vermeiden und ich hab’ es gehalten. — Freie Luft und Bewegung, die man beide auch in der Stube haben kan, iſt weniger der Endzwek des Spaz[ierengehens] als Vergnügen an [77]Gartenſchönheiten; und dieſes Vergnügen wird durch den Zwang, den35 ſchönſten und gröſten Teil des Gartens zu entberen, und im Genus
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endung des 2. Teils meines Buchs, die ich Ihnen ſchon auf Oſtern
verſprach, verzieht ſich bis zum Auguſtmonat. Die Urſache davon 5
ſagte ich Ihnen geſtern; die Folgen davon wil ich iezt ſagen. Ihr grön-
ländiſcher Advokat, ſo arm wie ein Grönländer, richtete ſein Haushalten
in nuce, nach ſeinem obigen Verſprechen ein und rechnete bei der
Aufzerung des empfangnen Honorars auf die Nähe des künftigen.
Was bleibt ihm nun bei dieſem Selbſtbetruge übrig? nichts als die 10
gute Wirkung dieſes Briefs. Ich bitte Sie nämlich um 70 rtl. vom
zukünftigen Honorar für den beſſern und 10. Bogen ſtärkern Teil der
Skizzen, um eine Reiſe tun zu können, oder, fals Sie eine ſo ſtarke
Vorausbezalung nicht wagen, wenigſtens um 35 rtl. — Ihre münd-
liche Antwort auf dieſe Bitte werd’ ich morgen ſelbſt abholen, wo ich 15
zugleich mit Ihnen mereres über den Abdruk des 2. [Teils] und meinen
Entſchlus, noch in dieſem Jare nach Berlin zu gehen, ſprechen [wil].
Können Sie mir meine Bitte nicht bewilligen, ſo vergeſſen Sie ſie
wenigſtens; ſo wie ich im Gegenteil die Bewilligung derſelben niemals
vergeſſen würde. 20
43. An Magiſter Gräfenhain in Leipzig.
[Leipzig, 4. Juni 1783]
Ihr Billet fängt ſich mit 3 Unrichtigkeiten an. Es iſt keine Güte von
H. Körnern, daß ich im Garten herumgehen darf: denn die Erlaubnis
dazu bezale ich. Alſo iſt es eben ſo wenig Güte von Ihnen gegen mich; 25
vielmer war es Höflichkeit auf meiner Seite, mein Recht durch den
neulichen Brief ſo einzuſchränken. Aber gegen H. Körner ſind Sie gütig,
da Sie mit einem dritten den Genus deſſen teilen, was Sie ganz bezalet.
Die dritte Unrichtigkeit iſt der Vorwurf des gebrochnen Verſprechens:
denn die Statüe hab’ ich nicht zum Gränzſtein meiner freiwilligen 30
Einſchränkung gemacht, ſondern nur die neuliche Annäherung zu Ihrer
Wonung verſprach’ ich zu vermeiden und ich hab’ es gehalten. —
Freie Luft und Bewegung, die man beide auch in der Stube haben
kan, iſt weniger der Endzwek des Spaz[ierengehens] als Vergnügen an
Gartenſchönheiten; und dieſes Vergnügen wird durch den Zwang, den 35
ſchönſten und gröſten Teil des Gartens zu entberen, und im Genus
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/93>, abgerufen am 23.11.2024.
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