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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

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zerreist auch; wenn sie nur von Ihnen könte geflikt werden. So eine
weise [!] Halsbinde möchte ich noch haben; ich habe nur 2, und diese
tue ich alle Tage um; da mus ich alle Wochen eine waschen lassen, und
das ist sehr unbequem. -- Ich wolte Ihnen das verlangte Hembde
mitschikken: aber 1) ich weis nicht wie ich's fort bringe und 2) hilft es5
Ihnen nichts; denn man fordert es nicht von Ihnen und Sie darfen [!]
es auch nicht zurükgeben; hat ia der Riedel mehr Sachen wegge-
mauset; z. E. die zinnernen Schüsseln, welche seine Tochter fort-
getragen hat -- diese melden Sie ia mit, wenn der Riedel etwan
anfängt. -- Ich weis gar nicht warum der Pfarrer in Rehau niemals10
schreibt; ich habe ihm schon dreimal geschrieben -- er ist stum. Wenn
Sie ihn einmal sprechen; sagen Sie ihm's doch. Machen Sie dem
Hern Rektor meine Empfelung; und sagen Sie, er sol öfters schreiben,
und meinen lezten Brief beantworten. Was macht er denn? -- Halten
Sie ia meine Brüder recht zum Fleis an; was wolten sie denn an-15
fangen? Lassen Sie den Gotlieb nicht studiren; er kan ein Schreiber
werden. Hüten Sie Sich vor dem Zorn, und sehen Sie bei Ihrem
Hineinzug nach Hof, auf Ihre Gesundheit. Sein Sie ruhig, quälen
Sie Sich nicht immer mit Sorgen, lassen Sie es sein, wenn Sie auch
von dem Schurken und dem Weibsbild gekränkt werden. Ach! es komt20
vielleicht noch ein Tag, wo Ihre Feinde nicht so glüklich sind wie iezt,
und wo Sie mehr Ruhe, mehr Freude, mehr Vergnügen geniessen.
Wenn Sie eine Christin sind, und dies müssen Sie sein, warlich! so
wüste ich nicht, wie solche Sachen, die nichts als dies kurze Menschen-
leben betreffen, Ihnen soviel Unruhe machen können. Dulden Sie die25
kleinen Leiden, die Sie iezt treffen; erinnern Sie Sich alzeit [?] an den,
der auch die geringste gute Tat nicht unbelont läst, sondern auf iedes
seiner Geschöpfe mit soviel Liebe herabsieht, der für alle einen Himmel
hat, der allen einen versprochen hat, und allen einen geben wird.
Beten Sie: wenn Sie keinen Freund haben, dem Sie es klagen30
können, klagen Sie es dem Freunde aller Menschen; erwarten Sie von
dem die Hülfe, die lang verzieht aber nie aussenbleibt, und denken Sie
immer daran, daß auch alle unsre grösten Trübsalen uns nichts
anders rauben können als das Leben, und daß hernach der Tod uns die
süsse Ruhe giebt, welche uns das Leben nicht gab, daß wir hernach alle[25]35
Leiden so ruhig verschlafen, bis wir dan von diesem Schlummer an
ienem herlichen Tag erwekt werden, wo ein ofner Himmel den Frommen

zerreiſt auch; wenn ſie nur von Ihnen könte geflikt werden. So eine
weiſe [!] Halsbinde möchte ich noch haben; ich habe nur 2, und dieſe
tue ich alle Tage um; da mus ich alle Wochen eine waſchen laſſen, und
das iſt ſehr unbequem. — Ich wolte Ihnen das verlangte Hembde
mitſchikken: aber 1) ich weis nicht wie ich’s fort bringe und 2) hilft es5
Ihnen nichts; denn man fordert es nicht von Ihnen und Sie darfen [!]
es auch nicht zurükgeben; hat ia der Riedel mehr Sachen wegge-
mauſet; z. E. die zinnernen Schüſſeln, welche ſeine Tochter fort-
getragen hat — dieſe melden Sie ia mit, wenn der Riedel etwan
anfängt. — Ich weis gar nicht warum der Pfarrer in Rehau niemals10
ſchreibt; ich habe ihm ſchon dreimal geſchrieben — er iſt ſtum. Wenn
Sie ihn einmal ſprechen; ſagen Sie ihm’s doch. Machen Sie dem
Hern Rektor meine Empfelung; und ſagen Sie, er ſol öfters ſchreiben,
und meinen lezten Brief beantworten. Was macht er denn? — Halten
Sie ia meine Brüder recht zum Fleis an; was wolten ſie denn an-15
fangen? Laſſen Sie den Gotlieb nicht ſtudiren; er kan ein Schreiber
werden. Hüten Sie Sich vor dem Zorn, und ſehen Sie bei Ihrem
Hineinzug nach Hof, auf Ihre Geſundheit. Sein Sie ruhig, quälen
Sie Sich nicht immer mit Sorgen, laſſen Sie es ſein, wenn Sie auch
von dem Schurken und dem Weibsbild gekränkt werden. Ach! es komt20
vielleicht noch ein Tag, wo Ihre Feinde nicht ſo glüklich ſind wie iezt,
und wo Sie mehr Ruhe, mehr Freude, mehr Vergnügen genieſſen.
Wenn Sie eine Chriſtin ſind, und dies müſſen Sie ſein, warlich! ſo
wüſte ich nicht, wie ſolche Sachen, die nichts als dies kurze Menſchen-
leben betreffen, Ihnen ſoviel Unruhe machen können. Dulden Sie die25
kleinen Leiden, die Sie iezt treffen; erinnern Sie Sich alzeit [?] an den,
der auch die geringſte gute Tat nicht unbelont läſt, ſondern auf iedes
ſeiner Geſchöpfe mit ſoviel Liebe herabſieht, der für alle einen Himmel
hat, der allen einen verſprochen hat, und allen einen geben wird.
Beten Sie: wenn Sie keinen Freund haben, dem Sie es klagen30
können, klagen Sie es dem Freunde aller Menſchen; erwarten Sie von
dem die Hülfe, die lang verzieht aber nie auſſenbleibt, und denken Sie
immer daran, daß auch alle unſre gröſten Trübſalen uns nichts
anders rauben können als das Leben, und daß hernach der Tod uns die
ſüſſe Ruhe giebt, welche uns das Leben nicht gab, daß wir hernach alle[25]35
Leiden ſo ruhig verſchlafen, bis wir dan von dieſem Schlummer an
ienem herlichen Tag erwekt werden, wo ein ofner Himmel den Frommen

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[23/0046] zerreiſt auch; wenn ſie nur von Ihnen könte geflikt werden. So eine weiſe [!] Halsbinde möchte ich noch haben; ich habe nur 2, und dieſe tue ich alle Tage um; da mus ich alle Wochen eine waſchen laſſen, und das iſt ſehr unbequem. — Ich wolte Ihnen das verlangte Hembde mitſchikken: aber 1) ich weis nicht wie ich’s fort bringe und 2) hilft es 5 Ihnen nichts; denn man fordert es nicht von Ihnen und Sie darfen [!] es auch nicht zurükgeben; hat ia der Riedel mehr Sachen wegge- mauſet; z. E. die zinnernen Schüſſeln, welche ſeine Tochter fort- getragen hat — dieſe melden Sie ia mit, wenn der Riedel etwan anfängt. — Ich weis gar nicht warum der Pfarrer in Rehau niemals 10 ſchreibt; ich habe ihm ſchon dreimal geſchrieben — er iſt ſtum. Wenn Sie ihn einmal ſprechen; ſagen Sie ihm’s doch. Machen Sie dem Hern Rektor meine Empfelung; und ſagen Sie, er ſol öfters ſchreiben, und meinen lezten Brief beantworten. Was macht er denn? — Halten Sie ia meine Brüder recht zum Fleis an; was wolten ſie denn an- 15 fangen? Laſſen Sie den Gotlieb nicht ſtudiren; er kan ein Schreiber werden. Hüten Sie Sich vor dem Zorn, und ſehen Sie bei Ihrem Hineinzug nach Hof, auf Ihre Geſundheit. Sein Sie ruhig, quälen Sie Sich nicht immer mit Sorgen, laſſen Sie es ſein, wenn Sie auch von dem Schurken und dem Weibsbild gekränkt werden. Ach! es komt 20 vielleicht noch ein Tag, wo Ihre Feinde nicht ſo glüklich ſind wie iezt, und wo Sie mehr Ruhe, mehr Freude, mehr Vergnügen genieſſen. Wenn Sie eine Chriſtin ſind, und dies müſſen Sie ſein, warlich! ſo wüſte ich nicht, wie ſolche Sachen, die nichts als dies kurze Menſchen- leben betreffen, Ihnen ſoviel Unruhe machen können. Dulden Sie die 25 kleinen Leiden, die Sie iezt treffen; erinnern Sie Sich alzeit [?] an den, der auch die geringſte gute Tat nicht unbelont läſt, ſondern auf iedes ſeiner Geſchöpfe mit ſoviel Liebe herabſieht, der für alle einen Himmel hat, der allen einen verſprochen hat, und allen einen geben wird. Beten Sie: wenn Sie keinen Freund haben, dem Sie es klagen 30 können, klagen Sie es dem Freunde aller Menſchen; erwarten Sie von dem die Hülfe, die lang verzieht aber nie auſſenbleibt, und denken Sie immer daran, daß auch alle unſre gröſten Trübſalen uns nichts anders rauben können als das Leben, und daß hernach der Tod uns die ſüſſe Ruhe giebt, welche uns das Leben nicht gab, daß wir hernach alle 35 Leiden ſo ruhig verſchlafen, bis wir dan von dieſem Schlummer an ienem herlichen Tag erwekt werden, wo ein ofner Himmel den Frommen [25]

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/46>, abgerufen am 28.03.2024.