Jezt fang' ich erst recht an. Die Flotowin sol (Sonne und Mond wegen) der Regenbogen oder die Iris heissen. Die sanfte Iris hatte kaum die Einhändigung meines Briefs -- von dem ihr Mehringer schon abends gesagt -- erwarten können und kam sogleich dem Jean Paul nachgefahren. Sie öfnete den Brief unter 4 Augen (ihre ab-5 gerechnet) -- hatte nicht das Herz, ihn gleich zu lesen -- (a propos Ihr breites Brief-Ufer beweiset zugleich Ihre Höflichkeit und Ihre Träg- heit) -- aber sie sah jede Minute hinein -- endlich hatte sie ihn durch -- -- Sol ich Ihnen denn alles herzeichnen, mit welcher Liebe sie der Ihrigen, d. h. Ihrem Stilschweigen Vorwürfe machte -- wie schön10 ihr die Fragen nach Ihrem Befinden und die herzlichgute[n] Er- innerungen an die schönen Tage standen, die das Band der Freundschaft nahmen und es um Sie beide zogen -- und wie sie mir die halbe Lüge durch ihre Augen, in denen ich eben so gern die Freude als die Unschuld[409] zittern sehe, abgenöthigt, daß Sie bald nach Bayreuth kämen. --15 Vielleicht kömt sie bald in 5 Wochen, um Ihren Vater zu besuchen, nach Hof. -- Blos um wieder neben diesem sanften Regenbogen zu stehen, reis' ich rükwärts wieder über Bayreuth: denn da giebt sie mir (nach ihrem Versprechen) einen Brief an Sie mit. Aber ich möcht' ihr nach der ersten Freude eine zweite geben -- nämlich einen zweiten20 Brief von Ihnen. Jezt schreitet meine Bitte auf: daß Sie die Güte haben, an den guten Regenbogen am Sontage zu schreiben -- an mich auch mit -- mir beide Briefe nach Neustadt zu schicken, couver- tiert an Wernlein oder an mich mit dem blossen Beisaz: bei H. Kolla- borat[or]Wernlein abzugeben -- in diesem Briefe ihr meine tolle25 Bitte zu schreiben oder auch nicht -- damit ich beim Empfange des ihrigen etwas in Händen habe, womit ich ihn gleich bezahle. -- Wenn Sie mir nichts nach Neustadt schicken: schick' ich nichts nach Hof; aber Sie werden eine Gabe nicht versagen, bei der Sie eben so eigennüzig als uneigennüzig zu sein brauchen, weil Sie ja noch von jemand anders30 belohnet und beantwortet werden als von mir.
-- -- Vermengen Sie nicht, liebe Freundin, meinen Ton mit meinem Gefühl. Ach Sie müssen es ja so gut wissen wie ich, daß alle die Bilder der Freude, alle die Echos unserer Wünsche, die vor uns vorüber- rücken, den öden Menschen vol Seufzer und vol Wünsche nur beklem-35 men, nicht befriedigen -- daß alle die schönen, wie Gemälde unsrer Hofnungen vor uns aufgeschlagnen, Landschaften mit den Bergen, die
Jezt fang’ ich erſt recht an. Die Flotowin ſol (Sonne und Mond wegen) der Regenbogen oder die Iris heiſſen. Die ſanfte Iris hatte kaum die Einhändigung meines Briefs — von dem ihr Mehringer ſchon abends geſagt — erwarten können und kam ſogleich dem Jean Paul nachgefahren. Sie öfnete den Brief unter 4 Augen (ihre ab-5 gerechnet) — hatte nicht das Herz, ihn gleich zu leſen — (a propos Ihr breites Brief-Ufer beweiſet zugleich Ihre Höflichkeit und Ihre Träg- heit) — aber ſie ſah jede Minute hinein — endlich hatte ſie ihn durch — — Sol ich Ihnen denn alles herzeichnen, mit welcher Liebe ſie der Ihrigen, d. h. Ihrem Stilſchweigen Vorwürfe machte — wie ſchön10 ihr die Fragen nach Ihrem Befinden und die herzlichgute[n] Er- innerungen an die ſchönen Tage ſtanden, die das Band der Freundſchaft nahmen und es um Sie beide zogen — und wie ſie mir die halbe Lüge durch ihre Augen, in denen ich eben ſo gern die Freude als die Unſchuld[409] zittern ſehe, abgenöthigt, daß Sie bald nach Bayreuth kämen. —15 Vielleicht kömt ſie bald 〈in 5 Wochen〉, um Ihren Vater zu beſuchen, nach Hof. — Blos um wieder neben dieſem ſanften Regenbogen zu ſtehen, reiſ’ ich rükwärts wieder über Bayreuth: denn da giebt ſie mir (nach ihrem Verſprechen) einen Brief an Sie mit. Aber ich möcht’ ihr nach der erſten Freude eine zweite geben — nämlich einen zweiten20 Brief von Ihnen. Jezt ſchreitet meine Bitte auf: daß Sie die Güte haben, an den guten Regenbogen am Sontage zu ſchreiben — an mich auch mit — mir beide Briefe nach Neuſtadt zu ſchicken, couver- tiert an Wernlein oder an mich mit dem bloſſen Beiſaz: bei H. Kolla- borat[or]Wernlein abzugeben — in dieſem Briefe ihr meine tolle25 Bitte zu ſchreiben oder auch nicht — damit ich beim Empfange des ihrigen etwas in Händen habe, womit ich ihn gleich bezahle. — Wenn Sie mir nichts nach Neuſtadt ſchicken: ſchick’ ich nichts nach Hof; aber Sie werden eine Gabe nicht verſagen, bei der Sie eben ſo eigennüzig als uneigennüzig zu ſein brauchen, weil Sie ja noch von jemand anders30 belohnet und beantwortet werden als von mir.
— — Vermengen Sie nicht, liebe Freundin, meinen Ton mit meinem Gefühl. Ach Sie müſſen es ja ſo gut wiſſen wie ich, daß alle die Bilder der Freude, alle die Echos unſerer Wünſche, die vor uns vorüber- rücken, den öden Menſchen vol Seufzer und vol Wünſche nur beklem-35 men, nicht befriedigen — daß alle die ſchönen, wie Gemälde unſrer Hofnungen vor uns aufgeſchlagnen, Landſchaften mit den Bergen, die
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><pbfacs="#f0417"n="389"/><postscript><p>Jezt fang’ ich erſt recht an. Die Flotowin ſol (<hirendition="#g">Sonne</hi> und <hirendition="#g">Mond</hi><lb/>
wegen) der <hirendition="#g">Regenbogen</hi> oder die Iris heiſſen. Die ſanfte Iris hatte<lb/>
kaum die Einhändigung meines Briefs — von dem ihr Mehringer<lb/>ſchon abends geſagt — erwarten können und kam ſogleich dem <hirendition="#aq">Jean<lb/>
Paul</hi> nachgefahren. Sie öfnete den Brief unter 4 Augen (ihre ab-<lbn="5"/>
gerechnet) — hatte nicht das Herz, ihn gleich zu leſen — (a propos Ihr<lb/>
breites Brief-Ufer beweiſet zugleich Ihre Höflichkeit und Ihre Träg-<lb/>
heit) — aber ſie ſah jede Minute hinein — endlich hatte ſie ihn durch —<lb/>— Sol ich Ihnen denn alles herzeichnen, mit welcher Liebe ſie der<lb/>
Ihrigen, d. h. Ihrem Stilſchweigen Vorwürfe machte — wie ſchön<lbn="10"/>
ihr die Fragen nach Ihrem Befinden und die herzlichgute<metamark>[</metamark>n<metamark>]</metamark> Er-<lb/>
innerungen an die ſchönen Tage ſtanden, die das Band der Freundſchaft<lb/>
nahmen und es um Sie beide zogen — und wie ſie mir die halbe Lüge<lb/>
durch ihre Augen, in denen ich eben ſo gern die Freude als die Unſchuld<noteplace="right"><reftarget="1922_Bd#_409">[409]</ref></note><lb/>
zittern ſehe, abgenöthigt, daß Sie bald nach Bayreuth kämen. —<lbn="15"/>
Vielleicht kömt ſie bald 〈in 5 Wochen〉, um Ihren Vater zu beſuchen,<lb/>
nach Hof. — Blos um wieder neben dieſem ſanften Regenbogen zu<lb/>ſtehen, reiſ’ ich rükwärts wieder über Bayreuth: denn da giebt ſie mir<lb/>
(nach ihrem Verſprechen) einen Brief an Sie mit. Aber ich möcht’ ihr<lb/>
nach der erſten Freude eine zweite geben — nämlich einen zweiten<lbn="20"/>
Brief von Ihnen. Jezt ſchreitet meine Bitte auf: daß Sie die Güte<lb/>
haben, an den guten Regenbogen am Sontage zu ſchreiben —<hirendition="#g">an<lb/>
mich</hi> auch mit — mir beide Briefe nach Neuſtadt zu ſchicken, couver-<lb/>
tiert an Wernlein oder an mich mit dem bloſſen Beiſaz: bei H. Kolla-<lb/>
borat<metamark>[</metamark>or<metamark>]</metamark><hirendition="#aq">Wernlein</hi> abzugeben — in dieſem Briefe ihr meine tolle<lbn="25"/>
Bitte zu ſchreiben oder auch nicht — damit ich beim Empfange des<lb/>
ihrigen etwas in Händen habe, womit ich ihn gleich bezahle. — Wenn<lb/>
Sie mir nichts nach Neuſtadt ſchicken: ſchick’ ich nichts nach Hof; aber<lb/>
Sie werden eine Gabe nicht verſagen, bei der Sie eben ſo eigennüzig<lb/>
als uneigennüzig zu ſein brauchen, weil Sie ja noch von jemand anders<lbn="30"/>
belohnet und beantwortet werden als von mir.</p><lb/><p>—— Vermengen Sie nicht, liebe Freundin, meinen Ton mit<lb/>
meinem Gefühl. Ach Sie müſſen es ja ſo gut wiſſen wie ich, daß alle die<lb/>
Bilder der Freude, alle die Echos unſerer Wünſche, die vor uns vorüber-<lb/>
rücken, den öden Menſchen vol Seufzer und vol Wünſche nur beklem-<lbn="35"/>
men, nicht befriedigen — daß alle die ſchönen, wie Gemälde unſrer<lb/>
Hofnungen vor uns aufgeſchlagnen, Landſchaften mit den Bergen, die<lb/></p></postscript></div></body></text></TEI>
[389/0417]
Jezt fang’ ich erſt recht an. Die Flotowin ſol (Sonne und Mond
wegen) der Regenbogen oder die Iris heiſſen. Die ſanfte Iris hatte
kaum die Einhändigung meines Briefs — von dem ihr Mehringer
ſchon abends geſagt — erwarten können und kam ſogleich dem Jean
Paul nachgefahren. Sie öfnete den Brief unter 4 Augen (ihre ab- 5
gerechnet) — hatte nicht das Herz, ihn gleich zu leſen — (a propos Ihr
breites Brief-Ufer beweiſet zugleich Ihre Höflichkeit und Ihre Träg-
heit) — aber ſie ſah jede Minute hinein — endlich hatte ſie ihn durch —
— Sol ich Ihnen denn alles herzeichnen, mit welcher Liebe ſie der
Ihrigen, d. h. Ihrem Stilſchweigen Vorwürfe machte — wie ſchön 10
ihr die Fragen nach Ihrem Befinden und die herzlichgute[n] Er-
innerungen an die ſchönen Tage ſtanden, die das Band der Freundſchaft
nahmen und es um Sie beide zogen — und wie ſie mir die halbe Lüge
durch ihre Augen, in denen ich eben ſo gern die Freude als die Unſchuld
zittern ſehe, abgenöthigt, daß Sie bald nach Bayreuth kämen. — 15
Vielleicht kömt ſie bald 〈in 5 Wochen〉, um Ihren Vater zu beſuchen,
nach Hof. — Blos um wieder neben dieſem ſanften Regenbogen zu
ſtehen, reiſ’ ich rükwärts wieder über Bayreuth: denn da giebt ſie mir
(nach ihrem Verſprechen) einen Brief an Sie mit. Aber ich möcht’ ihr
nach der erſten Freude eine zweite geben — nämlich einen zweiten 20
Brief von Ihnen. Jezt ſchreitet meine Bitte auf: daß Sie die Güte
haben, an den guten Regenbogen am Sontage zu ſchreiben — an
mich auch mit — mir beide Briefe nach Neuſtadt zu ſchicken, couver-
tiert an Wernlein oder an mich mit dem bloſſen Beiſaz: bei H. Kolla-
borat[or] Wernlein abzugeben — in dieſem Briefe ihr meine tolle 25
Bitte zu ſchreiben oder auch nicht — damit ich beim Empfange des
ihrigen etwas in Händen habe, womit ich ihn gleich bezahle. — Wenn
Sie mir nichts nach Neuſtadt ſchicken: ſchick’ ich nichts nach Hof; aber
Sie werden eine Gabe nicht verſagen, bei der Sie eben ſo eigennüzig
als uneigennüzig zu ſein brauchen, weil Sie ja noch von jemand anders 30
belohnet und beantwortet werden als von mir.
[409]
— — Vermengen Sie nicht, liebe Freundin, meinen Ton mit
meinem Gefühl. Ach Sie müſſen es ja ſo gut wiſſen wie ich, daß alle die
Bilder der Freude, alle die Echos unſerer Wünſche, die vor uns vorüber-
rücken, den öden Menſchen vol Seufzer und vol Wünſche nur beklem- 35
men, nicht befriedigen — daß alle die ſchönen, wie Gemälde unſrer
Hofnungen vor uns aufgeſchlagnen, Landſchaften mit den Bergen, die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/417>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.