Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.Testimonium Diligenziä von Ihnen hätten. Das brauchen zwei Zeilen -- -- dum loquimur, fugerit invida möcht ich Sie mit dem Horaz anreden. -- Der Doktor Ernesti ist [den][18] Sie sehen, ich schreibe meine Brief' an Sie viel anders, als ich sie an 2 Jean Paul Briefe. I.
Teſtimonium Diligenziä von Ihnen hätten. Das brauchen zwei Zeilen — — dum loquimur, fugerit invida möcht ich Sie mit dem Horaz anreden. — Der Doktor Erneſti iſt [den][18] Sie ſehen, ich ſchreibe meine Brief’ an Sie viel anders, als ich ſie an 2 Jean Paul Briefe. I.
<TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0040" n="17"/> Teſtimonium Diligenziä von Ihnen hätten. Das brauchen zwei Zeilen<lb/> zu ſein. Vielleicht hilft dies; und Sie, Sie werden dieſe Mühe über ſich<lb/> nemen, und ihnen es auch iezt ſagen, … Es müſt’ aber ſo eingerichtet<lb/> ſein, daß ſie’s ſelbſt nicht verſtünden; denn ſonſt wären ſie klug genug,<lb/> mir’s nicht zu ſchikken. — Nichts bedaur’ ich mer, als die Unbequemlich-<lb n="5"/> keiten, die Ihnen Ihr Gichtflus ſchon wieder verurſacht hat. — Und<lb/> Sie ſind noch immer frei? und wollen das Mittelding zwiſchen Man<lb/> und Jung<metamark>[</metamark>ge<metamark>]</metamark>ſel noch bis an ihr Ende ſein? Was hat Ihnen doch der<lb/> Got Hymen getan, daß Sie ihm ſo aufeinmal alle Vererung aufſagen,<lb/> ſeinen Altar umſtoſſen und zu einem Abgötler werden. Wir leben kurze<lb n="10"/> Zeit; allein eben deswegen ſollen wir dieſe kurze Zeit recht frölich leben</p><lb/> <cit> <quote> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#aq">— — dum loquimur, fugerit invida<lb/> aetas; carpe diem, quam minimum credulus postero,</hi> </hi> </quote> </cit><lb/> <p>möcht ich Sie mit dem Horaz anreden. — Der Doktor Erneſti iſt <metamark>[</metamark>den<metamark>]</metamark><note place="right"><ref target="1922_Bd#_18">[18]</ref></note><lb/> 15 September begraben worden. Er wird ſich wol beim Zizero im<lb n="15"/> Himmel Stunden in Latein geben laſſen. Jezt modert ſein römiſcher<lb/> Kopf, ſeine lateiniſchen Phraſen und ſein ganzes Behältnis von alter<lb/> Gelerſamkeit im Grabe. Sein Rum flattert über ſein Grab hin; er<lb/> hört ihn nicht mer; ſo zerſtäubt der Schlag des Todes den ganzen<lb/> Plunder von unſern Torheiten. Dies fält mir oft ſo warm auf’s Herz,<lb n="20"/> daß ich nichts lernen möchte, als worauf ich in der andern Welt fort-<lb/> bauen kan; daß ich nichts tun möchte, als die Taten, die im Himmel<lb/> Früchte für mich tragen. Genug! Ich ermüde Sie; ich ſchlieſſe, und ſage<lb/> nichts mer, als daß ich Ihre neuliche Krankheit an Ihrem Arm herzlich<lb/> bedaure, daß ich Ihnen Befreiung von dieſem Uebel <metamark>[?]</metamark> wünſche.<lb n="25"/> Küſſen Sie mein liebes Patgen an meiner Stat tauſendmal, und<lb/> ſchreiben Sie mir doch, was es macht, ob es geſund iſt und ob ſeine<lb/> Sele mit dem Körper wächſt. Und Sie — o! ich ſag’ Ihnen tauſend<lb/> Dank für Ihren ſchönen Brief, tauſend Dank für die Liebe, die Sie in<lb/> dem<metamark>[</metamark>ſelben<metamark>]</metamark> gegen mich äuſſern. Aber ich wünſchte, Dank nicht blos<lb n="30"/> <hi rendition="#g">ſagen</hi> zu können; ich wünſchte mer. Und für das, was ich Ihnen in<lb/> Rükſicht der Bildung meines Verſtandes und Herzens ſchuldig bin, für<lb/> das, was nie ein Schüler ſeinem Lerer bezalen kan? — Hier kan ich<lb/> nichts, als eine Träne der Dankbarkeit weinen, einen Wunſch zum<lb/> Algütigen ſchikken, und innigſt verſichern —<lb n="35"/> </p> <p>Sie ſehen, ich ſchreibe meine Brief’ an Sie viel anders, als ich ſie an<lb/> iede andre Perſon ſchreibe; überal nimt man eine kleine Maſke an;<lb/> <fw place="bottom" type="sig">2 Jean Paul Briefe. <hi rendition="#aq">I.</hi></fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [17/0040]
Teſtimonium Diligenziä von Ihnen hätten. Das brauchen zwei Zeilen
zu ſein. Vielleicht hilft dies; und Sie, Sie werden dieſe Mühe über ſich
nemen, und ihnen es auch iezt ſagen, … Es müſt’ aber ſo eingerichtet
ſein, daß ſie’s ſelbſt nicht verſtünden; denn ſonſt wären ſie klug genug,
mir’s nicht zu ſchikken. — Nichts bedaur’ ich mer, als die Unbequemlich- 5
keiten, die Ihnen Ihr Gichtflus ſchon wieder verurſacht hat. — Und
Sie ſind noch immer frei? und wollen das Mittelding zwiſchen Man
und Jung[ge]ſel noch bis an ihr Ende ſein? Was hat Ihnen doch der
Got Hymen getan, daß Sie ihm ſo aufeinmal alle Vererung aufſagen,
ſeinen Altar umſtoſſen und zu einem Abgötler werden. Wir leben kurze 10
Zeit; allein eben deswegen ſollen wir dieſe kurze Zeit recht frölich leben
— — dum loquimur, fugerit invida
aetas; carpe diem, quam minimum credulus postero,
möcht ich Sie mit dem Horaz anreden. — Der Doktor Erneſti iſt [den]
15 September begraben worden. Er wird ſich wol beim Zizero im 15
Himmel Stunden in Latein geben laſſen. Jezt modert ſein römiſcher
Kopf, ſeine lateiniſchen Phraſen und ſein ganzes Behältnis von alter
Gelerſamkeit im Grabe. Sein Rum flattert über ſein Grab hin; er
hört ihn nicht mer; ſo zerſtäubt der Schlag des Todes den ganzen
Plunder von unſern Torheiten. Dies fält mir oft ſo warm auf’s Herz, 20
daß ich nichts lernen möchte, als worauf ich in der andern Welt fort-
bauen kan; daß ich nichts tun möchte, als die Taten, die im Himmel
Früchte für mich tragen. Genug! Ich ermüde Sie; ich ſchlieſſe, und ſage
nichts mer, als daß ich Ihre neuliche Krankheit an Ihrem Arm herzlich
bedaure, daß ich Ihnen Befreiung von dieſem Uebel [?] wünſche. 25
Küſſen Sie mein liebes Patgen an meiner Stat tauſendmal, und
ſchreiben Sie mir doch, was es macht, ob es geſund iſt und ob ſeine
Sele mit dem Körper wächſt. Und Sie — o! ich ſag’ Ihnen tauſend
Dank für Ihren ſchönen Brief, tauſend Dank für die Liebe, die Sie in
dem[ſelben] gegen mich äuſſern. Aber ich wünſchte, Dank nicht blos 30
ſagen zu können; ich wünſchte mer. Und für das, was ich Ihnen in
Rükſicht der Bildung meines Verſtandes und Herzens ſchuldig bin, für
das, was nie ein Schüler ſeinem Lerer bezalen kan? — Hier kan ich
nichts, als eine Träne der Dankbarkeit weinen, einen Wunſch zum
Algütigen ſchikken, und innigſt verſichern — 35
[18]Sie ſehen, ich ſchreibe meine Brief’ an Sie viel anders, als ich ſie an
iede andre Perſon ſchreibe; überal nimt man eine kleine Maſke an;
2 Jean Paul Briefe. I.
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(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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