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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

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liche Freude, iede Volt[airische?] ist eine wahre und ihre Entbehrung,
weil die Intension die Extension nicht ersezt, aber wol mehrt diese iene.
Mich schreib' ich vergnügt und Sie misvergnügt. Ich trüge meine
augspurgische Konfession unter meiner Gehirnschale herum, fänd' ich
nicht Menschen, vor welchen sie abzulegen es Reiz und Nuzen hätte.5
-- für die künftige Lebenswärme des gequälten Herzens -- Der erste
Entwurf fuhr mir mit Grausen vor der Seele vorbei und bebend schrieb
ichs nieder.... Ich wolte, es zöge eine Rezensentenseele in Sie etc. und
[daß Sie] durch ihre Kritik mein Geschreibe ausbrenten .... wenn Sie
meiner lapländischen Wahrsagertrommel glauben wollen: so ist das10
Wetter morgen ein Sontagskind und ein azurner Tag, der nicht wie
die iezige Mode einen Halbmond sondern eine ganze Sonne aufhat
und der sich bisher mit Schönheitswasser rein gewaschen, wird uns
nach Gatt[endorf] führen, zur alten Bestie. -- Ich gebe kein Mora-
torium von 5 Monaten mehr und mus ich Ihr Siegel zerbrechen --15
Geben Sie mir nicht eine Schreibstunde sondern eine Schreib-
[314]minute. Leben Sie wol und besser als Sie verdienen: denn da Sie gut
sind, [verdienen] Sie, daß es Ihnen recht übel und exzentrisch gehe:
denn das ist der Humor unsres Erdbals so.

328. An die Postmeister in Wirth in Hof.
[Kopie]

Er war so höflich und ich so unhöflich, mich nicht daran zu erinnern.
-- Das prophetische Wettermängen, das auf Hof walfahrtet etc. --
der Tag in himmelblauer Montur mit dem Stern der Sonne auf der
Brust -- Was macht der blessierte Damon? und diesen möcht' ich25
fragen: was macht die prima donna?

329. An Christian Otto.

Mein lieber Christian!

Ich wil dich zum Rezensenten machen: weiter steht nichts im30
Brief.

Ich werd' in meinem Leben das Weissagen, französische Schreiben
und das satirische nicht lassen; aber doch Intervalle kan ich nicht ab-
wenden: du hingegen kanst die im 3ten Stük verhüten. (Jezt red' ich
wie ein in ein zweites Ich Verliebter nur von meinem). Indes ich35

liche Freude, iede Volt[airiſche?] iſt eine wahre und ihre Entbehrung,
weil die Intenſion die Extenſion nicht erſezt, aber wol mehrt dieſe iene.
Mich ſchreib’ ich vergnügt und Sie misvergnügt. Ich trüge meine
augſpurgiſche Konfeſſion unter meiner Gehirnſchale herum, fänd’ ich
nicht Menſchen, vor welchen ſie abzulegen es Reiz und Nuzen hätte.5
— für die künftige Lebenswärme des gequälten Herzens — Der erſte
Entwurf fuhr mir mit Grauſen vor der Seele vorbei und bebend ſchrieb
ichs nieder.... Ich wolte, es zöge eine Rezenſentenſeele in Sie ꝛc. und
[daß Sie] durch ihre Kritik mein Geſchreibe ausbrenten .... wenn Sie
meiner lapländiſchen Wahrſagertrommel glauben wollen: ſo iſt das10
Wetter morgen ein Sontagskind und ein azurner Tag, der nicht wie
die iezige Mode einen Halbmond ſondern eine ganze Sonne aufhat
und der ſich bisher mit Schönheitswaſſer rein gewaſchen, wird uns
nach Gatt[endorf] führen, zur alten Beſtie. — Ich gebe kein Mora-
torium von 5 Monaten mehr und mus ich Ihr Siegel zerbrechen —15
Geben Sie mir nicht eine Schreibſtunde ſondern eine Schreib-
[314]minute. Leben Sie wol und beſſer als Sie verdienen: denn da Sie gut
ſind, [verdienen] Sie, daß es Ihnen recht übel und exzentriſch gehe:
denn das iſt der Humor unſres Erdbals ſo.

328. An die Poſtmeiſter in Wirth in Hof.
[Kopie]

Er war ſo höflich und ich ſo unhöflich, mich nicht daran zu erinnern.
— Das prophetiſche Wettermängen, das auf Hof walfahrtet ꝛc. —
der Tag in himmelblauer Montur mit dem Stern der Sonne auf der
Bruſt — Was macht der bleſſierte Damon? und dieſen möcht’ ich25
fragen: was macht die prima donna?

329. An Chriſtian Otto.

Mein lieber Chriſtian!

Ich wil dich zum Rezenſenten machen: weiter ſteht nichts im30
Brief.

Ich werd’ in meinem Leben das Weiſſagen, franzöſiſche Schreiben
und das ſatiriſche nicht laſſen; aber doch Intervalle kan ich nicht ab-
wenden: du hingegen kanſt die im 3ten Stük verhüten. (Jezt red’ ich
wie ein in ein zweites Ich Verliebter nur von meinem). Indes ich35

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[298/0324] liche Freude, iede Volt[airiſche?] iſt eine wahre und ihre Entbehrung, weil die Intenſion die Extenſion nicht erſezt, aber wol mehrt dieſe iene. Mich ſchreib’ ich vergnügt und Sie misvergnügt. Ich trüge meine augſpurgiſche Konfeſſion unter meiner Gehirnſchale herum, fänd’ ich nicht Menſchen, vor welchen ſie abzulegen es Reiz und Nuzen hätte. 5 — für die künftige Lebenswärme des gequälten Herzens — Der erſte Entwurf fuhr mir mit Grauſen vor der Seele vorbei und bebend ſchrieb ichs nieder.... Ich wolte, es zöge eine Rezenſentenſeele in Sie ꝛc. und [daß Sie] durch ihre Kritik mein Geſchreibe ausbrenten .... wenn Sie meiner lapländiſchen Wahrſagertrommel glauben wollen: ſo iſt das 10 Wetter morgen ein Sontagskind und ein azurner Tag, der nicht wie die iezige Mode einen Halbmond ſondern eine ganze Sonne aufhat und der ſich bisher mit Schönheitswaſſer rein gewaſchen, wird uns nach Gatt[endorf] führen, zur alten Beſtie. — Ich gebe kein Mora- torium von 5 Monaten mehr und mus ich Ihr Siegel zerbrechen — 15 Geben Sie mir nicht eine Schreibſtunde ſondern eine Schreib- minute. Leben Sie wol und beſſer als Sie verdienen: denn da Sie gut ſind, [verdienen] Sie, daß es Ihnen recht übel und exzentriſch gehe: denn das iſt der Humor unſres Erdbals ſo. [314] 328. An die Poſtmeiſter in Wirth in Hof. [Schwarzenbach, 15. Juli 1790] Er war ſo höflich und ich ſo unhöflich, mich nicht daran zu erinnern. — Das prophetiſche Wettermängen, das auf Hof walfahrtet ꝛc. — der Tag in himmelblauer Montur mit dem Stern der Sonne auf der Bruſt — Was macht der bleſſierte Damon? und dieſen möcht’ ich 25 fragen: was macht die prima donna? 329. An Chriſtian Otto. Schwarzenbach an der Saal den 15 Jul. 90. Mein lieber Chriſtian! Ich wil dich zum Rezenſenten machen: weiter ſteht nichts im 30 Brief. Ich werd’ in meinem Leben das Weiſſagen, franzöſiſche Schreiben und das ſatiriſche nicht laſſen; aber doch Intervalle kan ich nicht ab- wenden: du hingegen kanſt die im 3ten Stük verhüten. (Jezt red’ ich wie ein in ein zweites Ich Verliebter nur von meinem). Indes ich 35

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/324>, abgerufen am 29.03.2024.