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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

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Vernichtung bedeuten sol, so müst' es Tod und Vernichtung hier
heissen: denn nur Tod kan dem Leben entgegengesezt werden -- es
müste heissen, gehet in's ewige Leben, und in den ewigen Tod.
Da's aber hier nicht so ist, so kan man schliessen, daß Pein nicht Tod
heissen kan, sondern seine eigentliche Bedeutung behält. -- Das Wort5
kolasis wird nie in der Bedeutung des Todes gebraucht. Es komt von
kolazo her, castigo. Was hat aber die Idee, gegeiselt, gequält
werden irgend für eine Verbindung mit der Idee vernichtet werden? --
Im Gegensaz hat zoe nach einem Hebraism die Bedeutung von Glük-
seligkeit.
So wird 1 Sam. 25, 6. khyym in der Bedeutung des Glük-10
lichseins genommen. Es ist also warscheinlich, daß zoe auch in dieser
Stelle so genommen werde; vorzüglich da sein Gegensaz "Pein" deut-
lich anzeigt, daß man's so nemen mus. -- Über Ihr Nichts, wovon Sie
mir neulich sagten, hab' ich nachgedacht. Der Gedank' ist schön; die
Einbildungskraft verliert sich darinnen. Allein ich glaub' Ihnen beweisen15
zu können, daß es gar kein absolutes Nichts geben kan. Schon
in dieser Rüksicht nicht: weil Got überal ist -- und wenn wo ein
absolutes Nichts wäre, so würde Got nicht sein. Verstehen Sie's
Nichts so: ein Ort, wo kein Körper existirt; so wolt' ich deutlich
beweisen, daß überal Körper sein müssen -- und daß der Saz in der20
Metaphysik "alles Ausgedente hat Gränzen" so war nicht ist, als es
scheint. Es komt auf Sie an, ob ich's einmal tun sol. -- Nächstens werd'
ich Ihnen die Gegenanmerkungen zu Ihren Anmerkungen überschikken.
Ich erwarte mit vieler Begierde Ihre neuen Zusäzze. Meine Übungen
wollen Sie mir zurükschikken? Warlich! es verlonte des Postporto's nicht,25
daß [!] man darum ausgäbe. Ich habe sie onehin zweimal. Wenn sie
Ihnen nicht zu gering scheinen: so gönnen Sie ihnen ein[en] Plaz in
Ihrem Hause, solt' es auch im Auskericht verdorbner alter Papiere sein.
[11]Dem Lobe, das Sie mir beizulegen belieben, mag ich nicht wider-
sprechen: damit ich nicht in den Verdacht komme, als tät' ich's, um es30
zweimal zu hören. -- Mein gröstes Vergnügen hier in Leipzig wird der
Briefwechsel mit Ihnen ausmachen. Sein Sie mein Fürer, auf dem
Wege zur Warheit, und auf dem Wege zum Glük -- leiten Sie den
Jüngling, der so leicht fallen kan. -- Ihr Beifal wird mir genug sein,
fleissig zu sein -- und Ihr Tadel Sporn genug, besser zu werden. Ich35
bin Ihnen viel schuldig, ia warlich ich bin Ihnen viel schuldig -- es ist
mein Glük Sie kennen gelernt zu haben. Dankbarkeit und Liebe ist

Vernichtung bedeuten ſol, ſo müſt’ es Tod und Vernichtung hier
heiſſen: denn nur Tod kan dem Leben entgegengeſezt werden — es
müſte heiſſen, gehet in’s ewige Leben, und in den ewigen Tod.
Da’s aber hier nicht ſo iſt, ſo kan man ſchlieſſen, daß Pein nicht Tod
heiſſen kan, ſondern ſeine eigentliche Bedeutung behält. — Das Wort5
κολασις wird nie in der Bedeutung des Todes gebraucht. Es komt von
κολαζω her, castigo. Was hat aber die Idee, gegeiſelt, gequält
werden irgend für eine Verbindung mit der Idee vernichtet werden? —
Im Gegenſaz hat ζωη nach einem Hebraism die Bedeutung von Glük-
ſeligkeit.
So wird 1 Sam. 25, 6. חיים in der Bedeutung des Glük-10
lichſeins genommen. Es iſt alſo warſcheinlich, daß ζωη auch in dieſer
Stelle ſo genommen werde; vorzüglich da ſein Gegenſaz „Pein“ deut-
lich anzeigt, daß man’s ſo nemen mus. — Über Ihr Nichts, wovon Sie
mir neulich ſagten, hab’ ich nachgedacht. Der Gedank’ iſt ſchön; die
Einbildungskraft verliert ſich darinnen. Allein ich glaub’ Ihnen beweiſen15
zu können, daß es gar kein abſolutes Nichts geben kan. Schon
in dieſer Rükſicht nicht: weil Got überal iſt — und wenn wo ein
abſolutes Nichts wäre, ſo würde Got nicht ſein. Verſtehen Sie’s
Nichts ſo: ein Ort, wo kein Körper exiſtirt; ſo wolt’ ich deutlich
beweiſen, daß überal Körper ſein müſſen — und daß der Saz in der20
Metaphyſik „alles Ausgedente hat Gränzen“ ſo war nicht iſt, als es
ſcheint. Es komt auf Sie an, ob ich’s einmal tun ſol. — Nächſtens werd’
ich Ihnen die Gegenanmerkungen zu Ihren Anmerkungen überſchikken.
Ich erwarte mit vieler Begierde Ihre neuen Zuſäzze. Meine Übungen
wollen Sie mir zurükſchikken? Warlich! es verlonte des Poſtporto’s nicht,25
daß [!] man darum ausgäbe. Ich habe ſie onehin zweimal. Wenn ſie
Ihnen nicht zu gering ſcheinen: ſo gönnen Sie ihnen ein[en] Plaz in
Ihrem Hauſe, ſolt’ es auch im Auskericht verdorbner alter Papiere ſein.
[11]Dem Lobe, das Sie mir beizulegen belieben, mag ich nicht wider-
ſprechen: damit ich nicht in den Verdacht komme, als tät’ ich’s, um es30
zweimal zu hören. — Mein gröſtes Vergnügen hier in Leipzig wird der
Briefwechſel mit Ihnen ausmachen. Sein Sie mein Fürer, auf dem
Wege zur Warheit, und auf dem Wege zum Glük — leiten Sie den
Jüngling, der ſo leicht fallen kan. — Ihr Beifal wird mir genug ſein,
fleiſſig zu ſein — und Ihr Tadel Sporn genug, beſſer zu werden. Ich35
bin Ihnen viel ſchuldig, ia warlich ich bin Ihnen viel ſchuldig — es iſt
mein Glük Sie kennen gelernt zu haben. Dankbarkeit und Liebe iſt

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[10/0032] Vernichtung bedeuten ſol, ſo müſt’ es Tod und Vernichtung hier heiſſen: denn nur Tod kan dem Leben entgegengeſezt werden — es müſte heiſſen, gehet in’s ewige Leben, und in den ewigen Tod. Da’s aber hier nicht ſo iſt, ſo kan man ſchlieſſen, daß Pein nicht Tod heiſſen kan, ſondern ſeine eigentliche Bedeutung behält. — Das Wort 5 κολασις wird nie in der Bedeutung des Todes gebraucht. Es komt von κολαζω her, castigo. Was hat aber die Idee, gegeiſelt, gequält werden irgend für eine Verbindung mit der Idee vernichtet werden? — Im Gegenſaz hat ζωη nach einem Hebraism die Bedeutung von Glük- ſeligkeit. So wird 1 Sam. 25, 6. חיים in der Bedeutung des Glük- 10 lichſeins genommen. Es iſt alſo warſcheinlich, daß ζωη auch in dieſer Stelle ſo genommen werde; vorzüglich da ſein Gegenſaz „Pein“ deut- lich anzeigt, daß man’s ſo nemen mus. — Über Ihr Nichts, wovon Sie mir neulich ſagten, hab’ ich nachgedacht. Der Gedank’ iſt ſchön; die Einbildungskraft verliert ſich darinnen. Allein ich glaub’ Ihnen beweiſen 15 zu können, daß es gar kein abſolutes Nichts geben kan. Schon in dieſer Rükſicht nicht: weil Got überal iſt — und wenn wo ein abſolutes Nichts wäre, ſo würde Got nicht ſein. Verſtehen Sie’s Nichts ſo: ein Ort, wo kein Körper exiſtirt; ſo wolt’ ich deutlich beweiſen, daß überal Körper ſein müſſen — und daß der Saz in der 20 Metaphyſik „alles Ausgedente hat Gränzen“ ſo war nicht iſt, als es ſcheint. Es komt auf Sie an, ob ich’s einmal tun ſol. — Nächſtens werd’ ich Ihnen die Gegenanmerkungen zu Ihren Anmerkungen überſchikken. Ich erwarte mit vieler Begierde Ihre neuen Zuſäzze. Meine Übungen wollen Sie mir zurükſchikken? Warlich! es verlonte des Poſtporto’s nicht, 25 daß [!] man darum ausgäbe. Ich habe ſie onehin zweimal. Wenn ſie Ihnen nicht zu gering ſcheinen: ſo gönnen Sie ihnen ein[en] Plaz in Ihrem Hauſe, ſolt’ es auch im Auskericht verdorbner alter Papiere ſein. Dem Lobe, das Sie mir beizulegen belieben, mag ich nicht wider- ſprechen: damit ich nicht in den Verdacht komme, als tät’ ich’s, um es 30 zweimal zu hören. — Mein gröſtes Vergnügen hier in Leipzig wird der Briefwechſel mit Ihnen ausmachen. Sein Sie mein Fürer, auf dem Wege zur Warheit, und auf dem Wege zum Glük — leiten Sie den Jüngling, der ſo leicht fallen kan. — Ihr Beifal wird mir genug ſein, fleiſſig zu ſein — und Ihr Tadel Sporn genug, beſſer zu werden. Ich 35 bin Ihnen viel ſchuldig, ia warlich ich bin Ihnen viel ſchuldig — es iſt mein Glük Sie kennen gelernt zu haben. Dankbarkeit und Liebe iſt [11]

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/32>, abgerufen am 24.11.2024.