halte, geb' ich [60] Sekunden hin, wo ich unterhalten werden könte und ich unterbreche meine Vergnügungen durch mein pflichtmässiges Schreiben so, wie die Baiern [?] mitten [in] der Freude der Komödie beim Gebetläuten niederknieen und ihr Gebet abzwirnen...Meine Vergnügungen mag ich Ihnen nicht eher schildern als bis ich sie ver-5 loren, wie man von einer geliebten Person nur bei ihrer Abreise [ein Bild?] macht und weil das Porträt .. Eben unterbrach mich eine Freundin und ihr Bruder; aber ich ertrage den leztern blos, um die erstere zu geniessen und kan dieser Aufopferung nicht überhoben sein -- Ihr seid wahrhaftig alle in einer Lichtform gezogen, ihr Mansper-10 sonen -- einen halben Eimer Lügen färbt ihr mit einem Tropfen Wahrheit -- euer Jahr besteht aus 12 Aprilmonaten und die einzige Liebe, in der ihr beständig seid, ist die gegen euch selbst und die Beerin sagt es auch. (Auch Sie sind wie die andern insgesamt und ich glaube, ich habe gehört) Mich wunderts nur, daß ihr uns noch nicht mit15 diesem Fehler angestekt und daß wir unsre anererbte Aufrichtigkeit behalten. -- O du geliebtes Bayreuth, in das ich wie in einen Himmel fuhr und in dem [ich] iede Minute verschlang, aus Furcht sie fliege un- genossen vorüber -- besuche mich in meinen Hofer Träumen und spiegle dich in ihnen mit deinen Gegenden und Einwohnern ab wie der20 Himmel im klaren Bach: gern wil ich mich überwinden und deswegen morgens eine Stunde länger das Bette hüten. Wundern Sie sich, daß ich Ihnen geschrieben. (Meine Mama schliesset diesen Brief in ihren mit ein etc.)
318. An Christoph (?) Otto.25
[Kopie][Schwarzenbach, 22. April 1790. Donnerstag]
J'aurai aujourdhui le plaisir de voir Bayle et celui qui me l'a procure -- dont la tete et le dos sont si chargees qu'il peut a peine marcher. Je jouis de l'esperance en allant a Hof, je jouis du souvenir en retournant de Hof, mais matin [!] je jouirai de Bayle30 emporte et de Moeser emporte et de tout ce que j'emporte et du souvenir d'avoir observe les eclipses repetees de la Lune et de Renata. C'est a vous d'en parler qui connoisses si bien les lunes morales et physiques de ces soleils qu'on nomme femmes. Par- donnes moi mes fantaisies et mes finals ce que je ne sais35 faire.
19 Jean Paul Briefe. I.
halte, geb’ ich [60] Sekunden hin, wo ich unterhalten werden könte und ich unterbreche meine Vergnügungen durch mein pflichtmäſſiges Schreiben ſo, wie die Baiern [?] mitten [in] der Freude der Komödie beim Gebetläuten niederknieen und ihr Gebet abzwirnen...Meine Vergnügungen mag ich Ihnen nicht eher ſchildern als bis ich ſie ver-5 loren, wie man von einer geliebten Perſon nur bei ihrer Abreiſe [ein Bild?] macht und weil das Porträt .. Eben unterbrach mich eine Freundin und ihr Bruder; aber ich ertrage den leztern blos, um die erſtere zu genieſſen und kan dieſer Aufopferung nicht überhoben ſein — Ihr ſeid wahrhaftig alle in einer Lichtform gezogen, ihr Mansper-10 ſonen — einen halben Eimer Lügen färbt ihr mit einem Tropfen Wahrheit — euer Jahr beſteht aus 12 Aprilmonaten und die einzige Liebe, in der ihr beſtändig ſeid, iſt die gegen euch ſelbſt und die Beerin ſagt es auch. (Auch Sie ſind wie die andern insgeſamt und ich glaube, ich habe gehört) Mich wunderts nur, daß ihr uns noch nicht mit15 dieſem Fehler angeſtekt und daß wir unſre anererbte Aufrichtigkeit behalten. — O du geliebtes Bayreuth, in das ich wie in einen Himmel fuhr und in dem [ich] iede Minute verſchlang, aus Furcht ſie fliege un- genoſſen vorüber — beſuche mich in meinen Hofer Träumen und ſpiegle dich in ihnen mit deinen Gegenden und Einwohnern ab wie der20 Himmel im klaren Bach: gern wil ich mich überwinden und deswegen morgens eine Stunde länger das Bette hüten. Wundern Sie ſich, daß ich Ihnen geſchrieben. (Meine Mama ſchlieſſet dieſen Brief in ihren mit ein ꝛc.)
318. An Chriſtoph (?) Otto.25
[Kopie][Schwarzenbach, 22. April 1790. Donnerstag]
J’aurai aujourdhui le plaisir de voir Bayle et celui qui me l’a procuré — dont la tête et le dos sont si chargées qu’il peut à peine marcher. Je jouis de l’esperance en allant à Hof, je jouis du souvenir en retournant de Hof, mais matin [!] je jouirai de Bayle30 emporté et de Moeser emporté et de tout ce que j’emporte et du souvenir d’avoir observé les eclipses repetées de la Lune et de Renata. C’est à vous d’en parler qui connoissés si bien les lunes morales et physiques de ces soleils qu’on nomme femmes. Par- donnés moi mes fantaisies et mes finals ce que je ne sais35 faire.
19 Jean Paul Briefe. I.
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Schreiben ſo, wie die Baiern [?] mitten [in] der Freude der Komödie
beim Gebetläuten niederknieen und ihr Gebet abzwirnen...Meine
Vergnügungen mag ich Ihnen nicht eher ſchildern als bis ich ſie ver- 5
loren, wie man von einer geliebten Perſon nur bei ihrer Abreiſe
[ein Bild?] macht und weil das Porträt .. Eben unterbrach mich eine
Freundin und ihr Bruder; aber ich ertrage den leztern blos, um die
erſtere zu genieſſen und kan dieſer Aufopferung nicht überhoben ſein —
Ihr ſeid wahrhaftig alle in einer Lichtform gezogen, ihr Mansper- 10
ſonen — einen halben Eimer Lügen färbt ihr mit einem Tropfen
Wahrheit — euer Jahr beſteht aus 12 Aprilmonaten und die einzige
Liebe, in der ihr beſtändig ſeid, iſt die gegen euch ſelbſt und die Beerin
ſagt es auch. (Auch Sie ſind wie die andern insgeſamt und ich glaube,
ich habe gehört) Mich wunderts nur, daß ihr uns noch nicht mit 15
dieſem Fehler angeſtekt und daß wir unſre anererbte Aufrichtigkeit
behalten. — O du geliebtes Bayreuth, in das ich wie in einen Himmel
fuhr und in dem [ich] iede Minute verſchlang, aus Furcht ſie fliege un-
genoſſen vorüber — beſuche mich in meinen Hofer Träumen und
ſpiegle dich in ihnen mit deinen Gegenden und Einwohnern ab wie der 20
Himmel im klaren Bach: gern wil ich mich überwinden und deswegen
morgens eine Stunde länger das Bette hüten. Wundern Sie ſich, daß
ich Ihnen geſchrieben. (Meine Mama ſchlieſſet dieſen Brief in ihren
mit ein ꝛc.)
318. An Chriſtoph (?) Otto. 25
[Schwarzenbach, 22. April 1790. Donnerstag]
J’aurai aujourdhui le plaisir de voir Bayle et celui qui me l’a
procuré — dont la tête et le dos sont si chargées qu’il peut à
peine marcher. Je jouis de l’esperance en allant à Hof, je jouis du
souvenir en retournant de Hof, mais matin [!] je jouirai de Bayle 30
emporté et de Moeser emporté et de tout ce que j’emporte et du
souvenir d’avoir observé les eclipses repetées de la Lune et de
Renata. C’est à vous d’en parler qui connoissés si bien les lunes
morales et physiques de ces soleils qu’on nomme femmes. Par-
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19 Jean Paul Briefe. I.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/315>, abgerufen am 22.11.2024.
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