Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956.

Bild:
<< vorherige Seite

liefert -- das ein Buch schreibt und vorn dran eine Art Zueignungs-
schrift auf rothem Grunde -- das freilich noch früher Freunde hat,
die es ihrer Liebe für dasselbe auf keine bessere Weise zu versichern wissen
als durch blosse Thaten -- das aber sie der seinigen auf eine viel bessere
Weise versichert, durch Worte, die eben eine Dedikazion formiren --5
das bei solchen Dedikazions-Obiekten täglich Siz aber nicht Stimme
hat, weil es sich die leztere meistens durch fleissige anatomische Sekzionen
der Sauerbraten benimt -- das dort aber auch noch andere Dinge
isset, welche auf dem Altar weitläuftig abzulesen zu spashaft sei -- und
das gleichwol am Ende sein eignes erlebe und versterbe .....10

Hier mus nun mit Gewalt der usus epanorthoticus anlanden, der
meinen Kadaver mit Namen anschreiet. Ich nöthige den Pfarrer und
den usus so zu sagen: "Und ein solcher ist unser eingesargte sel. Mit-
"bruder vor dem Altar, der stets dedizirte. Hier mus ich sein Lebens-
"curriculum liefern, das er dem Konsistorio nicht lateinisch schikte15
"aber auch nicht deutsch: und ieder gegenwärtige schwärzliche Christ
"springe nachher in dessen breite Fusstapfen hinein. Seze dich halb in
"deinem Sarge in die Höhe, seeliger Dedikator, und sage hier sämt-
"lichem ansehnlichen Leichenkondukt selbst, daß du einmal an einem
"Sontage mit der linken Hand dein rechtes Ohr, das noch hört, vor20
"dem Kriegs- und Feldgeschrei zweier nachbarlicher Eheleute zu-
"spündetest, um mit der rechten eine lange Dedikazion an die H. Otto
"hinzuschreiben .. Seze dich halb in die Höhe ......" Und wenn ich
blos im hypochondrischen Scheintode, wo man mit seinem rechten
Ohre noch hört, auf der Baare liege: so werd' ich mich wirklich halb25
in die Höhe sezen und im orientalischen Leichentracht zum erstenmal
vor einer ganzen Kirche, Sie zum zweiten und die andern zum ersten-
male versichern, daß ich mit gefühlter Hochachtung und Liebe immer
bleibe

Ihr Freund30
Richter.
[279]268. An Kandidat Mehringer in Hof.
[Kopie]

Ihre Bitte ist mehr werth als das Geschenk -- das Buch heim-
zulassen, damit ich den Phalanx von Drukfehlern ausrotte, der es35
schändet.

liefert — das ein Buch ſchreibt und vorn dran eine Art Zueignungs-
ſchrift auf rothem Grunde — das freilich noch früher Freunde hat,
die es ihrer Liebe für daſſelbe auf keine beſſere Weiſe zu verſichern wiſſen
als durch bloſſe Thaten — das aber ſie der ſeinigen auf eine viel beſſere
Weiſe verſichert, durch Worte, die eben eine Dedikazion formiren —5
das bei ſolchen Dedikazions-Obiekten täglich Siz aber nicht Stimme
hat, weil es ſich die leztere meiſtens durch fleiſſige anatomiſche Sekzionen
der Sauerbraten benimt — das dort aber auch noch andere Dinge
iſſet, welche auf dem Altar weitläuftig abzuleſen zu ſpashaft ſei — und
das gleichwol am Ende ſein eignes erlebe und verſterbe .....10

Hier mus nun mit Gewalt der usus epanorthoticus anlanden, der
meinen Kadaver mit Namen anſchreiet. Ich nöthige den Pfarrer und
den usus ſo zu ſagen: „Und ein ſolcher iſt unſer eingeſargte ſel. Mit-
„bruder vor dem Altar, der ſtets dedizirte. Hier mus ich ſein Lebens-
curriculum liefern, das er dem Konſiſtorio nicht lateiniſch ſchikte15
„aber auch nicht deutſch: und ieder gegenwärtige ſchwärzliche Chriſt
„ſpringe nachher in deſſen breite Fusſtapfen hinein. Seze dich halb in
„deinem Sarge in die Höhe, ſeeliger Dedikator, und ſage hier ſämt-
„lichem anſehnlichen Leichenkondukt ſelbſt, daß du einmal an einem
„Sontage mit der linken Hand dein rechtes Ohr, das noch hört, vor20
„dem Kriegs- und Feldgeſchrei zweier nachbarlicher Eheleute zu-
„ſpündeteſt, um mit der rechten eine lange Dedikazion an die H. Otto
„hinzuſchreiben .. Seze dich halb in die Höhe ......“ Und wenn ich
blos im hypochondriſchen Scheintode, wo man mit ſeinem rechten
Ohre noch hört, auf der Baare liege: ſo werd’ ich mich wirklich halb25
in die Höhe ſezen und im orientaliſchen Leichentracht zum erſtenmal
vor einer ganzen Kirche, Sie zum zweiten und die andern zum erſten-
male verſichern, daß ich mit gefühlter Hochachtung und Liebe immer
bleibe

Ihr Freund30
Richter.
[279]268. An Kandidat Mehringer in Hof.
[Kopie]

Ihre Bitte iſt mehr werth als das Geſchenk — das Buch heim-
zulaſſen, damit ich den Phalanx von Drukfehlern ausrotte, der es35
ſchändet.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0289" n="264"/>
liefert &#x2014; das ein Buch &#x017F;chreibt und vorn dran eine Art Zueignungs-<lb/>
&#x017F;chrift auf rothem Grunde &#x2014; das freilich noch früher Freunde hat,<lb/>
die es ihrer Liebe für da&#x017F;&#x017F;elbe auf keine be&#x017F;&#x017F;ere Wei&#x017F;e zu ver&#x017F;ichern wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
als durch blo&#x017F;&#x017F;e Thaten &#x2014; das aber &#x017F;ie der &#x017F;einigen auf eine viel be&#x017F;&#x017F;ere<lb/>
Wei&#x017F;e ver&#x017F;ichert, durch Worte, die eben eine Dedikazion formiren &#x2014;<lb n="5"/>
das bei &#x017F;olchen Dedikazions-Obiekten täglich <hi rendition="#g">Siz</hi> aber nicht <hi rendition="#g">Stimme</hi><lb/>
hat, weil es &#x017F;ich die leztere mei&#x017F;tens durch flei&#x017F;&#x017F;ige anatomi&#x017F;che Sekzionen<lb/>
der Sauerbraten benimt &#x2014; das dort aber auch noch andere Dinge<lb/>
i&#x017F;&#x017F;et, welche auf dem Altar weitläuftig abzule&#x017F;en zu &#x017F;pashaft &#x017F;ei &#x2014; und<lb/>
das gleichwol am Ende &#x017F;ein eignes erlebe und ver&#x017F;terbe .....<lb n="10"/>
</p>
        <p>Hier mus nun mit Gewalt der <hi rendition="#aq">usus epanorthoticus</hi> anlanden, der<lb/>
meinen Kadaver mit Namen an&#x017F;chreiet. Ich nöthige den Pfarrer und<lb/>
den <hi rendition="#aq">usus</hi> &#x017F;o zu &#x017F;agen: &#x201E;Und ein &#x017F;olcher i&#x017F;t un&#x017F;er einge&#x017F;argte &#x017F;el. Mit-<lb/>
&#x201E;bruder vor dem Altar, der &#x017F;tets dedizirte. Hier mus ich &#x017F;ein Lebens-<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#aq">curriculum</hi> liefern, das er dem Kon&#x017F;i&#x017F;torio nicht lateini&#x017F;ch &#x017F;chikte<lb n="15"/>
&#x201E;aber auch nicht deut&#x017F;ch: und ieder gegenwärtige &#x017F;chwärzliche Chri&#x017F;t<lb/>
&#x201E;&#x017F;pringe nachher in de&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#g">breite</hi> Fus&#x017F;tapfen hinein. Seze dich halb in<lb/>
&#x201E;deinem Sarge in die Höhe, &#x017F;eeliger Dedikator, und &#x017F;age hier &#x017F;ämt-<lb/>
&#x201E;lichem an&#x017F;ehnlichen Leichenkondukt &#x017F;elb&#x017F;t, daß du einmal an einem<lb/>
&#x201E;Sontage mit der linken Hand dein rechtes Ohr, das noch hört, vor<lb n="20"/>
&#x201E;dem Kriegs- und Feldge&#x017F;chrei zweier nachbarlicher Eheleute zu-<lb/>
&#x201E;&#x017F;pündete&#x017F;t, um mit der rechten eine lange Dedikazion an die H. Otto<lb/>
&#x201E;hinzu&#x017F;chreiben .. Seze dich halb in die Höhe ......&#x201C; Und wenn ich<lb/>
blos im hypochondri&#x017F;chen Scheintode, wo man mit &#x017F;einem rechten<lb/>
Ohre noch hört, auf der Baare liege: &#x017F;o werd&#x2019; ich mich wirklich halb<lb n="25"/>
in die Höhe &#x017F;ezen und im orientali&#x017F;chen Leichentracht zum er&#x017F;tenmal<lb/>
vor einer ganzen Kirche, Sie zum zweiten und die andern zum er&#x017F;ten-<lb/>
male ver&#x017F;ichern, daß ich mit gefühlter Hochachtung und Liebe immer<lb/>
bleibe</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">Ihr Freund<lb n="30"/>
Richter.</hi> </salute>
        </closer>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head><note place="left"><ref target="1922_Bd#_279">[279]</ref></note>268. An <hi rendition="#g">Kandidat Mehringer in Hof.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial"><metamark>[</metamark>Kopie<metamark>]</metamark></note>
        <dateline> <hi rendition="#right"><metamark>[</metamark>Hof, 21. Juni 1789<metamark>]</metamark></hi> </dateline><lb/>
        <p>Ihre Bitte i&#x017F;t mehr werth als das Ge&#x017F;chenk &#x2014; das Buch heim-<lb/>
zula&#x017F;&#x017F;en, damit ich den Phalanx von Drukfehlern ausrotte, der es<lb n="35"/>
&#x017F;chändet.</p>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0289] liefert — das ein Buch ſchreibt und vorn dran eine Art Zueignungs- ſchrift auf rothem Grunde — das freilich noch früher Freunde hat, die es ihrer Liebe für daſſelbe auf keine beſſere Weiſe zu verſichern wiſſen als durch bloſſe Thaten — das aber ſie der ſeinigen auf eine viel beſſere Weiſe verſichert, durch Worte, die eben eine Dedikazion formiren — 5 das bei ſolchen Dedikazions-Obiekten täglich Siz aber nicht Stimme hat, weil es ſich die leztere meiſtens durch fleiſſige anatomiſche Sekzionen der Sauerbraten benimt — das dort aber auch noch andere Dinge iſſet, welche auf dem Altar weitläuftig abzuleſen zu ſpashaft ſei — und das gleichwol am Ende ſein eignes erlebe und verſterbe ..... 10 Hier mus nun mit Gewalt der usus epanorthoticus anlanden, der meinen Kadaver mit Namen anſchreiet. Ich nöthige den Pfarrer und den usus ſo zu ſagen: „Und ein ſolcher iſt unſer eingeſargte ſel. Mit- „bruder vor dem Altar, der ſtets dedizirte. Hier mus ich ſein Lebens- „curriculum liefern, das er dem Konſiſtorio nicht lateiniſch ſchikte 15 „aber auch nicht deutſch: und ieder gegenwärtige ſchwärzliche Chriſt „ſpringe nachher in deſſen breite Fusſtapfen hinein. Seze dich halb in „deinem Sarge in die Höhe, ſeeliger Dedikator, und ſage hier ſämt- „lichem anſehnlichen Leichenkondukt ſelbſt, daß du einmal an einem „Sontage mit der linken Hand dein rechtes Ohr, das noch hört, vor 20 „dem Kriegs- und Feldgeſchrei zweier nachbarlicher Eheleute zu- „ſpündeteſt, um mit der rechten eine lange Dedikazion an die H. Otto „hinzuſchreiben .. Seze dich halb in die Höhe ......“ Und wenn ich blos im hypochondriſchen Scheintode, wo man mit ſeinem rechten Ohre noch hört, auf der Baare liege: ſo werd’ ich mich wirklich halb 25 in die Höhe ſezen und im orientaliſchen Leichentracht zum erſtenmal vor einer ganzen Kirche, Sie zum zweiten und die andern zum erſten- male verſichern, daß ich mit gefühlter Hochachtung und Liebe immer bleibe Ihr Freund 30 Richter. 268. An Kandidat Mehringer in Hof. [Hof, 21. Juni 1789] Ihre Bitte iſt mehr werth als das Geſchenk — das Buch heim- zulaſſen, damit ich den Phalanx von Drukfehlern ausrotte, der es 35 ſchändet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T14:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T14:52:17Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/289
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/289>, abgerufen am 25.11.2024.