Unter den guten Lehren, womit Sie meinen Bruder bilden, ver- gassen Sie ihm die zu geben, daß man seinen Lehrer bezahle. Ver- zeihen [Sie], daß ich die Frage wieviel solange verschoben. Mein5 Brief [ist] so kurz wie das menschliche Leben.
224. An Pfarrer Vogel in Rehau.
Hof den 22 Jun. 88 [Sonntag].
Lieber Herr Pfarrer,
Unter dem Schaden den die heurigen Donnerwetter anrichten, ist10 der nicht der kleinste, daß die Folgen des gestrigen mich hindern, heute in Rehau zu sein. Aber am Mitwoche oder Dienstag über 8 Tage sol mich meine Rükreise von Wonsiedel durch Rehau führen.
Sie sind so stum, daß Sie aus einem Schüler des Zeno ein Schüler des Pythagoras geworden zu sein scheinen und einer in einem Stum-15 meninstitute sein solten: Sie schreiben keine Bücher, keine Briefe, keine Satiren: ahmen Sie denn Christum nach, der auch nichts that als lehren und das Schreiben den Theologen mit langen Fingern und Ohren überlies?
Herman war so begierig, Sie zu sehen, daß ich ihm schon einen[257]20 Brief mitgab; die Schwarzenbacher knüpften dem Briefe den Fet- schwanz an.
Ich bitte Sie mit meiner gewöhnlichen Unverschämtheit um
1. Casauboni annotationes in Baronii Annales.
2. Semlers neuen Versuch über die Kirchengeschichte.25
3. Eichhorns Einleitung ins A. T.
4. Von Le Clerc, ihrer sind Legion.
5. und um einen Brief von Ihnen, der so lang ist, wie die Nürn- berger Meisterbratwurst nämlich 300 Ellen.
Warlich ich bekomme iezt leichter gute Bücher als gute Briefe;30 und Sie auch, da an Sie schreibt mit wahrer Hochachtung
Ew. Hochehrwürden gehors. Diener Richter
16*
223. An Kandidat Mehringer in Hof.
[Kopie][Töpen, Mai oder Juni 1788]
Unter den guten Lehren, womit Sie meinen Bruder bilden, ver- gaſſen Sie ihm die zu geben, daß man ſeinen Lehrer bezahle. Ver- zeihen [Sie], daß ich die Frage wieviel ſolange verſchoben. Mein5 Brief [iſt] ſo kurz wie das menſchliche Leben.
224. An Pfarrer Vogel in Rehau.
Hof den 22 Jun. 88 [Sonntag].
Lieber Herr Pfarrer,
Unter dem Schaden den die heurigen Donnerwetter anrichten, iſt10 der nicht der kleinſte, daß die Folgen des geſtrigen mich hindern, heute in Rehau zu ſein. Aber am Mitwoche oder Dienſtag über 8 Tage ſol mich meine Rükreiſe von Wonſiedel durch Rehau führen.
Sie ſind ſo ſtum, daß Sie aus einem Schüler des Zeno ein Schüler des Pythagoras geworden zu ſein ſcheinen und einer in einem Stum-15 meninſtitute ſein ſolten: Sie ſchreiben keine Bücher, keine Briefe, keine Satiren: ahmen Sie denn Chriſtum nach, der auch nichts that als lehren und das Schreiben den Theologen mit langen Fingern und Ohren überlies?
Herman war ſo begierig, Sie zu ſehen, daß ich ihm ſchon einen[257]20 Brief mitgab; die Schwarzenbacher knüpften dem Briefe den Fet- ſchwanz an.
Ich bitte Sie mit meiner gewöhnlichen Unverſchämtheit um
1. Casauboni annotationes in Baronii Annales.
2. Semlers neuen Verſuch über die Kirchengeſchichte.25
3. Eichhorns Einleitung ins A. T.
4. Von Le Clerc, ihrer ſind Legion.
5. und um einen Brief von Ihnen, der ſo lang iſt, wie die Nürn- berger Meiſterbratwurſt nämlich 300 Ellen.
Warlich ich bekomme iezt leichter gute Bücher als gute Briefe;30 und Sie auch, da an Sie ſchreibt mit wahrer Hochachtung
Ew. Hochehrwürden gehorſ. Diener Richter
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[243/0268]
223. An Kandidat Mehringer in Hof.
[Töpen, Mai oder Juni 1788]
Unter den guten Lehren, womit Sie meinen Bruder bilden, ver-
gaſſen Sie ihm die zu geben, daß man ſeinen Lehrer bezahle. Ver-
zeihen [Sie], daß ich die Frage wieviel ſolange verſchoben. Mein 5
Brief [iſt] ſo kurz wie das menſchliche Leben.
224. An Pfarrer Vogel in Rehau.
Hof den 22 Jun. 88 [Sonntag].
Lieber Herr Pfarrer,
Unter dem Schaden den die heurigen Donnerwetter anrichten, iſt 10
der nicht der kleinſte, daß die Folgen des geſtrigen mich hindern, heute
in Rehau zu ſein. Aber am Mitwoche oder Dienſtag über 8 Tage ſol
mich meine Rükreiſe von Wonſiedel durch Rehau führen.
Sie ſind ſo ſtum, daß Sie aus einem Schüler des Zeno ein Schüler
des Pythagoras geworden zu ſein ſcheinen und einer in einem Stum- 15
meninſtitute ſein ſolten: Sie ſchreiben keine Bücher, keine Briefe,
keine Satiren: ahmen Sie denn Chriſtum nach, der auch nichts that
als lehren und das Schreiben den Theologen mit langen Fingern und
Ohren überlies?
Herman war ſo begierig, Sie zu ſehen, daß ich ihm ſchon einen 20
Brief mitgab; die Schwarzenbacher knüpften dem Briefe den Fet-
ſchwanz an.
[257]
Ich bitte Sie mit meiner gewöhnlichen Unverſchämtheit um
1. Casauboni annotationes in Baronii Annales.
2. Semlers neuen Verſuch über die Kirchengeſchichte. 25
3. Eichhorns Einleitung ins A. T.
4. Von Le Clerc, ihrer ſind Legion.
5. und um einen Brief von Ihnen, der ſo lang iſt, wie die Nürn-
berger Meiſterbratwurſt nämlich 300 Ellen.
Warlich ich bekomme iezt leichter gute Bücher als gute Briefe; 30
und Sie auch, da an Sie ſchreibt mit wahrer Hochachtung
Ew. Hochehrwürden
gehorſ. Diener
Richter
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/268>, abgerufen am 16.02.2025.
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