Hochehrwürdiger und Hochgelehrter Herr, Hochzuverehrender Herr Pfarrer,
Ihr voriges Papier war blau; aber dieses ist schlecht.... Hier send' ich Ihnen einen Aukzionskatalog, um dessen beschleunigte Zurük-5 gabe ich Sie bitte: wenn Sie Bücher daraus auslesen; so wil ich Ihr Spediteur dabei sein .... Sobald ich nach Rehau komme: bringe ich die Beicht des Trogenpredigers mit ... Ich bin sehr begierig, an die übrigen Blüthen zu riechen, die in meiner Abwesenheit an Ihren Raff[inerien] gar ausgeschlagen: auch den Gärtner selbst möcht' ich[214]10 wieder sehen.... Lokke! wenn dein Geist mit dem H. Pfarrer in diesen Brief hineinsieht: so regiere ihn aufs Beste und bringe ihn so weit, daß er mir dein Werk über den menschlichen Verstand schikket, damit mein eigner sich bessert: denn ich weis es wol, daß du auch sonst ihn inspirirst! ....... Wenn ich an Ihrer Stelle wäre: so wendete ich diese15 Seite gar nicht um.
Denn lieber Himmel! was kan iezt anders kommen als etwas, das Sie nicht freuen kan? Da ich den Lokke schon einmal gebrauchet habe: so mus ich mich nothwendig an einen andern wenden und es ist sehr gut, daß mir die h. Anna beifält, die (nach den Katholiken) bereichert:20 die wil ich geschikt anrufen. Denn wahrhaftig, h. Anna! sage selbst, würde es sich wol für mich schikken, den H. Pf. Vogel in Rehau, der den zwei Bestandtheilen meines Wesens schon so viele Nahrung zugeführet, wieder im Namen meiner Mutter um 10 oder 8 fl. aus dem Gottes- hause anzusprechen? Wenigstens ist es für dich weit schiklicher, wenn du25 im Namen der Wolthätigkeit eine ähnliche Bitte vorträgst. Du bist weit heiliger als ich, der ich wie bekant nur ein gemeiner Satiren- schreiber bin, und er kan dir es also weniger versagen. Dazu bedenke genugsam, daß du ein Frauenzimmer bist; als dieses kanst du noch mehr auf die Erfüllung deiner Bitte dringen. Wenn nun der grämliche30 Kirchenvater in seine Stube trit: so brauche -- sonst ist alles vergebens -- deine Almacht und thue (welches sogar deine Reliquien vermögen) ein wahres Wunder, indem du meiner Mutter in den Augen des alten Kirchenvaters (dieses treuen Thieres, das auf dem ganzen Schaze als Wächter sizt) die Gestalt des H. Pfarrers leihest; und dies ist leicht, du35 ziehest ihr nämlich ein Paar Hosen an und einen Schlafrok und giebst ihr viel Heterodoxie und Verstand und Lustigkeit .... Solte es die h.
156. An Pfarrer Vogel in Rehau.
Hochehrwürdiger und Hochgelehrter Herr, Hochzuverehrender Herr Pfarrer,
Ihr voriges Papier war blau; aber dieſes iſt ſchlecht.... Hier ſend’ ich Ihnen einen Aukzionskatalog, um deſſen beſchleunigte Zurük-5 gabe ich Sie bitte: wenn Sie Bücher daraus ausleſen; ſo wil ich Ihr Spediteur dabei ſein .... Sobald ich nach Rehau komme: bringe ich die Beicht des Trogenpredigers mit … Ich bin ſehr begierig, an die übrigen Blüthen zu riechen, die in meiner Abweſenheit an Ihren Raff[inerien] gar ausgeſchlagen: auch den Gärtner ſelbſt möcht’ ich[214]10 wieder ſehen.... Lokke! wenn dein Geiſt mit dem H. Pfarrer in dieſen Brief hineinſieht: ſo regiere ihn aufs Beſte und bringe ihn ſo weit, daß er mir dein Werk über den menſchlichen Verſtand ſchikket, damit mein eigner ſich beſſert: denn ich weis es wol, daß du auch ſonſt ihn inſpirirſt! ....... Wenn ich an Ihrer Stelle wäre: ſo wendete ich dieſe15 Seite gar nicht um.
Denn lieber Himmel! was kan iezt anders kommen als etwas, das Sie nicht freuen kan? Da ich den Lokke ſchon einmal gebrauchet habe: ſo mus ich mich nothwendig an einen andern wenden und es iſt ſehr gut, daß mir die h. Anna beifält, die (nach den Katholiken) bereichert:20 die wil ich geſchikt anrufen. Denn wahrhaftig, h. Anna! ſage ſelbſt, würde es ſich wol für mich ſchikken, den H. Pf. Vogel in Rehau, der den zwei Beſtandtheilen meines Weſens ſchon ſo viele Nahrung zugeführet, wieder im Namen meiner Mutter um 10 oder 8 fl. aus dem Gottes- hauſe anzuſprechen? Wenigſtens iſt es für dich weit ſchiklicher, wenn du25 im Namen der Wolthätigkeit eine ähnliche Bitte vorträgſt. Du biſt weit heiliger als ich, der ich wie bekant nur ein gemeiner Satiren- ſchreiber bin, und er kan dir es alſo weniger verſagen. Dazu bedenke genugſam, daß du ein Frauenzimmer biſt; als dieſes kanſt du noch mehr auf die Erfüllung deiner Bitte dringen. Wenn nun der grämliche30 Kirchenvater in ſeine Stube trit: ſo brauche — ſonſt iſt alles vergebens — deine Almacht und thue (welches ſogar deine Reliquien vermögen) ein wahres Wunder, indem du meiner Mutter in den Augen des alten Kirchenvaters (dieſes treuen Thieres, das auf dem ganzen Schaze als Wächter ſizt) die Geſtalt des H. Pfarrers leiheſt; und dies iſt leicht, du35 zieheſt ihr nämlich ein Paar Hoſen an und einen Schlafrok und giebſt ihr viel Heterodoxie und Verſtand und Luſtigkeit .... Solte es die h.
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156. An Pfarrer Vogel in Rehau.
Hochehrwürdiger und Hochgelehrter Herr,
Hochzuverehrender Herr Pfarrer,
Ihr voriges Papier war blau; aber dieſes iſt ſchlecht.... Hier
ſend’ ich Ihnen einen Aukzionskatalog, um deſſen beſchleunigte Zurük- 5
gabe ich Sie bitte: wenn Sie Bücher daraus ausleſen; ſo wil ich Ihr
Spediteur dabei ſein .... Sobald ich nach Rehau komme: bringe ich
die Beicht des Trogenpredigers mit … Ich bin ſehr begierig, an die
übrigen Blüthen zu riechen, die in meiner Abweſenheit an Ihren
Raff[inerien] gar ausgeſchlagen: auch den Gärtner ſelbſt möcht’ ich 10
wieder ſehen.... Lokke! wenn dein Geiſt mit dem H. Pfarrer in dieſen
Brief hineinſieht: ſo regiere ihn aufs Beſte und bringe ihn ſo weit,
daß er mir dein Werk über den menſchlichen Verſtand ſchikket, damit
mein eigner ſich beſſert: denn ich weis es wol, daß du auch ſonſt ihn
inſpirirſt! ....... Wenn ich an Ihrer Stelle wäre: ſo wendete ich dieſe 15
Seite gar nicht um.
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Denn lieber Himmel! was kan iezt anders kommen als etwas, das
Sie nicht freuen kan? Da ich den Lokke ſchon einmal gebrauchet habe:
ſo mus ich mich nothwendig an einen andern wenden und es iſt ſehr
gut, daß mir die h. Anna beifält, die (nach den Katholiken) bereichert: 20
die wil ich geſchikt anrufen. Denn wahrhaftig, h. Anna! ſage ſelbſt,
würde es ſich wol für mich ſchikken, den H. Pf. Vogel in Rehau, der den
zwei Beſtandtheilen meines Weſens ſchon ſo viele Nahrung zugeführet,
wieder im Namen meiner Mutter um 10 oder 8 fl. aus dem Gottes-
hauſe anzuſprechen? Wenigſtens iſt es für dich weit ſchiklicher, wenn du 25
im Namen der Wolthätigkeit eine ähnliche Bitte vorträgſt. Du biſt
weit heiliger als ich, der ich wie bekant nur ein gemeiner Satiren-
ſchreiber bin, und er kan dir es alſo weniger verſagen. Dazu bedenke
genugſam, daß du ein Frauenzimmer biſt; als dieſes kanſt du noch mehr
auf die Erfüllung deiner Bitte dringen. Wenn nun der grämliche 30
Kirchenvater in ſeine Stube trit: ſo brauche — ſonſt iſt alles vergebens
— deine Almacht und thue (welches ſogar deine Reliquien vermögen)
ein wahres Wunder, indem du meiner Mutter in den Augen des alten
Kirchenvaters (dieſes treuen Thieres, das auf dem ganzen Schaze als
Wächter ſizt) die Geſtalt des H. Pfarrers leiheſt; und dies iſt leicht, du 35
zieheſt ihr nämlich ein Paar Hoſen an und einen Schlafrok und giebſt
ihr viel Heterodoxie und Verſtand und Luſtigkeit .... Solte es die h.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/228>, abgerufen am 23.11.2024.
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