völlig umgeschmolzen und mit neuen Stükken ergänzet. Jene Ein- schränkung und diese Umarbeitung mögen die Zudringlichkeit vielleicht entschuldigen, die ich mir durch die Wiederholung einer abgeschlagnen Bitte zu Schulden kommen lasse. Möchten Sie mir wenigstens die ge- währen, es zu prüfen oder prüfen zu lassen! Und vielleicht bewilligen5 Sie mir diese leztere, wenn ich mich auf das Urtheil beruffe, das H. Meißner und Weisse über diese Satiren gefället.
86. An Kammerrat von Oerthel in Töpen.
[Kopie][Hof, 10. Dez. 1784. Freitag]
Das schlimme Wetter wird mich schon bei Ew. entschuldigt haben,10 daß ich mein Versprechen, den vorigen Sonabend zu kommen, nicht gehalten habe. Gefället [es] Ihnen und dem Wetter, so halt' ich mein Versprechen morgen; und wir besuchen am Sontag die Kirche und den H. Amtman. = Allein meine Brüder haben das Predigtbuch auf einen sehr verstümmelten Fus gesezet und verschiedne Predigten15 um ihre Hare gewikkelt, gerade als ob sie schon -- gedrukt wären. Übrigens sind sie so geschrieben, daß ich mir durch ihre Lesung meine leiblichen Augen eben so sehr geschwächt als ich durch sie meine geistlichen gestärkt habe.
87. An Pfarrer Vogel in Rehau.
Hochehrwürdiger und Hochgelehrter Herr, Hochzuverehrender Herr Pfarrer,
Mein Bruder wird Ihnen die vier Lehrmeister in der Serviette getragen bringen, die Sie meiner Belehrung gütigst verwilliget. Ihre Bibliothek ist meine Akademie und ich darf bei allen Ihren25 Büchern Kollegien hören, die ich obendrein gratis bekomme. Allein in [147]Ihrer Bibliothek ist die Stelle eines Professors, der mit theologischem Räsonnement zugleich Wiz verknüpfet und der Theologie stat ihres schwarzen Roks ein schönes Galakleid schenket, seit Erasmus Tode unbesezt geblieben; und wahrhaftig diese wichtige Stelle darf nicht30 länger ledig stehen als höchstens bis zur künftigen Ostermesse. Ich ersuche daher Ew. Hochehrwürden, daß Sie mich zum Muster im Fleisse sich vorstellen und nicht sogar [!] saumselig als es leider Ihre Gewohnheit ist, in der Verfertigung ienes Professors, mit dem Sie
völlig umgeſchmolzen und mit neuen Stükken ergänzet. Jene Ein- ſchränkung und dieſe Umarbeitung mögen die Zudringlichkeit vielleicht entſchuldigen, die ich mir durch die Wiederholung einer abgeſchlagnen Bitte zu Schulden kommen laſſe. Möchten Sie mir wenigſtens die ge- währen, es zu prüfen oder prüfen zu laſſen! Und vielleicht bewilligen5 Sie mir dieſe leztere, wenn ich mich auf das Urtheil beruffe, das H. Meißner und Weiſſe über dieſe Satiren gefället.
86. An Kammerrat von Oerthel in Töpen.
[Kopie][Hof, 10. Dez. 1784. Freitag]
Das ſchlimme Wetter wird mich ſchon bei Ew. entſchuldigt haben,10 daß ich mein Verſprechen, den vorigen Sonabend zu kommen, nicht gehalten habe. Gefället [es] Ihnen und dem Wetter, ſo halt’ ich mein Verſprechen morgen; und wir beſuchen am Sontag die Kirche und den H. Amtman. = Allein meine Brüder haben das Predigtbuch auf einen ſehr verſtümmelten Fus geſezet und verſchiedne Predigten15 um ihre Hare gewikkelt, gerade als ob ſie ſchon — gedrukt wären. Übrigens ſind ſie ſo geſchrieben, daß ich mir durch ihre Leſung meine leiblichen Augen eben ſo ſehr geſchwächt als ich durch ſie meine geiſtlichen geſtärkt habe.
87. An Pfarrer Vogel in Rehau.
Hochehrwürdiger und Hochgelehrter Herr, Hochzuverehrender Herr Pfarrer,
Mein Bruder wird Ihnen die vier Lehrmeiſter in der Serviette getragen bringen, die Sie meiner Belehrung gütigſt verwilliget. Ihre Bibliothek iſt meine Akademie und ich darf bei allen Ihren25 Büchern Kollegien hören, die ich obendrein gratis bekomme. Allein in [147]Ihrer Bibliothek iſt die Stelle eines Profeſſors, der mit theologiſchem Räſonnement zugleich Wiz verknüpfet und der Theologie ſtat ihres ſchwarzen Roks ein ſchönes Galakleid ſchenket, ſeit Eraſmus Tode unbeſezt geblieben; und wahrhaftig dieſe wichtige Stelle darf nicht30 länger ledig ſtehen als höchſtens bis zur künftigen Oſtermeſſe. Ich erſuche daher Ew. Hochehrwürden, daß Sie mich zum Muſter im Fleiſſe ſich vorſtellen und nicht ſogar [!] ſaumſelig als es leider Ihre Gewohnheit iſt, in der Verfertigung ienes Profeſſors, mit dem Sie
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Bitte zu Schulden kommen laſſe. Möchten Sie mir wenigſtens die ge-
währen, es zu prüfen oder prüfen zu laſſen! Und vielleicht bewilligen 5
Sie mir dieſe leztere, wenn ich mich auf das Urtheil beruffe, das
H. Meißner und Weiſſe über dieſe Satiren gefället.
86. An Kammerrat von Oerthel in Töpen.
[Hof, 10. Dez. 1784. Freitag]
Das ſchlimme Wetter wird mich ſchon bei Ew. entſchuldigt haben, 10
daß ich mein Verſprechen, den vorigen Sonabend zu kommen, nicht
gehalten habe. Gefället [es] Ihnen und dem Wetter, ſo halt’ ich
mein Verſprechen morgen; und wir beſuchen am Sontag die Kirche
und den H. Amtman. = Allein meine Brüder haben das Predigtbuch
auf einen ſehr verſtümmelten Fus geſezet und verſchiedne Predigten 15
um ihre Hare gewikkelt, gerade als ob ſie ſchon — gedrukt wären.
Übrigens ſind ſie ſo geſchrieben, daß ich mir durch ihre Leſung meine
leiblichen Augen eben ſo ſehr geſchwächt als ich durch ſie meine
geiſtlichen geſtärkt habe.
87. An Pfarrer Vogel in Rehau.
Hochehrwürdiger und Hochgelehrter Herr,
Hochzuverehrender Herr Pfarrer,
Mein Bruder wird Ihnen die vier Lehrmeiſter in der Serviette
getragen bringen, die Sie meiner Belehrung gütigſt verwilliget.
Ihre Bibliothek iſt meine Akademie und ich darf bei allen Ihren 25
Büchern Kollegien hören, die ich obendrein gratis bekomme. Allein in
Ihrer Bibliothek iſt die Stelle eines Profeſſors, der mit theologiſchem
Räſonnement zugleich Wiz verknüpfet und der Theologie ſtat ihres
ſchwarzen Roks ein ſchönes Galakleid ſchenket, ſeit Eraſmus Tode
unbeſezt geblieben; und wahrhaftig dieſe wichtige Stelle darf nicht 30
länger ledig ſtehen als höchſtens bis zur künftigen Oſtermeſſe. Ich
erſuche daher Ew. Hochehrwürden, daß Sie mich zum Muſter im
Fleiſſe ſich vorſtellen und nicht ſogar [!] ſaumſelig als es leider Ihre
Gewohnheit iſt, in der Verfertigung ienes Profeſſors, mit dem Sie
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/162>, abgerufen am 25.07.2024.
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