blos der Betastung mit seinen eignen Händen und der Betrachtung mit seinen eignen Augen glauben. Und er wünschte recht ser, Sie der- gestalt in Harnisch zu bringen, daß Sie ihn für seinen Skeptizismus[123] durch die Nachamung Christi sobald als möglich zu beschämen und zu bestrafen eilten. -- Die Gegenstände, worüber Sie raffiniren wollen,5 werden iedem gefallen: denn es ist zu schwer, darüber etwas neues zu sagen, als daß es nicht doppelt überraschend sein solte, darüber doch etwas neues zu lesen. -- Für einen Verleger sorgen Sie iezt nur nicht. Da indessen diese Leute eben so ungläubige Thomasse im Werte Ihres Buches sein werden als ich es im Dasein desselben bin: so werden Sie10 vielleicht meine Überzeugung von dem leztern doch wenigstens darum beschleunigen, um von dem ersten iene zu überfüren, die mein Urteil über Ihr Werk übertrieben zu finden nur dan aufhören können, wenn sie es übertroffen gefunden. -- Blos die Geschwindigkeit, mit der ich Ihnen diesen Brief schikken wolte, ist schuld, daß ihn das Buch noch15 nicht begleitet, das Sie verlangen und um das ich mir keine mislungne Mühe zu geben hoffe. Noch gewisser geb' ich mir keine uneigennüzige; da ich dadurch die Geburt Ihres Buchs, das ia ich auch zu lesen bekomme, beschleunige. --
Ein Par Worte von meinem! Ihrem Tadel desselben felet zur20 völligen Richtigkeit nur grössere Strenge oder doch Deutlichkeit. Er trift erstlich die Wal und dan die Behandlung der Materien; wiewol Sie den Tadel der leztern in den Tadel der erstern ganz verlarven und verschleiern. Allerdings hätte ich -- nicht zwar gar keine schrift- stellerischen Torheiten; aber doch -- nur solche zu geiseln wälen sollen,25 die weniger algemein sind und die mer interessiren. Denn warum ich es überhaupt tat, sagt die Vorrede deutlich: ich gebe mich solange mit den Büchern ab, als ich die Menschen noch nicht genug kenne, sie belachen zu dürfen und zu können. Dazu kommen ia in "der Bitschrift um Torheiten" nur blos wieder solche Gegenstände vor, die den Kunstrichter nicht30 allein interessiren können. Da Sie aber doch diese Satire nicht von Ihrem Tadel ausnemen: so schliesse ich, daß er ausser der Wal der Materie auch die Bearbeitung derselben verstekt angreife. Und Sie haben Recht, wenn Sie von den drei ersten Satiren etwan behaupten, daß darinnen des gezwungnen Wizes zuviel, die Änlichkeiten zu ent-35 fernt, der Ausdruk zu dunkel sei. Ich bin dieser wizigen Wollüste selber sat: nur zu ser entstellen sie sogar auch meine vorigen Briefe an Sie.
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blos der Betaſtung mit ſeinen eignen Händen und der Betrachtung mit ſeinen eignen Augen glauben. Und er wünſchte recht ſer, Sie der- geſtalt in Harniſch zu bringen, daß Sie ihn für ſeinen Skeptiziſmus[123] durch die Nachamung Chriſti ſobald als möglich zu beſchämen und zu beſtrafen eilten. — Die Gegenſtände, worüber Sie raffiniren wollen,5 werden iedem gefallen: denn es iſt zu ſchwer, darüber etwas neues zu ſagen, als daß es nicht doppelt überraſchend ſein ſolte, darüber doch etwas neues zu leſen. — Für einen Verleger ſorgen Sie iezt nur nicht. Da indeſſen dieſe Leute eben ſo ungläubige Thomaſſe im Werte Ihres Buches ſein werden als ich es im Daſein deſſelben bin: ſo werden Sie10 vielleicht meine Überzeugung von dem leztern doch wenigſtens darum beſchleunigen, um von dem erſten iene zu überfüren, die mein Urteil über Ihr Werk übertrieben zu finden nur dan aufhören können, wenn ſie es übertroffen gefunden. — Blos die Geſchwindigkeit, mit der ich Ihnen dieſen Brief ſchikken wolte, iſt ſchuld, daß ihn das Buch noch15 nicht begleitet, das Sie verlangen und um das ich mir keine mislungne Mühe zu geben hoffe. Noch gewiſſer geb’ ich mir keine uneigennüzige; da ich dadurch die Geburt Ihres Buchs, das ia ich auch zu leſen bekomme, beſchleunige. —
Ein Par Worte von meinem! Ihrem Tadel deſſelben felet zur20 völligen Richtigkeit nur gröſſere Strenge oder doch Deutlichkeit. Er trift erſtlich die Wal und dan die Behandlung der Materien; wiewol Sie den Tadel der leztern in den Tadel der erſtern ganz verlarven und verſchleiern. Allerdings hätte ich — nicht zwar gar keine ſchrift- ſtelleriſchen Torheiten; aber doch — nur ſolche zu geiſeln wälen ſollen,25 die weniger algemein ſind und die mer intereſſiren. Denn warum ich es überhaupt tat, ſagt die Vorrede deutlich: ich gebe mich ſolange mit den Büchern ab, als ich die Menſchen noch nicht genug kenne, ſie belachen zu dürfen und zu können. Dazu kommen ia in „der Bitſchrift um Torheiten“ nur blos wieder ſolche Gegenſtände vor, die den Kunſtrichter nicht30 allein intereſſiren können. Da Sie aber doch dieſe Satire nicht von Ihrem Tadel ausnemen: ſo ſchlieſſe ich, daß er auſſer der Wal der Materie auch die Bearbeitung derſelben verſtekt angreife. Und Sie haben Recht, wenn Sie von den drei erſten Satiren etwan behaupten, daß darinnen des gezwungnen Wizes zuviel, die Änlichkeiten zu ent-35 fernt, der Ausdruk zu dunkel ſei. Ich bin dieſer wizigen Wollüſte ſelber ſat: nur zu ſer entſtellen ſie ſogar auch meine vorigen Briefe an Sie.
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blos der Betaſtung mit ſeinen eignen Händen und der Betrachtung mit
ſeinen eignen Augen glauben. Und er wünſchte recht ſer, Sie der-
geſtalt in Harniſch zu bringen, daß Sie ihn für ſeinen Skeptiziſmus
durch die Nachamung Chriſti ſobald als möglich zu beſchämen und zu
beſtrafen eilten. — Die Gegenſtände, worüber Sie raffiniren wollen, 5
werden iedem gefallen: denn es iſt zu ſchwer, darüber etwas neues zu
ſagen, als daß es nicht doppelt überraſchend ſein ſolte, darüber doch
etwas neues zu leſen. — Für einen Verleger ſorgen Sie iezt nur nicht.
Da indeſſen dieſe Leute eben ſo ungläubige Thomaſſe im Werte Ihres
Buches ſein werden als ich es im Daſein deſſelben bin: ſo werden Sie 10
vielleicht meine Überzeugung von dem leztern doch wenigſtens darum
beſchleunigen, um von dem erſten iene zu überfüren, die mein Urteil
über Ihr Werk übertrieben zu finden nur dan aufhören können, wenn
ſie es übertroffen gefunden. — Blos die Geſchwindigkeit, mit der ich
Ihnen dieſen Brief ſchikken wolte, iſt ſchuld, daß ihn das Buch noch 15
nicht begleitet, das Sie verlangen und um das ich mir keine mislungne
Mühe zu geben hoffe. Noch gewiſſer geb’ ich mir keine uneigennüzige;
da ich dadurch die Geburt Ihres Buchs, das ia ich auch zu leſen
bekomme, beſchleunige. —
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Ein Par Worte von meinem! Ihrem Tadel deſſelben felet zur 20
völligen Richtigkeit nur gröſſere Strenge oder doch Deutlichkeit. Er
trift erſtlich die Wal und dan die Behandlung der Materien; wiewol
Sie den Tadel der leztern in den Tadel der erſtern ganz verlarven und
verſchleiern. Allerdings hätte ich — nicht zwar gar keine ſchrift-
ſtelleriſchen Torheiten; aber doch — nur ſolche zu geiſeln wälen ſollen, 25
die weniger algemein ſind und die mer intereſſiren. Denn warum ich es
überhaupt tat, ſagt die Vorrede deutlich: ich gebe mich ſolange mit den
Büchern ab, als ich die Menſchen noch nicht genug kenne, ſie belachen zu
dürfen und zu können. Dazu kommen ia in „der Bitſchrift um Torheiten“
nur blos wieder ſolche Gegenſtände vor, die den Kunſtrichter nicht 30
allein intereſſiren können. Da Sie aber doch dieſe Satire nicht von
Ihrem Tadel ausnemen: ſo ſchlieſſe ich, daß er auſſer der Wal der
Materie auch die Bearbeitung derſelben verſtekt angreife. Und Sie
haben Recht, wenn Sie von den drei erſten Satiren etwan behaupten,
daß darinnen des gezwungnen Wizes zuviel, die Änlichkeiten zu ent- 35
fernt, der Ausdruk zu dunkel ſei. Ich bin dieſer wizigen Wollüſte ſelber
ſat: nur zu ſer entſtellen ſie ſogar auch meine vorigen Briefe an Sie.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/139>, abgerufen am 24.11.2024.
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