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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

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sein Thatenleben? Wo liegt der Hauptfehler?
So groß er auch für sich selber war, er ahnete
nicht die Hehrheit eines Volksthums. Trefflich
verstand er einen Staat zu bauen, aber stif¬
tete kein Volk in ihm, weil er das Bedürfniß
verkannte. Wie ganz anders würde es gewor¬
den sein, wäre er zu den Britten gekommen,
und hätte er sich mit einer Englischen Königs¬
tochter vermählen dürfen! Garrik allein hätte
mit einem Mahle ihm den ganzen Voltaire ver¬
leidet, und Eine Rede im Parlement Ludwigs
Blendwerk entzaubert. Nichts ist ein Staat oh¬
ne Volk, ein seelenloses Kunstwerk; nichts ist ein
Volk ohne Staat, ein leibloser luftiger Sche¬
men, wie die weltflüchtigen Zigeuner und Ju¬
den. Staat und Volk in Eins, geben erst ein
Reich, und dessen Erhaltungsgewalt bleibt das
Volksthum.

4) Warum mißlangen alle Auflehnungen
der Völklein Jtaliens wider Rom, bis auf den
unsterblichen Völkerbeweger, Silo Poppä¬
dius
? Weil nur er -- wie keiner vor, und
nach ihm -- den herrlichen Plan denken konnte,
an die Stelle des Römerthums, ein Jtalisches
Volksthum
zu setzen.

ſein Thatenleben? Wo liegt der Hauptfehler?
So groß er auch für ſich ſelber war, er ahnete
nicht die Hehrheit eines Volksthums. Trefflich
verſtand er einen Staat zu bauen, aber ſtif¬
tete kein Volk in ihm, weil er das Bedürfniß
verkannte. Wie ganz anders würde es gewor¬
den ſein, wäre er zu den Britten gekommen,
und hätte er ſich mit einer Engliſchen Königs¬
tochter vermählen dürfen! Garrik allein hätte
mit einem Mahle ihm den ganzen Voltaire ver¬
leidet, und Eine Rede im Parlement Ludwigs
Blendwerk entzaubert. Nichts iſt ein Staat oh¬
ne Volk, ein ſeelenloſes Kunſtwerk; nichts iſt ein
Volk ohne Staat, ein leibloſer luftiger Sche¬
men, wie die weltflüchtigen Zigeuner und Ju¬
den. Staat und Volk in Eins, geben erſt ein
Reich, und deſſen Erhaltungsgewalt bleibt das
Volksthum.

4) Warum mißlangen alle Auflehnungen
der Völklein Jtaliens wider Rom, bis auf den
unſterblichen Völkerbeweger, Silo Poppä¬
dius
? Weil nur er — wie keiner vor, und
nach ihm — den herrlichen Plan denken konnte,
an die Stelle des Römerthums, ein Jtaliſches
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zu ſetzen.

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[18/0048] 18 ſein Thatenleben? Wo liegt der Hauptfehler? So groß er auch für ſich ſelber war, er ahnete nicht die Hehrheit eines Volksthums. Trefflich verſtand er einen Staat zu bauen, aber ſtif¬ tete kein Volk in ihm, weil er das Bedürfniß verkannte. Wie ganz anders würde es gewor¬ den ſein, wäre er zu den Britten gekommen, und hätte er ſich mit einer Engliſchen Königs¬ tochter vermählen dürfen! Garrik allein hätte mit einem Mahle ihm den ganzen Voltaire ver¬ leidet, und Eine Rede im Parlement Ludwigs Blendwerk entzaubert. Nichts iſt ein Staat oh¬ ne Volk, ein ſeelenloſes Kunſtwerk; nichts iſt ein Volk ohne Staat, ein leibloſer luftiger Sche¬ men, wie die weltflüchtigen Zigeuner und Ju¬ den. Staat und Volk in Eins, geben erſt ein Reich, und deſſen Erhaltungsgewalt bleibt das Volksthum. 4) Warum mißlangen alle Auflehnungen der Völklein Jtaliens wider Rom, bis auf den unſterblichen Völkerbeweger, Silo Poppä¬ dius? Weil nur er — wie keiner vor, und nach ihm — den herrlichen Plan denken konnte, an die Stelle des Römerthums, ein Jtaliſches Volksthum zu ſetzen.

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/48>, abgerufen am 21.11.2024.