während der Freudetrunkenheit, sondern schon lange vorher, und lange nachher beobachten. Nicht an der köstlich besetzten Tafel kann man wissen, wie den Gästen die Speisen bekommen, hernach muß man Acht geben, wie die Lebens¬ verrichtungen und Geschäfte von Statten gehn. Wahrer Freude folgt Nachgenuß, Ausgelassen¬ heit rächt mit Nachwehen.
Der Staat giebt bald keinen, bald lässet er wieder zu viel Spielraum. Ob in der Ad¬ vents- oder Fastenzeit die Tonkunst als öffentli¬ che Belustigung eingestellt wird, mag schwerlich je Einfluß auf Staatswohl und Sittlichkeit ha¬ ben -- desto mehr aber, ob überhaupt nach Mit¬ ternacht noch zum Tanze aufgespielt werden soll oder nicht. Fremde unverzollte, ja selbst Engli¬ sche Waaren werden das innere Vaterlandswohl nicht so in Gefahr bringen, als der öffentliche Buhlhandel mit zur Schau getragenen verbor¬ genen Reizen. Wenn die Weiber als Däm¬ merungsvögel und Nachtschmetterlinge in der Nachtluft umherschwärmen von einem Mond¬ scheinsgewande nur so viel bekleidet, daß die Nacktheit durch die Eintheilung desto mehr auf¬
während der Freudetrunkenheit, ſondern ſchon lange vorher, und lange nachher beobachten. Nicht an der köſtlich beſetzten Tafel kann man wiſſen, wie den Gäſten die Speiſen bekommen, hernach muß man Acht geben, wie die Lebens¬ verrichtungen und Geſchäfte von Statten gehn. Wahrer Freude folgt Nachgenuß, Ausgelaſſen¬ heit rächt mit Nachwehen.
Der Staat giebt bald keinen, bald läſſet er wieder zu viel Spielraum. Ob in der Ad¬ vents- oder Faſtenzeit die Tonkunſt als öffentli¬ che Beluſtigung eingeſtellt wird, mag ſchwerlich je Einfluß auf Staatswohl und Sittlichkeit ha¬ ben — deſto mehr aber, ob überhaupt nach Mit¬ ternacht noch zum Tanze aufgeſpielt werden ſoll oder nicht. Fremde unverzollte, ja ſelbſt Engli¬ ſche Waaren werden das innere Vaterlandswohl nicht ſo in Gefahr bringen, als der öffentliche Buhlhandel mit zur Schau getragenen verbor¬ genen Reizen. Wenn die Weiber als Däm¬ merungsvögel und Nachtſchmetterlinge in der Nachtluft umherſchwärmen von einem Mond¬ ſcheinsgewande nur ſo viel bekleidet, daß die Nacktheit durch die Eintheilung deſto mehr auf¬
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während der Freudetrunkenheit, ſondern ſchon
lange vorher, und lange nachher beobachten.
Nicht an der köſtlich beſetzten Tafel kann man
wiſſen, wie den Gäſten die Speiſen bekommen,
hernach muß man Acht geben, wie die Lebens¬
verrichtungen und Geſchäfte von Statten gehn.
Wahrer Freude folgt Nachgenuß, Ausgelaſſen¬
heit rächt mit Nachwehen.
Der Staat giebt bald keinen, bald läſſet
er wieder zu viel Spielraum. Ob in der Ad¬
vents- oder Faſtenzeit die Tonkunſt als öffentli¬
che Beluſtigung eingeſtellt wird, mag ſchwerlich
je Einfluß auf Staatswohl und Sittlichkeit ha¬
ben — deſto mehr aber, ob überhaupt nach Mit¬
ternacht noch zum Tanze aufgeſpielt werden ſoll
oder nicht. Fremde unverzollte, ja ſelbſt Engli¬
ſche Waaren werden das innere Vaterlandswohl
nicht ſo in Gefahr bringen, als der öffentliche
Buhlhandel mit zur Schau getragenen verbor¬
genen Reizen. Wenn die Weiber als Däm¬
merungsvögel und Nachtſchmetterlinge in der
Nachtluft umherſchwärmen von einem Mond¬
ſcheinsgewande nur ſo viel bekleidet, daß die
Nacktheit durch die Eintheilung deſto mehr auf¬
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/375>, abgerufen am 22.11.2024.
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