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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

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3. Volksfeste.
a) Über Festlichkeiten, Feierlichkeiten
und Gebräuche
.

Festlichkeiten, Feierlichkeiten und Gebräuche
sind als unzertrennliche Gefährten des gesell¬
schaftlichen Seins auf der Erde verbreitet, so
weit Menschen verkehren. Sie schließen sich den
wichtigsten Handlungen an, gesellen sich zur
Freude und Trauer, ja durchschlingen das gan¬
ze menschliche Leben. Sie sind ein Bedürfniß
des Menschen, der das Geistige in einem vermit¬
telnden Sinnbilde reiner erkennt, das Übersinn¬
liche in einer sinnlichen Vergegenwärtigung sich
tiefer ins Herz prägt. Das reine Licht ist dem
irdischen Auge Finsterniß, Sonnenstrahlen blen¬
den, der reine wolkenlose Himmel ist nicht un¬
sichtbar, giebt aber nichts zum Sehen. Die
Sinne reden auch, Künste bilden diese Sprache,
die dort noch verstanden wird, wo kein Wort mehr
anklingt. Menschenworte bleiben oft nur verhal¬
lende Laute, und todte Buchstaben: Aber was
bloß dem wahren Menschenth um in seinem Ringen

Y

3. Volksfeſte.
a) Uͤber Feſtlichkeiten, Feierlichkeiten
und Gebraͤuche
.

Feſtlichkeiten, Feierlichkeiten und Gebräuche
ſind als unzertrennliche Gefährten des geſell¬
ſchaftlichen Seins auf der Erde verbreitet, ſo
weit Menſchen verkehren. Sie ſchließen ſich den
wichtigſten Handlungen an, geſellen ſich zur
Freude und Trauer, ja durchſchlingen das gan¬
ze menſchliche Leben. Sie ſind ein Bedürfniß
des Menſchen, der das Geiſtige in einem vermit¬
telnden Sinnbilde reiner erkennt, das Überſinn¬
liche in einer ſinnlichen Vergegenwärtigung ſich
tiefer ins Herz prägt. Das reine Licht iſt dem
irdiſchen Auge Finſterniß, Sonnenſtrahlen blen¬
den, der reine wolkenloſe Himmel iſt nicht un¬
ſichtbar, giebt aber nichts zum Sehen. Die
Sinne reden auch, Künſte bilden dieſe Sprache,
die dort noch verſtanden wird, wo kein Wort mehr
anklingt. Menſchenworte bleiben oft nur verhal¬
lende Laute, und todte Buchſtaben: Aber was
bloß dem wahren Menſchenth um in ſeinem Ringen

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[337/0367] 337 3. Volksfeſte. 3. Volksfeſte. a) Uͤber Feſtlichkeiten, Feierlichkeiten und Gebraͤuche. Feſtlichkeiten, Feierlichkeiten und Gebräuche ſind als unzertrennliche Gefährten des geſell¬ ſchaftlichen Seins auf der Erde verbreitet, ſo weit Menſchen verkehren. Sie ſchließen ſich den wichtigſten Handlungen an, geſellen ſich zur Freude und Trauer, ja durchſchlingen das gan¬ ze menſchliche Leben. Sie ſind ein Bedürfniß des Menſchen, der das Geiſtige in einem vermit¬ telnden Sinnbilde reiner erkennt, das Überſinn¬ liche in einer ſinnlichen Vergegenwärtigung ſich tiefer ins Herz prägt. Das reine Licht iſt dem irdiſchen Auge Finſterniß, Sonnenſtrahlen blen¬ den, der reine wolkenloſe Himmel iſt nicht un¬ ſichtbar, giebt aber nichts zum Sehen. Die Sinne reden auch, Künſte bilden dieſe Sprache, die dort noch verſtanden wird, wo kein Wort mehr anklingt. Menſchenworte bleiben oft nur verhal¬ lende Laute, und todte Buchſtaben: Aber was bloß dem wahren Menſchenth um in ſeinem Ringen Y

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/367>, abgerufen am 22.11.2024.