heit, mit dem gemeinen Leben kommt man schon aus. Ein Schneider der ein Kleid versieht, muß es ändern; ein Schuhmacher der unbrauch¬ bare Arbeit abliefert, sie zurücknehmen; ein Be¬ leidiger der mit Schmähworten ausgefallen, sie abbitten; kein Handwerker, kein Tagelöhner darf Pfuschereien mit solchem Machtspruch beschöni¬ gen, vor keinem bürgerlichen Gericht gilt solche Ausflucht! Wie sollten sie nun bei der höchsten Behörde statt finden? Was sein soll ist mög¬ lich und nothwendig -- sonst wäre Seinsollen Unding und Unsinn. Was noch nicht ist, wie es sein kann, muß dahin gebracht werden. Die Edeln aller Zeiten strebten immer nach Besser¬ werden und Bessermachen, diesen Gottähnlichkei¬ ten des Menschen, und ihr heiliges Mühen blieb nicht umsonst und vergebens. Sie kann¬ ten die Menschen wie sie waren, das heißt wie sie durch eigene Leidenschaften und Laster ver¬ sunken, durch fremde Neuverführung unheilba¬ rer, durch wechselseitige Mißhandlung entmensch¬ licht. Diese Kunde war hinreichend mit jenen Unglücklichen fertig zu werden, unter ihnen sicher zu schlafen, zu essen, zu trinken, zu genießen, und
heit, mit dem gemeinen Leben kommt man ſchon aus. Ein Schneider der ein Kleid verſieht, muß es ändern; ein Schuhmacher der unbrauch¬ bare Arbeit abliefert, ſie zurücknehmen; ein Be¬ leidiger der mit Schmähworten ausgefallen, ſie abbitten; kein Handwerker, kein Tagelöhner darf Pfuſchereien mit ſolchem Machtſpruch beſchöni¬ gen, vor keinem bürgerlichen Gericht gilt ſolche Auſflucht! Wie ſollten ſie nun bei der höchſten Behörde ſtatt finden? Was ſein ſoll iſt mög¬ lich und nothwendig — ſonſt wäre Seinſollen Unding und Unſinn. Was noch nicht iſt, wie es ſein kann, muß dahin gebracht werden. Die Edeln aller Zeiten ſtrebten immer nach Beſſer¬ werden und Beſſermachen, dieſen Gottähnlichkei¬ ten des Menſchen, und ihr heiliges Mühen blieb nicht umſonſt und vergebens. Sie kann¬ ten die Menſchen wie ſie waren, das heißt wie ſie durch eigene Leidenſchaften und Laſter ver¬ ſunken, durch fremde Neuverführung unheilba¬ rer, durch wechſelſeitige Mißhandlung entmenſch¬ licht. Dieſe Kunde war hinreichend mit jenen Unglücklichen fertig zu werden, unter ihnen ſicher zu ſchlafen, zu eſſen, zu trinken, zu genießen, und
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heit, mit dem gemeinen Leben kommt man ſchon
aus. Ein Schneider der ein Kleid verſieht,
muß es ändern; ein Schuhmacher der unbrauch¬
bare Arbeit abliefert, ſie zurücknehmen; ein Be¬
leidiger der mit Schmähworten ausgefallen, ſie
abbitten; kein Handwerker, kein Tagelöhner darf
Pfuſchereien mit ſolchem Machtſpruch beſchöni¬
gen, vor keinem bürgerlichen Gericht gilt ſolche
Auſflucht! Wie ſollten ſie nun bei der höchſten
Behörde ſtatt finden? Was ſein ſoll iſt mög¬
lich und nothwendig — ſonſt wäre Seinſollen
Unding und Unſinn. Was noch nicht iſt, wie
es ſein kann, muß dahin gebracht werden. Die
Edeln aller Zeiten ſtrebten immer nach Beſſer¬
werden und Beſſermachen, dieſen Gottähnlichkei¬
ten des Menſchen, und ihr heiliges Mühen
blieb nicht umſonſt und vergebens. Sie kann¬
ten die Menſchen wie ſie waren, das heißt wie
ſie durch eigene Leidenſchaften und Laſter ver¬
ſunken, durch fremde Neuverführung unheilba¬
rer, durch wechſelſeitige Mißhandlung entmenſch¬
licht. Dieſe Kunde war hinreichend mit jenen
Unglücklichen fertig zu werden, unter ihnen ſicher
zu ſchlafen, zu eſſen, zu trinken, zu genießen, und
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/236>, abgerufen am 23.11.2024.
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