Ein Bogen ist leichter gefüllt mit leeren Wor¬ ten, als ein Kampfplan mit vollgültigen Tha¬ ten; die Feder leichter getummelt, als das Streit¬ roß. Die Ritterschreiber sind Herren vom Fle¬ derwisch, tragen die Sporen im Kopf. Falle nur Götzens eiserne Hand (dem es doch alle nachthun wollen) auf sie, wie auf die Schergen des Heilbronner Raths. Räubergeschichten! Sonst nehmen die Räuber nur Güter und Le¬ ben, hier rauben sie Herz und Verstand. Es ge¬ hören aber Räuberhauptmänner auf Rabenstei¬ ne, nicht auf Putztische; auf das Blutgerüst, nicht auf den Weiberschooß. Schmutzschrif¬ ten! Wer was auf sich hält, geht Mistpfützen, Stinklachen und Schindangern gern aus dem Wege, zumahl im guten Anzuge und Hochzeits¬ kleide. Wer sie aber in Büchern aufsucht, ist eine lesende Aasfliege. Giftbücher! Eine Schande der Schriftsteller, ein Fluch der Buch¬ drucker, ein Verbrechen der Staatsaufsicht. Zum Blumenstrauß wählt man nicht Brennnesseln und Saudisteln, zum Riechfläschchen nicht be¬ täubende Gifte. Wer diese Gifte aus Büchern wollüstig einsaugt, hat höchstwahrscheinlich den
Ein Bogen iſt leichter gefüllt mit leeren Wor¬ ten, als ein Kampfplan mit vollgültigen Tha¬ ten; die Feder leichter getummelt, als das Streit¬ roß. Die Ritterſchreiber ſind Herren vom Fle¬ derwiſch, tragen die Sporen im Kopf. Falle nur Götzens eiſerne Hand (dem es doch alle nachthun wollen) auf ſie, wie auf die Schergen des Heilbronner Raths. Räubergeſchichten! Sonſt nehmen die Räuber nur Güter und Le¬ ben, hier rauben ſie Herz und Verſtand. Es ge¬ hören aber Räuberhauptmänner auf Rabenſtei¬ ne, nicht auf Putztiſche; auf das Blutgerüſt, nicht auf den Weiberſchooß. Schmutzſchrif¬ ten! Wer was auf ſich hält, geht Miſtpfützen, Stinklachen und Schindangern gern aus dem Wege, zumahl im guten Anzuge und Hochzeits¬ kleide. Wer ſie aber in Büchern aufſucht, iſt eine leſende Aasfliege. Giftbücher! Eine Schande der Schriftſteller, ein Fluch der Buch¬ drucker, ein Verbrechen der Staatsaufſicht. Zum Blumenſtrauß wählt man nicht Brennneſſeln und Saudiſteln, zum Riechfläſchchen nicht be¬ täubende Gifte. Wer dieſe Gifte aus Büchern wollüſtig einſaugt, hat höchſtwahrſcheinlich den
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Ein Bogen iſt leichter gefüllt mit leeren Wor¬
ten, als ein Kampfplan mit vollgültigen Tha¬
ten; die Feder leichter getummelt, als das Streit¬
roß. Die Ritterſchreiber ſind Herren vom Fle¬
derwiſch, tragen die Sporen im Kopf. Falle
nur Götzens eiſerne Hand (dem es doch alle
nachthun wollen) auf ſie, wie auf die Schergen
des Heilbronner Raths. Räubergeſchichten!
Sonſt nehmen die Räuber nur Güter und Le¬
ben, hier rauben ſie Herz und Verſtand. Es ge¬
hören aber Räuberhauptmänner auf Rabenſtei¬
ne, nicht auf Putztiſche; auf das Blutgerüſt,
nicht auf den Weiberſchooß. Schmutzſchrif¬
ten! Wer was auf ſich hält, geht Miſtpfützen,
Stinklachen und Schindangern gern aus dem
Wege, zumahl im guten Anzuge und Hochzeits¬
kleide. Wer ſie aber in Büchern aufſucht, iſt
eine leſende Aasfliege. Giftbücher! Eine
Schande der Schriftſteller, ein Fluch der Buch¬
drucker, ein Verbrechen der Staatsaufſicht. Zum
Blumenſtrauß wählt man nicht Brennneſſeln
und Saudiſteln, zum Riechfläſchchen nicht be¬
täubende Gifte. Wer dieſe Gifte aus Büchern
wollüſtig einſaugt, hat höchſtwahrſcheinlich den
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/233>, abgerufen am 23.11.2024.
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