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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

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menschlich fühlenden, und selbsthandelnden We¬
sen. Nur die einträchtige Ausbildung des ge¬
sammten Menschen bewahrt vor aller und jeder
leiblichen und geistigen Verkrüppelung und Ver¬
zerrung. Wehe der Erziehung, die sich zu Ab¬
richtungshandgriffen erniedrigt, und mit Pfu¬
schergewalt in die Natur greift, statt vermittelnd
herbeizutreten. Es ist keine Menschenbildung,
wenn das Einzelwesen auf Kosten geistiger Be¬
dürfnisse staatsbürgerliche Fortschritte macht; der
Geist zum Schaden und Nachtheil der Kraft
und Gesundheit hoch fliegt, und endlich der Kör¬
per nur auf Unkosten des Geschmacks und der
Menschlichkeit auf gut thierisch besteht.

B. A. Marks Schulreden. Halberstadt u. Hei¬
ligenstadt bei Dölle 1806.

b) Ersterlernen der Muttersprache.

Erziehen ist nicht ohne Lehren, Erzogenwer¬
den nicht ohne Lernen; erziehungsbedürftig ist
der Mensch, erziehungsfähig wird er erst durch
die Sprache. Nur durch die Sprache denkt er.
Ohne Sprache giebt es kein Festhalten der Be¬
griffe, kein Bestimmen derselben zum Urtheil,
kein Aneinanderreihen von diesen zu Schlüssen.

menſchlich fühlenden, und ſelbſthandelnden We¬
ſen. Nur die einträchtige Ausbildung des ge¬
ſammten Menſchen bewahrt vor aller und jeder
leiblichen und geiſtigen Verkrüppelung und Ver¬
zerrung. Wehe der Erziehung, die ſich zu Ab¬
richtungshandgriffen erniedrigt, und mit Pfu¬
ſchergewalt in die Natur greift, ſtatt vermittelnd
herbeizutreten. Es iſt keine Menſchenbildung,
wenn das Einzelweſen auf Koſten geiſtiger Be¬
dürfniſſe ſtaatsbürgerliche Fortſchritte macht; der
Geiſt zum Schaden und Nachtheil der Kraft
und Geſundheit hoch fliegt, und endlich der Kör¬
per nur auf Unkoſten des Geſchmacks und der
Menſchlichkeit auf gut thieriſch beſteht.

B. A. Marks Schulreden. Halberſtadt u. Hei¬
ligenſtadt bei Dölle 1806.

b) Erſterlernen der Mutterſprache.

Erziehen iſt nicht ohne Lehren, Erzogenwer¬
den nicht ohne Lernen; erziehungsbedürftig iſt
der Menſch, erziehungsfähig wird er erſt durch
die Sprache. Nur durch die Sprache denkt er.
Ohne Sprache giebt es kein Feſthalten der Be¬
griffe, kein Beſtimmen derſelben zum Urtheil,
kein Aneinanderreihen von dieſen zu Schlüſſen.

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[184/0214] 184 menſchlich fühlenden, und ſelbſthandelnden We¬ ſen. Nur die einträchtige Ausbildung des ge¬ ſammten Menſchen bewahrt vor aller und jeder leiblichen und geiſtigen Verkrüppelung und Ver¬ zerrung. Wehe der Erziehung, die ſich zu Ab¬ richtungshandgriffen erniedrigt, und mit Pfu¬ ſchergewalt in die Natur greift, ſtatt vermittelnd herbeizutreten. Es iſt keine Menſchenbildung, wenn das Einzelweſen auf Koſten geiſtiger Be¬ dürfniſſe ſtaatsbürgerliche Fortſchritte macht; der Geiſt zum Schaden und Nachtheil der Kraft und Geſundheit hoch fliegt, und endlich der Kör¬ per nur auf Unkoſten des Geſchmacks und der Menſchlichkeit auf gut thieriſch beſteht. B. A. Marks Schulreden. Halberſtadt u. Hei¬ ligenſtadt bei Dölle 1806. b) Erſterlernen der Mutterſprache. Erziehen iſt nicht ohne Lehren, Erzogenwer¬ den nicht ohne Lernen; erziehungsbedürftig iſt der Menſch, erziehungsfähig wird er erſt durch die Sprache. Nur durch die Sprache denkt er. Ohne Sprache giebt es kein Feſthalten der Be¬ griffe, kein Beſtimmen derſelben zum Urtheil, kein Aneinanderreihen von dieſen zu Schlüſſen.

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/214>, abgerufen am 23.11.2024.