dem unendlichen Sprachschatz. Dadurch wird im Deutschen das Mögliche auch wirklich. Darum bleibt jede Wortzählung eine verun- glückte Mühe und jeder Wortstempel von ver- altet und neugebildet ein ungewiß Ding. Un- ter sprachthümlichen Wörtern ist kein Wortrang von Erstlingen und Spätlingen. Wörter sind nicht Wein und Lagerbier, so mit der Zeit an Geistigkeit zunehmen. In der Bildsamkeit lebt die Verjüngung der Sprache. Sie ist der Born ihrer Unsterblichkeit. Die Wortquellen kann man im Deutschen nur ergründen, nicht erschöpfen. Nicht fertig werden die Wörter ge- geben, wohl aber hat die Sprache die Zuthat und die Bildekraft in ihren Bildegesetzen. Da finden sich Musterwörter und Musterweisen. Darum bedürfen Wörter keiner Buchahnen, allein durch Sprachthümlichkeit sind sie sprach- bürtig.
In der Theilbarkeit, Zersetzung, Versetzung und Zusammensetzung besitzet die Deutsche Spra- che eine Vielgestalt, die sich wendet, schwenket und kehrt, und nach allen möglichen Richtungen fortschreitet. Als Ursprache hat sie eine Klarheit
zur
dem unendlichen Sprachſchatz. Dadurch wird im Deutſchen das Mögliche auch wirklich. Darum bleibt jede Wortzählung eine verun- glückte Mühe und jeder Wortſtempel von ver- altet und neugebildet ein ungewiß Ding. Un- ter ſprachthümlichen Wörtern iſt kein Wortrang von Erſtlingen und Spätlingen. Wörter ſind nicht Wein und Lagerbier, ſo mit der Zeit an Geiſtigkeit zunehmen. In der Bildſamkeit lebt die Verjüngung der Sprache. Sie iſt der Born ihrer Unſterblichkeit. Die Wortquellen kann man im Deutſchen nur ergründen, nicht erſchöpfen. Nicht fertig werden die Wörter ge- geben, wohl aber hat die Sprache die Zuthat und die Bildekraft in ihren Bildegeſetzen. Da finden ſich Muſterwörter und Muſterweiſen. Darum bedürfen Wörter keiner Buchahnen, allein durch Sprachthümlichkeit ſind ſie ſprach- bürtig.
In der Theilbarkeit, Zerſetzung, Verſetzung und Zuſammenſetzung beſitzet die Deutſche Spra- che eine Vielgeſtalt, die ſich wendet, ſchwenket und kehrt, und nach allen möglichen Richtungen fortſchreitet. Als Urſprache hat ſie eine Klarheit
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[XXIII/0029]
dem unendlichen Sprachſchatz. Dadurch wird
im Deutſchen das Mögliche auch wirklich.
Darum bleibt jede Wortzählung eine verun-
glückte Mühe und jeder Wortſtempel von ver-
altet und neugebildet ein ungewiß Ding. Un-
ter ſprachthümlichen Wörtern iſt kein Wortrang
von Erſtlingen und Spätlingen. Wörter ſind
nicht Wein und Lagerbier, ſo mit der Zeit an
Geiſtigkeit zunehmen. In der Bildſamkeit lebt
die Verjüngung der Sprache. Sie iſt der
Born ihrer Unſterblichkeit. Die Wortquellen
kann man im Deutſchen nur ergründen, nicht
erſchöpfen. Nicht fertig werden die Wörter ge-
geben, wohl aber hat die Sprache die Zuthat
und die Bildekraft in ihren Bildegeſetzen. Da
finden ſich Muſterwörter und Muſterweiſen.
Darum bedürfen Wörter keiner Buchahnen,
allein durch Sprachthümlichkeit ſind ſie ſprach-
bürtig.
In der Theilbarkeit, Zerſetzung, Verſetzung
und Zuſammenſetzung beſitzet die Deutſche Spra-
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Jahn, Friedrich L.; Eiselen, Ernst W. B.: Die deutsche Turnkunst, zur Einrichtung der Turnplätze dargestellt. Berlin, 1816, S. XXIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_turnkunst_1816/29>, abgerufen am 22.11.2024.
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