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Jahn, Otto: Gottfried Herrmann. Eine Gedächnissrede. Leipzig, 1849.

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er seine Leiden, die ihm bald den Schlaf gänzlich raubten; er liess seine Umgebung nicht ahnen, wie schwer sie waren, seine Stimmung blieb stets die gleiche, heiter und klar, in jedem freieren Augenblick trat das geistige Interesse lebhaft hervor, bis zu seinem letztem Athemzug ist er sich getreu geblieben. Immer war er darauf bedacht die Pflege, welche die Seinigen ihm darboten, zu erleichtern, beklagte die Mühe die er ihnen mache, und sprach ihnen für jeden Beweis ihrer Liebe seinen Dank aus. Wenn man vor dem letzten Tag Niemand glücklich nennen soll, so dürfen wir ihn in Wahrheit preisen, denn seine letzten Tage haben auf ein langes, reiches, edles Leben das Siegel der Vollendung gedrückt. Und auch den Wunsch, der allein noch gestattet war, erfüllte das scheidende Jahr; am letzten Tage desselben nahm ihn der Tod sanft und schnell in seine Arme.

Mit Gottfried Hermann ist unserer Universität die Krone genommen worden, welche sie nie in der Weise wieder gewinnen wird. Uns aber bleibt der Segen, einen grossen Mann in Wahrheit den Unsrigen zu nennen und in treuer, dankbarer Liebe sein Andenken heilig zu halten.



Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig.

er seine Leiden, die ihm bald den Schlaf gänzlich raubten; er liess seine Umgebung nicht ahnen, wie schwer sie waren, seine Stimmung blieb stets die gleiche, heiter und klar, in jedem freieren Augenblick trat das geistige Interesse lebhaft hervor, bis zu seinem letztem Athemzug ist er sich getreu geblieben. Immer war er darauf bedacht die Pflege, welche die Seinigen ihm darboten, zu erleichtern, beklagte die Mühe die er ihnen mache, und sprach ihnen für jeden Beweis ihrer Liebe seinen Dank aus. Wenn man vor dem letzten Tag Niemand glücklich nennen soll, so dürfen wir ihn in Wahrheit preisen, denn seine letzten Tage haben auf ein langes, reiches, edles Leben das Siegel der Vollendung gedrückt. Und auch den Wunsch, der allein noch gestattet war, erfüllte das scheidende Jahr; am letzten Tage desselben nahm ihn der Tod sanft und schnell in seine Arme.

Mit Gottfried Hermann ist unserer Universität die Krone genommen worden, welche sie nie in der Weise wieder gewinnen wird. Uns aber bleibt der Segen, einen grossen Mann in Wahrheit den Unsrigen zu nennen und in treuer, dankbarer Liebe sein Andenken heilig zu halten.



Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig.

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[32/0032] er seine Leiden, die ihm bald den Schlaf gänzlich raubten; er liess seine Umgebung nicht ahnen, wie schwer sie waren, seine Stimmung blieb stets die gleiche, heiter und klar, in jedem freieren Augenblick trat das geistige Interesse lebhaft hervor, bis zu seinem letztem Athemzug ist er sich getreu geblieben. Immer war er darauf bedacht die Pflege, welche die Seinigen ihm darboten, zu erleichtern, beklagte die Mühe die er ihnen mache, und sprach ihnen für jeden Beweis ihrer Liebe seinen Dank aus. Wenn man vor dem letzten Tag Niemand glücklich nennen soll, so dürfen wir ihn in Wahrheit preisen, denn seine letzten Tage haben auf ein langes, reiches, edles Leben das Siegel der Vollendung gedrückt. Und auch den Wunsch, der allein noch gestattet war, erfüllte das scheidende Jahr; am letzten Tage desselben nahm ihn der Tod sanft und schnell in seine Arme. Mit Gottfried Hermann ist unserer Universität die Krone genommen worden, welche sie nie in der Weise wieder gewinnen wird. Uns aber bleibt der Segen, einen grossen Mann in Wahrheit den Unsrigen zu nennen und in treuer, dankbarer Liebe sein Andenken heilig zu halten. Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig.

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Zitationshilfe: Jahn, Otto: Gottfried Herrmann. Eine Gedächnissrede. Leipzig, 1849, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_rede_1849/32>, abgerufen am 28.03.2024.