Jahn, Otto: Gottfried Herrmann. Eine Gedächnissrede. Leipzig, 1849.Fast alle anderen Ausgaben sind aus äusseren Veranlassungen entstanden, welche meistens die Vorlesungen boten; zahlreiche Abhandlungen aber rief die oft sich wiederholende Pflicht hervor, im Namen der Universität Programme zu schreiben, welche ihn stets bereit fand, eine in sich abgeschlossene Untersuchung, musterhaft durch das methodische Verfahren und die anziehende Darstellung, als reife Frucht seiner unausgesetzten Studien mitzutheilen. Dieser gesellen sich noch Recensionen in grosser Anzahl hinzu, zum grossen Theil wider seine Neigung auf den Wunsch von Schriftstellern verfasst, die ihn um sein Urtheil baten, manche von nachhaltiger wissenschaftlicher Bedeutung, keine ohne eigenthümlichen Gehalt. Bei dieser vielseitigen, lang dauernden litterarischen Thätigkeit ist Hermann mit den meisten seiner Fachgenossen in Berührung gekommen; zum grössten Theil waren diese Beziehungen wohlwollend freundschaftlich, nicht selten aber auch polemisch. Denn da Hermann ebenso entschieden als lebhaft und offen, auch dem Disputieren nicht abgeneigt war, so sprach er sich über fremde Ansichten leicht und ohne Rückhalt aus, und vertheidigte seine Ueberzeugung mit Eifer. Das hat ihn in viele Streitigkeiten verwickelt, die zum Theil lange und mit Heftigkeit geführt worden sind. Ich bin so weit von der Anmassung entfernt, mich zum Richter aufzuwerfen, als ich lange vergessene Fehden wieder erwecken möchte. Aber das darf und muss ich hier sagen, dass Hermann's Polemik stets nur der Sache und nie der Person gegolten hat. Er war in der Beurtheilung der Personen milde und schonend, wie ihn denn auch der heftigste Streit nie gemüthlich erbittert hat, aber er liess die Nachsicht gegen die Person nicht zur Schwäche in der Beurtheilung der Sache werden, und bei seinem entschieden ausgeprägten Wesen war es allerdings möglich, dass er eine ganz verschieden organisierte Natur nicht verstand und ihr so Unrecht that, aber das geschah, wenn es geschah, unbewusst. Er war vielmehr darin echt ritterlich, dass er seinen Gegner stets als ebenbürtig betrachtete, wodurch das Missverhältniss freilich mitunter noch greller hervortrat. Rücksicht auf äussere Verhältnisse zu nehmen, wo es die Wissenschaft galt, kam ihm nie in den Sinn; daher ist auch der Ton seiner Polemik, offen, bestimmt, kräftig, wo er es nöthig fand strenge, sich stets gleich geblieben, und nicht verschieden, da er als junger Mann gegen den gefeierten Porson auftrat, und da er selbst als hohe Auctorität galt. Als solche galt er freilich nur Anderen, ihm selbst wäre es nie eingefallen, sich für Fast alle anderen Ausgaben sind aus äusseren Veranlassungen entstanden, welche meistens die Vorlesungen boten; zahlreiche Abhandlungen aber rief die oft sich wiederholende Pflicht hervor, im Namen der Universität Programme zu schreiben, welche ihn stets bereit fand, eine in sich abgeschlossene Untersuchung, musterhaft durch das methodische Verfahren und die anziehende Darstellung, als reife Frucht seiner unausgesetzten Studien mitzutheilen. Dieser gesellen sich noch Recensionen in grosser Anzahl hinzu, zum grossen Theil wider seine Neigung auf den Wunsch von Schriftstellern verfasst, die ihn um sein Urtheil baten, manche von nachhaltiger wissenschaftlicher Bedeutung, keine ohne eigenthümlichen Gehalt. Bei dieser vielseitigen, lang dauernden litterarischen Thätigkeit ist Hermann mit den meisten seiner Fachgenossen in Berührung gekommen; zum grössten Theil waren diese Beziehungen wohlwollend freundschaftlich, nicht selten aber auch polemisch. Denn da Hermann ebenso entschieden als lebhaft und offen, auch dem Disputieren nicht abgeneigt war, so sprach er sich über fremde Ansichten leicht und ohne Rückhalt aus, und vertheidigte seine Ueberzeugung mit Eifer. Das hat ihn in viele Streitigkeiten verwickelt, die zum Theil lange und mit Heftigkeit geführt worden sind. Ich bin so weit von der Anmassung entfernt, mich zum Richter aufzuwerfen, als ich lange vergessene Fehden wieder erwecken möchte. Aber das darf und muss ich hier sagen, dass Hermann’s Polemik stets nur der Sache und nie der Person gegolten hat. Er war in der Beurtheilung der Personen milde und schonend, wie ihn denn auch der heftigste Streit nie gemüthlich erbittert hat, aber er liess die Nachsicht gegen die Person nicht zur Schwäche in der Beurtheilung der Sache werden, und bei seinem entschieden ausgeprägten Wesen war es allerdings möglich, dass er eine ganz verschieden organisierte Natur nicht verstand und ihr so Unrecht that, aber das geschah, wenn es geschah, unbewusst. Er war vielmehr darin echt ritterlich, dass er seinen Gegner stets als ebenbürtig betrachtete, wodurch das Missverhältniss freilich mitunter noch greller hervortrat. Rücksicht auf äussere Verhältnisse zu nehmen, wo es die Wissenschaft galt, kam ihm nie in den Sinn; daher ist auch der Ton seiner Polemik, offen, bestimmt, kräftig, wo er es nöthig fand strenge, sich stets gleich geblieben, und nicht verschieden, da er als junger Mann gegen den gefeierten Porson auftrat, und da er selbst als hohe Auctorität galt. Als solche galt er freilich nur Anderen, ihm selbst wäre es nie eingefallen, sich für <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0022" n="22"/> Fast alle anderen Ausgaben sind aus äusseren Veranlassungen entstanden, welche meistens die Vorlesungen boten; zahlreiche Abhandlungen aber rief die oft sich wiederholende Pflicht hervor, im Namen der Universität Programme zu schreiben, welche ihn stets bereit fand, eine in sich abgeschlossene Untersuchung, musterhaft durch das methodische Verfahren und die anziehende Darstellung, als reife Frucht seiner unausgesetzten Studien mitzutheilen. Dieser gesellen sich noch Recensionen in grosser Anzahl hinzu, zum grossen Theil wider seine Neigung auf den Wunsch von Schriftstellern verfasst, die ihn um sein Urtheil baten, manche von nachhaltiger wissenschaftlicher Bedeutung, keine ohne eigenthümlichen Gehalt.</p> <p>Bei dieser vielseitigen, lang dauernden litterarischen Thätigkeit ist Hermann mit den meisten seiner Fachgenossen in Berührung gekommen; zum grössten Theil waren diese Beziehungen wohlwollend freundschaftlich, nicht selten aber auch polemisch. Denn da Hermann ebenso entschieden als lebhaft und offen, auch dem Disputieren nicht abgeneigt war, so sprach er sich über fremde Ansichten leicht und ohne Rückhalt aus, und vertheidigte seine Ueberzeugung mit Eifer. Das hat ihn in viele Streitigkeiten verwickelt, die zum Theil lange und mit Heftigkeit geführt worden sind. Ich bin so weit von der Anmassung entfernt, mich zum Richter aufzuwerfen, als ich lange vergessene Fehden wieder erwecken möchte. Aber das darf und muss ich hier sagen, dass Hermann’s Polemik stets nur der Sache und nie der Person gegolten hat. Er war in der Beurtheilung der Personen milde und schonend, wie ihn denn auch der heftigste Streit nie gemüthlich erbittert hat, aber er liess die Nachsicht gegen die Person nicht zur Schwäche in der Beurtheilung der Sache werden, und bei seinem entschieden ausgeprägten Wesen war es allerdings möglich, dass er eine ganz verschieden organisierte Natur nicht verstand und ihr so Unrecht that, aber das geschah, wenn es geschah, unbewusst. Er war vielmehr darin echt ritterlich, dass er seinen Gegner stets als ebenbürtig betrachtete, wodurch das Missverhältniss freilich mitunter noch greller hervortrat. Rücksicht auf äussere Verhältnisse zu nehmen, wo es die Wissenschaft galt, kam ihm nie in den Sinn; daher ist auch der Ton seiner Polemik, offen, bestimmt, kräftig, wo er es nöthig fand strenge, sich stets gleich geblieben, und nicht verschieden, da er als junger Mann gegen den gefeierten Porson auftrat, und da er selbst als hohe Auctorität galt. Als solche galt er freilich nur Anderen, ihm selbst wäre es nie eingefallen, sich für </p> </div> </body> </text> </TEI> [22/0022]
Fast alle anderen Ausgaben sind aus äusseren Veranlassungen entstanden, welche meistens die Vorlesungen boten; zahlreiche Abhandlungen aber rief die oft sich wiederholende Pflicht hervor, im Namen der Universität Programme zu schreiben, welche ihn stets bereit fand, eine in sich abgeschlossene Untersuchung, musterhaft durch das methodische Verfahren und die anziehende Darstellung, als reife Frucht seiner unausgesetzten Studien mitzutheilen. Dieser gesellen sich noch Recensionen in grosser Anzahl hinzu, zum grossen Theil wider seine Neigung auf den Wunsch von Schriftstellern verfasst, die ihn um sein Urtheil baten, manche von nachhaltiger wissenschaftlicher Bedeutung, keine ohne eigenthümlichen Gehalt.
Bei dieser vielseitigen, lang dauernden litterarischen Thätigkeit ist Hermann mit den meisten seiner Fachgenossen in Berührung gekommen; zum grössten Theil waren diese Beziehungen wohlwollend freundschaftlich, nicht selten aber auch polemisch. Denn da Hermann ebenso entschieden als lebhaft und offen, auch dem Disputieren nicht abgeneigt war, so sprach er sich über fremde Ansichten leicht und ohne Rückhalt aus, und vertheidigte seine Ueberzeugung mit Eifer. Das hat ihn in viele Streitigkeiten verwickelt, die zum Theil lange und mit Heftigkeit geführt worden sind. Ich bin so weit von der Anmassung entfernt, mich zum Richter aufzuwerfen, als ich lange vergessene Fehden wieder erwecken möchte. Aber das darf und muss ich hier sagen, dass Hermann’s Polemik stets nur der Sache und nie der Person gegolten hat. Er war in der Beurtheilung der Personen milde und schonend, wie ihn denn auch der heftigste Streit nie gemüthlich erbittert hat, aber er liess die Nachsicht gegen die Person nicht zur Schwäche in der Beurtheilung der Sache werden, und bei seinem entschieden ausgeprägten Wesen war es allerdings möglich, dass er eine ganz verschieden organisierte Natur nicht verstand und ihr so Unrecht that, aber das geschah, wenn es geschah, unbewusst. Er war vielmehr darin echt ritterlich, dass er seinen Gegner stets als ebenbürtig betrachtete, wodurch das Missverhältniss freilich mitunter noch greller hervortrat. Rücksicht auf äussere Verhältnisse zu nehmen, wo es die Wissenschaft galt, kam ihm nie in den Sinn; daher ist auch der Ton seiner Polemik, offen, bestimmt, kräftig, wo er es nöthig fand strenge, sich stets gleich geblieben, und nicht verschieden, da er als junger Mann gegen den gefeierten Porson auftrat, und da er selbst als hohe Auctorität galt. Als solche galt er freilich nur Anderen, ihm selbst wäre es nie eingefallen, sich für
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