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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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mehresten ganz und gar in die Vergessen-
heit gerathen. Der eigentliche und we-
sentliche Gottesdienst, nämlich die innere
Verehrung des Höchsten, und die daher
entstehende wahre Tugend, muß durch et-
was Sinnliches unterhalten werden. Es
muß desselben desto mehr seyn, je ungebaue-
ter der Verstand des Menschen ist. Weil
dieses aber leicht einen andern Fehler nach
sich ziehet, daß man nämlich bey dem äus-
serlichen stehen bleibet und auf die innere
Verehrung Gottes nicht achtet, so ist gut,
daß man von dem Sinnlichen immer mehr
und mehr zurück lässet, nachdem die Be-
griffe der Vernunft wachsen. Etwas
muß aber allezeit bleiben, so die Sinne
rühret. Gott hat dieses sehr weislich be-
obachtet. Als er jenes rohe und annoch
ungebauete Volk in der Erkänntniß und
Verehrung des einigen und wahren Be-
herrschers Himmels und der Erden befesti-
gen, und aus diesem Volke eine so selige
Erkänntniß über die ganze Erde verbrei-
ten wollte, erforderte die Weisheit einen
sehr sinnlichen und prächtigen äusserlichen
Gottesdienst anzuordnen. Er gab ihnen
eine ansehnliche Priesterschaft, große Feste,
und viele Opfer. Dieses alles aber zie-
lete auf zweyerley ab. Es sollte sie näm-
lich in einer lebendigen Erkänntniß des ei-
nigen Gottes, und daß ihr ganzes Glück
von ihm herkäme, und in der Erkänntniß

ihrer
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mehreſten ganz und gar in die Vergeſſen-
heit gerathen. Der eigentliche und we-
ſentliche Gottesdienſt, naͤmlich die innere
Verehrung des Hoͤchſten, und die daher
entſtehende wahre Tugend, muß durch et-
was Sinnliches unterhalten werden. Es
muß deſſelben deſto mehr ſeyn, je ungebaue-
ter der Verſtand des Menſchen iſt. Weil
dieſes aber leicht einen andern Fehler nach
ſich ziehet, daß man naͤmlich bey dem aͤuſ-
ſerlichen ſtehen bleibet und auf die innere
Verehrung Gottes nicht achtet, ſo iſt gut,
daß man von dem Sinnlichen immer mehr
und mehr zuruͤck laͤſſet, nachdem die Be-
griffe der Vernunft wachſen. Etwas
muß aber allezeit bleiben, ſo die Sinne
ruͤhret. Gott hat dieſes ſehr weislich be-
obachtet. Als er jenes rohe und annoch
ungebauete Volk in der Erkaͤnntniß und
Verehrung des einigen und wahren Be-
herrſchers Himmels und der Erden befeſti-
gen, und aus dieſem Volke eine ſo ſelige
Erkaͤnntniß uͤber die ganze Erde verbrei-
ten wollte, erforderte die Weisheit einen
ſehr ſinnlichen und praͤchtigen aͤuſſerlichen
Gottesdienſt anzuordnen. Er gab ihnen
eine anſehnliche Prieſterſchaft, große Feſte,
und viele Opfer. Dieſes alles aber zie-
lete auf zweyerley ab. Es ſollte ſie naͤm-
lich in einer lebendigen Erkaͤnntniß des ei-
nigen Gottes, und daß ihr ganzes Gluͤck
von ihm herkaͤme, und in der Erkaͤnntniß

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[67/0087] mehreſten ganz und gar in die Vergeſſen- heit gerathen. Der eigentliche und we- ſentliche Gottesdienſt, naͤmlich die innere Verehrung des Hoͤchſten, und die daher entſtehende wahre Tugend, muß durch et- was Sinnliches unterhalten werden. Es muß deſſelben deſto mehr ſeyn, je ungebaue- ter der Verſtand des Menſchen iſt. Weil dieſes aber leicht einen andern Fehler nach ſich ziehet, daß man naͤmlich bey dem aͤuſ- ſerlichen ſtehen bleibet und auf die innere Verehrung Gottes nicht achtet, ſo iſt gut, daß man von dem Sinnlichen immer mehr und mehr zuruͤck laͤſſet, nachdem die Be- griffe der Vernunft wachſen. Etwas muß aber allezeit bleiben, ſo die Sinne ruͤhret. Gott hat dieſes ſehr weislich be- obachtet. Als er jenes rohe und annoch ungebauete Volk in der Erkaͤnntniß und Verehrung des einigen und wahren Be- herrſchers Himmels und der Erden befeſti- gen, und aus dieſem Volke eine ſo ſelige Erkaͤnntniß uͤber die ganze Erde verbrei- ten wollte, erforderte die Weisheit einen ſehr ſinnlichen und praͤchtigen aͤuſſerlichen Gottesdienſt anzuordnen. Er gab ihnen eine anſehnliche Prieſterſchaft, große Feſte, und viele Opfer. Dieſes alles aber zie- lete auf zweyerley ab. Es ſollte ſie naͤm- lich in einer lebendigen Erkaͤnntniß des ei- nigen Gottes, und daß ihr ganzes Gluͤck von ihm herkaͤme, und in der Erkaͤnntniß ihrer E 2

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/87>, abgerufen am 03.05.2024.