ret, was aller Vermuthung nach in den Zeiten der groben Unwissenheit den ersten Anlaß zur Vielgötterey gegeben. Man hielt erst Sonne, Mond und Sterne für den Sitz der Gottheit, und endlich selbst für Götter. Jndem man ferner die Seelen der Häupter der Familien und grosser Helden für unsterblich hielt und in den Himmel setzte, so legte man ihnen nach und nach eine Fürsorge für die Zurückgelassenen bey, und glaubte vielleicht, daß sie als Freunde Gottes noch könnten nützlich seyn. Mit der Zeit machte man sie zu halben Gott- heiten, und vergaß endlich, bey der zuneh- menden Unwissenheit, des einigen unsicht- bahren Gottes, und verwandelte den ver- nünftigen Gottesdienst in den thörichtesten und zum Theil schändlichsten Aberglauben. Eine von der Vernunft verlassenene und schwärmende Einbildungskraft, wie auch die List stolzer Regenten, die durch den Gebrauch des Aberglaubens sich die Ein- fältigen unterwarfen, vermehrte die Gott- heiten in das Unendliche. Man gieng in der Thorheit so weit, daß man den Götzen so gar Menschen und seine eigene Kinder opferte*). Und es ist ein ewiger Schand-
fleck,
*) Wie gar gewöhnlich dieser fürchterliche Aber- glaube unter den Völkern gewesen, davon kann man gesammlete Nachrichten lesen in Schedii Tract. de Diis Germanis Cap. XXXI.
Die
ret, was aller Vermuthung nach in den Zeiten der groben Unwiſſenheit den erſten Anlaß zur Vielgoͤtterey gegeben. Man hielt erſt Sonne, Mond und Sterne fuͤr den Sitz der Gottheit, und endlich ſelbſt fuͤr Goͤtter. Jndem man ferner die Seelen der Haͤupter der Familien und groſſer Helden fuͤr unſterblich hielt und in den Himmel ſetzte, ſo legte man ihnen nach und nach eine Fuͤrſorge fuͤr die Zuruͤckgelaſſenen bey, und glaubte vielleicht, daß ſie als Freunde Gottes noch koͤnnten nuͤtzlich ſeyn. Mit der Zeit machte man ſie zu halben Gott- heiten, und vergaß endlich, bey der zuneh- menden Unwiſſenheit, des einigen unſicht- bahren Gottes, und verwandelte den ver- nuͤnftigen Gottesdienſt in den thoͤrichteſten und zum Theil ſchaͤndlichſten Aberglauben. Eine von der Vernunft verlaſſenene und ſchwaͤrmende Einbildungskraft, wie auch die Liſt ſtolzer Regenten, die durch den Gebrauch des Aberglaubens ſich die Ein- faͤltigen unterwarfen, vermehrte die Gott- heiten in das Unendliche. Man gieng in der Thorheit ſo weit, daß man den Goͤtzen ſo gar Menſchen und ſeine eigene Kinder opferte*). Und es iſt ein ewiger Schand-
fleck,
*) Wie gar gewoͤhnlich dieſer fuͤrchterliche Aber- glaube unter den Voͤlkern geweſen, davon kann man geſammlete Nachrichten leſen in Schedii Tract. de Diis Germanis Cap. XXXI.
Die
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ret, was aller Vermuthung nach in den
Zeiten der groben Unwiſſenheit den erſten
Anlaß zur Vielgoͤtterey gegeben. Man
hielt erſt Sonne, Mond und Sterne fuͤr den
Sitz der Gottheit, und endlich ſelbſt fuͤr
Goͤtter. Jndem man ferner die Seelen der
Haͤupter der Familien und groſſer Helden
fuͤr unſterblich hielt und in den Himmel
ſetzte, ſo legte man ihnen nach und nach
eine Fuͤrſorge fuͤr die Zuruͤckgelaſſenen bey,
und glaubte vielleicht, daß ſie als Freunde
Gottes noch koͤnnten nuͤtzlich ſeyn. Mit
der Zeit machte man ſie zu halben Gott-
heiten, und vergaß endlich, bey der zuneh-
menden Unwiſſenheit, des einigen unſicht-
bahren Gottes, und verwandelte den ver-
nuͤnftigen Gottesdienſt in den thoͤrichteſten
und zum Theil ſchaͤndlichſten Aberglauben.
Eine von der Vernunft verlaſſenene und
ſchwaͤrmende Einbildungskraft, wie auch
die Liſt ſtolzer Regenten, die durch den
Gebrauch des Aberglaubens ſich die Ein-
faͤltigen unterwarfen, vermehrte die Gott-
heiten in das Unendliche. Man gieng in
der Thorheit ſo weit, daß man den Goͤtzen
ſo gar Menſchen und ſeine eigene Kinder
opferte *). Und es iſt ein ewiger Schand-
fleck,
*) Wie gar gewoͤhnlich dieſer fuͤrchterliche Aber-
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kann man geſammlete Nachrichten leſen in
Schedii Tract. de Diis Germanis Cap. XXXI.
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/67>, abgerufen am 28.11.2024.
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