Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

de erschaffen und ihm nicht nur das Leben
verliehen, sondern auch seine Wohlfarth
zu befördern gesucht, sich ihm zu erkennen
gegeben, und auf alle Weise, auch so gar
nach dem Falle, für die Kleidung desselben
gesorget. Es kommt dieses einigen an-
stössig vor. Allein man erwäge folgende
Umstände: Was ist Gott anständiger, und
was kann man wol mehr von seiner Weis-
heit und unendlichen Güte erwarten, daß
er den Menschen schaffet, und ihn vie-
leicht einige hundert Jahre, wie ein Vieh
gehen lässet, bis er nach und nach zu eini-
ger Vernunft gelanget, oder daß er sich
seiner nach der Schöpfung, da er noch ohne
alle Erfahrung und in diesem Stücke ein
völliges Kind ist, annimmt, und ihm die
allerersten Bedürfnisse in die Hand reichet
und den nöthigsten Unterricht ertheilet?
Wenn ich folgende Umstände überdenke,
so scheinet es mir unumgänglich nothwendig
zu seyn, daß Gott sich auf eine nähere
Arth der ersten Menschen angenommen,
wie jetzo geschiehet. Wie nöthig ist den
Menschen, auch in den heissesten Gegenden,
in kalten und feuchten Nächten, eine
Decke? Und wie lange würden die ersten
Menschen derselben haben entbehren müs-
sen, wenn sie selbige selbst hätten suchen
und erfinden sollen? Wie würde es den
neugebohrnen Kindern ergangen seyn?
Man erwäge nur alle Umstände derselben.

Wie

de erſchaffen und ihm nicht nur das Leben
verliehen, ſondern auch ſeine Wohlfarth
zu befoͤrdern geſucht, ſich ihm zu erkennen
gegeben, und auf alle Weiſe, auch ſo gar
nach dem Falle, fuͤr die Kleidung deſſelben
geſorget. Es kommt dieſes einigen an-
ſtoͤſſig vor. Allein man erwaͤge folgende
Umſtaͤnde: Was iſt Gott anſtaͤndiger, und
was kann man wol mehr von ſeiner Weis-
heit und unendlichen Guͤte erwarten, daß
er den Menſchen ſchaffet, und ihn vie-
leicht einige hundert Jahre, wie ein Vieh
gehen laͤſſet, bis er nach und nach zu eini-
ger Vernunft gelanget, oder daß er ſich
ſeiner nach der Schoͤpfung, da er noch ohne
alle Erfahrung und in dieſem Stuͤcke ein
voͤlliges Kind iſt, annimmt, und ihm die
allererſten Beduͤrfniſſe in die Hand reichet
und den noͤthigſten Unterricht ertheilet?
Wenn ich folgende Umſtaͤnde uͤberdenke,
ſo ſcheinet es mir unumgaͤnglich nothwendig
zu ſeyn, daß Gott ſich auf eine naͤhere
Arth der erſten Menſchen angenommen,
wie jetzo geſchiehet. Wie noͤthig iſt den
Menſchen, auch in den heiſſeſten Gegenden,
in kalten und feuchten Naͤchten, eine
Decke? Und wie lange wuͤrden die erſten
Menſchen derſelben haben entbehren muͤſ-
ſen, wenn ſie ſelbige ſelbſt haͤtten ſuchen
und erfinden ſollen? Wie wuͤrde es den
neugebohrnen Kindern ergangen ſeyn?
Man erwaͤge nur alle Umſtaͤnde derſelben.

Wie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0047" n="27"/>
de er&#x017F;chaffen und ihm nicht nur das Leben<lb/>
verliehen, &#x017F;ondern auch &#x017F;eine Wohlfarth<lb/>
zu befo&#x0364;rdern ge&#x017F;ucht, &#x017F;ich ihm zu erkennen<lb/>
gegeben, und auf alle Wei&#x017F;e, auch &#x017F;o gar<lb/>
nach dem Falle, fu&#x0364;r die Kleidung de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
ge&#x017F;orget. Es kommt die&#x017F;es einigen an-<lb/>
&#x017F;to&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig vor. Allein man erwa&#x0364;ge folgende<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nde: Was i&#x017F;t Gott an&#x017F;ta&#x0364;ndiger, und<lb/>
was kann man wol mehr von &#x017F;einer Weis-<lb/>
heit und unendlichen Gu&#x0364;te erwarten, daß<lb/>
er den Men&#x017F;chen &#x017F;chaffet, und ihn vie-<lb/>
leicht einige hundert Jahre, wie ein Vieh<lb/>
gehen la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et, bis er nach und nach zu eini-<lb/>
ger Vernunft gelanget, oder daß er &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;einer nach der Scho&#x0364;pfung, da er noch ohne<lb/>
alle Erfahrung und in die&#x017F;em Stu&#x0364;cke ein<lb/>
vo&#x0364;lliges Kind i&#x017F;t, annimmt, und ihm die<lb/>
allerer&#x017F;ten Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e in die Hand reichet<lb/>
und den no&#x0364;thig&#x017F;ten Unterricht ertheilet?<lb/>
Wenn ich folgende Um&#x017F;ta&#x0364;nde u&#x0364;berdenke,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;cheinet es mir unumga&#x0364;nglich nothwendig<lb/>
zu &#x017F;eyn, daß Gott &#x017F;ich auf eine na&#x0364;here<lb/>
Arth der er&#x017F;ten Men&#x017F;chen angenommen,<lb/>
wie jetzo ge&#x017F;chiehet. Wie no&#x0364;thig i&#x017F;t den<lb/>
Men&#x017F;chen, auch in den hei&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten Gegenden,<lb/>
in kalten und feuchten Na&#x0364;chten, eine<lb/>
Decke? Und wie lange wu&#x0364;rden die er&#x017F;ten<lb/>
Men&#x017F;chen der&#x017F;elben haben entbehren mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, wenn &#x017F;ie &#x017F;elbige &#x017F;elb&#x017F;t ha&#x0364;tten &#x017F;uchen<lb/>
und erfinden &#x017F;ollen? Wie wu&#x0364;rde es den<lb/>
neugebohrnen Kindern ergangen &#x017F;eyn?<lb/>
Man erwa&#x0364;ge nur alle Um&#x017F;ta&#x0364;nde der&#x017F;elben.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wie</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0047] de erſchaffen und ihm nicht nur das Leben verliehen, ſondern auch ſeine Wohlfarth zu befoͤrdern geſucht, ſich ihm zu erkennen gegeben, und auf alle Weiſe, auch ſo gar nach dem Falle, fuͤr die Kleidung deſſelben geſorget. Es kommt dieſes einigen an- ſtoͤſſig vor. Allein man erwaͤge folgende Umſtaͤnde: Was iſt Gott anſtaͤndiger, und was kann man wol mehr von ſeiner Weis- heit und unendlichen Guͤte erwarten, daß er den Menſchen ſchaffet, und ihn vie- leicht einige hundert Jahre, wie ein Vieh gehen laͤſſet, bis er nach und nach zu eini- ger Vernunft gelanget, oder daß er ſich ſeiner nach der Schoͤpfung, da er noch ohne alle Erfahrung und in dieſem Stuͤcke ein voͤlliges Kind iſt, annimmt, und ihm die allererſten Beduͤrfniſſe in die Hand reichet und den noͤthigſten Unterricht ertheilet? Wenn ich folgende Umſtaͤnde uͤberdenke, ſo ſcheinet es mir unumgaͤnglich nothwendig zu ſeyn, daß Gott ſich auf eine naͤhere Arth der erſten Menſchen angenommen, wie jetzo geſchiehet. Wie noͤthig iſt den Menſchen, auch in den heiſſeſten Gegenden, in kalten und feuchten Naͤchten, eine Decke? Und wie lange wuͤrden die erſten Menſchen derſelben haben entbehren muͤſ- ſen, wenn ſie ſelbige ſelbſt haͤtten ſuchen und erfinden ſollen? Wie wuͤrde es den neugebohrnen Kindern ergangen ſeyn? Man erwaͤge nur alle Umſtaͤnde derſelben. Wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/47
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/47>, abgerufen am 25.04.2024.