den, daß die triumphirende Kirche nicht so gleich würde angerichtet werden, sondern es würde selbige noch eine geraume Zeit theils unter den gemeinen widrigen Schick- salen der Welt, theils unter besondern Verfolgungen streiten, und sich ausbrei- ten und vermehren müssen. Dieses be- fremdete sie aber, daß es so lange dauern sollte, ehe es erschiene, was die Kinder Gottes seyn sollten, und daß sie Gott von der Welt erwählet, und sie doch unter dem Bedruck derselben so lange seufzen liesse. Es war ihnen unbegreiflich, daß Gott und der liebreichste Heiland die aller- treuesten Freunde so lange in Angst und al- lerhand Elende lassen könnte. Es traten nach und nach Spötter auf, und wie groß wird ihre Anzahl anjetzt, die da sagten: wo ist die Verheissung seiner Zukunft? Denn nachdem die Väter entschlafen sind, bleibet es alles, wie es von Anfang der Creatur gewesen ist. Wie nöthig war es nicht, und wie nöthig ist es nicht noch jetzo, die Gläubigen zu stärken, wenn sie mit solchen Vorwürfen und unru- higen Zweifeln streiten müssen. Johannes siehet und erzählet uns daher etwas, so diese Unruhe des Gemüthes besänftigen kann. Er siehet in einem Gesichte die Seelen solcher, welche wegen des Wortes Gottes umgebracht waren. Er höret sie mit starker Stimme schreien: Herr du
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den, daß die triumphirende Kirche nicht ſo gleich wuͤrde angerichtet werden, ſondern es wuͤrde ſelbige noch eine geraume Zeit theils unter den gemeinen widrigen Schick- ſalen der Welt, theils unter beſondern Verfolgungen ſtreiten, und ſich ausbrei- ten und vermehren muͤſſen. Dieſes be- fremdete ſie aber, daß es ſo lange dauern ſollte, ehe es erſchiene, was die Kinder Gottes ſeyn ſollten, und daß ſie Gott von der Welt erwaͤhlet, und ſie doch unter dem Bedruck derſelben ſo lange ſeufzen lieſſe. Es war ihnen unbegreiflich, daß Gott und der liebreichſte Heiland die aller- treueſten Freunde ſo lange in Angſt und al- lerhand Elende laſſen koͤnnte. Es traten nach und nach Spoͤtter auf, und wie groß wird ihre Anzahl anjetzt, die da ſagten: wo iſt die Verheiſſung ſeiner Zukunft? Denn nachdem die Vaͤter entſchlafen ſind, bleibet es alles, wie es von Anfang der Creatur geweſen iſt. Wie noͤthig war es nicht, und wie noͤthig iſt es nicht noch jetzo, die Glaͤubigen zu ſtaͤrken, wenn ſie mit ſolchen Vorwuͤrfen und unru- higen Zweifeln ſtreiten muͤſſen. Johannes ſiehet und erzaͤhlet uns daher etwas, ſo dieſe Unruhe des Gemuͤthes beſaͤnftigen kann. Er ſiehet in einem Geſichte die Seelen ſolcher, welche wegen des Wortes Gottes umgebracht waren. Er hoͤret ſie mit ſtarker Stimme ſchreien: Herr du
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den, daß die triumphirende Kirche nicht ſo
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theils unter den gemeinen widrigen Schick-
ſalen der Welt, theils unter beſondern
Verfolgungen ſtreiten, und ſich ausbrei-
ten und vermehren muͤſſen. Dieſes be-
fremdete ſie aber, daß es ſo lange dauern
ſollte, ehe es erſchiene, was die Kinder
Gottes ſeyn ſollten, und daß ſie Gott von
der Welt erwaͤhlet, und ſie doch unter
dem Bedruck derſelben ſo lange ſeufzen
lieſſe. Es war ihnen unbegreiflich, daß
Gott und der liebreichſte Heiland die aller-
treueſten Freunde ſo lange in Angſt und al-
lerhand Elende laſſen koͤnnte. Es traten
nach und nach Spoͤtter auf, und wie groß
wird ihre Anzahl anjetzt, die da ſagten:
wo iſt die Verheiſſung ſeiner Zukunft?
Denn nachdem die Vaͤter entſchlafen ſind,
bleibet es alles, wie es von Anfang der
Creatur geweſen iſt. Wie noͤthig war es
nicht, und wie noͤthig iſt es nicht noch
jetzo, die Glaͤubigen zu ſtaͤrken, wenn
ſie mit ſolchen Vorwuͤrfen und unru-
higen Zweifeln ſtreiten muͤſſen. Johannes
ſiehet und erzaͤhlet uns daher etwas, ſo
dieſe Unruhe des Gemuͤthes beſaͤnftigen
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/429>, abgerufen am 22.11.2024.
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