Menschen auch das Vergnügen seiner Freyheit. Auch in dieser ganz besonders genauen Abmessung erblicke ich eine mehr, als menschliche Weisheit. Die Gesetze blosser Menschen sind selten so abgemessen. Sie sind insgemein entweder zu nachge- bend oder zu strenge, und der Zweck der- selben wird nicht erhalten.
§. 27.
Vielleicht verlangen einige meiner Le-Einige An- merkungen über die Verbind- lichkeit obi- ger Gesetze. ser, daß noch meine Gedanken über die Frage eröffnen soll, in wieferne die abge- handelten Gesetze zu den allgemeinen und nothwendigen Natur-Sitten- und Tugend- gesetzen gehören, und die Christen verpflich- ten? Allein ich habe zu wichtige Ursachen, die mich abhalten, meine Meynung hierü- ber zu äussern. Jch will indessen einige Anmerkungen machen, welche in die Be- antwortung dieser Frage einigen Einfluß haben.
Nicht wenige und vielleicht die mehre- sten christlichen Sittenlehrer hangen der Meynung nach, daß es allezeit besser und schwerer sey, in der Sittenlehre zu strenge, als zu gelinde zu seyn, und, wenn bey ei- nem Ausspruche der Schrift wegen der Sittlichkeit einer Handlung einige Dun- kelheit vorhanden, es allezeit am rathsam-
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Menſchen auch das Vergnuͤgen ſeiner Freyheit. Auch in dieſer ganz beſonders genauen Abmeſſung erblicke ich eine mehr, als menſchliche Weisheit. Die Geſetze bloſſer Menſchen ſind ſelten ſo abgemeſſen. Sie ſind insgemein entweder zu nachge- bend oder zu ſtrenge, und der Zweck der- ſelben wird nicht erhalten.
§. 27.
Vielleicht verlangen einige meiner Le-Einige An- merkungen uͤber die Verbind- lichkeit obi- ger Geſetze. ſer, daß noch meine Gedanken uͤber die Frage eroͤffnen ſoll, in wieferne die abge- handelten Geſetze zu den allgemeinen und nothwendigen Natur-Sitten- und Tugend- geſetzen gehoͤren, und die Chriſten verpflich- ten? Allein ich habe zu wichtige Urſachen, die mich abhalten, meine Meynung hieruͤ- ber zu aͤuſſern. Jch will indeſſen einige Anmerkungen machen, welche in die Be- antwortung dieſer Frage einigen Einfluß haben.
Nicht wenige und vielleicht die mehre- ſten chriſtlichen Sittenlehrer hangen der Meynung nach, daß es allezeit beſſer und ſchwerer ſey, in der Sittenlehre zu ſtrenge, als zu gelinde zu ſeyn, und, wenn bey ei- nem Ausſpruche der Schrift wegen der Sittlichkeit einer Handlung einige Dun- kelheit vorhanden, es allezeit am rathſam-
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Menſchen auch das Vergnuͤgen ſeiner
Freyheit. Auch in dieſer ganz beſonders
genauen Abmeſſung erblicke ich eine mehr,
als menſchliche Weisheit. Die Geſetze
bloſſer Menſchen ſind ſelten ſo abgemeſſen.
Sie ſind insgemein entweder zu nachge-
bend oder zu ſtrenge, und der Zweck der-
ſelben wird nicht erhalten.
§. 27.
Vielleicht verlangen einige meiner Le-
ſer, daß noch meine Gedanken uͤber die
Frage eroͤffnen ſoll, in wieferne die abge-
handelten Geſetze zu den allgemeinen und
nothwendigen Natur-Sitten- und Tugend-
geſetzen gehoͤren, und die Chriſten verpflich-
ten? Allein ich habe zu wichtige Urſachen,
die mich abhalten, meine Meynung hieruͤ-
ber zu aͤuſſern. Jch will indeſſen einige
Anmerkungen machen, welche in die Be-
antwortung dieſer Frage einigen Einfluß
haben.
Einige An-
merkungen
uͤber die
Verbind-
lichkeit obi-
ger Geſetze.
Nicht wenige und vielleicht die mehre-
ſten chriſtlichen Sittenlehrer hangen der
Meynung nach, daß es allezeit beſſer und
ſchwerer ſey, in der Sittenlehre zu ſtrenge,
als zu gelinde zu ſeyn, und, wenn bey ei-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/407>, abgerufen am 22.11.2024.
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